Das Gesetz wurde damals nicht ausschließlich zum Nutzen der Israeliten verkündigt. Gott ehrte sie dadurch, dass er sie zu Hütern und Bewahrern seines Gesetzes bestimmte, aber es sollte ein heiliges Vermächtnis an die ganze Welt sein. Die Vorschriften der Zehn Gebote sind an die ganze Menschheit gerichtet und wurden zur Unterweisung und Lenkung aller erlassen. Es sind zehn Grundsätze, die kurz, umfassend und verbindlich beschreiben, wie sich der Mensch gegenüber Gott und seinen Mitmenschen verhalten soll. Sie beruhen alle auf dem großen, grundlegenden Prinzip der Liebe. »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst.” (Lukas 10,27; vgl. 5. Mose 6,5; 3. Mose 19,18b) In den Zehn Geboten werden diese beiden Aufforderungen näher ausgeführt und auf die Umstände und Lebensbedingungen der Menschen bezogen. WAB 282.2
»Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.« (2. Mose 20,3) WAB 282.3
Jahwe, der Ewige, der aus sich selbst existiert, der Ungeschaffene, der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, hat allein das Recht, höchste Verehrung und Anbetung zu beanspruchen. Dem Menschen wird ausdrücklich untersagt, einem anderen Wesen oder Gegenstand den ersten Platz in Bezug auf Zuneigung oder Dienst einzuräumen. Was immer wir wertschätzen und dazu führt, dass unsere Liebe zu Gott abnimmt oder den Dienst, der ihm gebührt, beeinträchtigt, wird zu einem Götzen. WAB 282.4
»Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!« (2. Mose 20,4.5) WAB 283.1
Das zweite Gebot verbietet die Anbetung des wahren Gottes in Form von Bildern und Figuren. Viele heidnische Völker behaupteten, ihre Bilder seien nur Darstellungen oder Sinnbilder, durch welche die Gottheit angebetet werde, aber Gott hat solch eine Verehrung als Sünde bezeichnet. Der Versuch, den Ewigen durch materielle Gegenstände darzustellen, erniedrigt die Vorstellung, die der Mensch von Gott haben soll. Wenn sich der Verstand von der unendlichen Vollkommenheit Jahwes abwendet, neigt sich der Mensch dem Geschöpf zu statt dem Schöpfer. Wenn die Vorstellungen von Gott aber niedriger werden, wird auch der Mensch erniedrigt. WAB 283.2
»Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott...” (2. Mose 20,5 Elb.). WAB 283.3
Die enge und heilige Beziehung Gottes zu seinem Volk wird mit dem Bild der Ehe verdeutlicht. Da Götzendienst geistlicher Ehebruch ist, wird Gottes Missfallen daran zutreffend als Eifersucht bezeichnet. WAB 283.4
»...der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern, an der dritten und vierten Generation von denen, die mich hassen« (2. Mose 20,5 Elb.). WAB 283.5
Es ist unvermeidlich, dass Kinder unter den Folgen elterlichen Fehlverhaltens leiden müssen, aber sie werden nicht für die Schuld der Eltern zur Rechenschaft gezogen - es sei denn, sie hätten auch deren Sünden begangen. Gewöhnlich treten die Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern. Durch Vererbung und das schlechte Vorbild machen sie sich der gleichen Sünden schuldig wie ihre Eltern. Verkehrte Neigungen, unbeherrschte Triebe und ein vermindertes sittliches Empfinden werden ebenso wie körperliche Krankheiten und die allgemeine Entartung als Vermächtnis von den Eltern auf die Kinder bis in die dritte und vierte Generation vererbt. Diese schreckliche Wahrheit sollte einen ernsten Einfluss auf die Menschen ausüben und sie davon abhalten, einen sündigen Lebenswandel zu führen. WAB 283.6
»... der aber Gnade erweist an Tausenden von Generationen von denen, die mich lieben und meine Gebote halten« (2. Mose 20,6 Elb.). WAB 283.7
Dadurch dass das zweite Gebot die Anbetung falscher Götter verbietet, schreibt es stillschweigend die Verehrung des wahren Gottes vor. Jenen, die in seinem Dienst treu sind, wird Gottes Barmherzigkeit versprochen - nicht nur bis in die dritte oder vierte Generation wie bei seinem angedrohten Zorn über die, die ihn hassen, sondern über Tausende von Generationen! WAB 283.8
»Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.« (2. Mose 20,7) WAB 284.1
Dieses Gebot untersagt nicht nur Meineide und das übliche Schwören bei Gott, sondern verbietet uns auch, den Namen Gottes leichtfertig oder unbekümmert auszusprechen - ohne Rücksicht auf seine erhabene Bedeutung. Wir entehren seinen Namen, wenn wir Gott im Gespräch gedankenlos erwähnen, wenn wir ihn bei Nebensächlichkeiten anrufen oder seinen Namen häufig und unüberlegt wiederholen. »Heilig und hehr ist sein Name.” (Psalm 111,9) Jeder Mensch sollte über Gottes Majestät, Reinheit und Heiligkeit nachdenken, damit sein Herz von einem Gefühl für Gottes erhabenen Charakter beeindruckt wird. Sein heiliger Name sollte deshalb nur mit Ehrfurcht und Ernst ausgesprochen werden. WAB 284.2
»Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tag. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.« (2. Mose 20,8-11) WAB 284.3
Der Sabbat wird hier nicht als etwas Neues eingeführt, sondern es wird auf seine Einsetzung bei der Schöpfung verwiesen (vgl. 1. Mose 2,2.3). Er soll als ein Denkmal zur Erinnerung an das Werk des Schöpfers im Gedächtnis behalten und beachtet werden. Indem er auf Gott als den Schöpfer des Himmels und der Erde hinweist, unterscheidet er den wahren Gott von allen falschen Göttern. Wer den siebenten Tag hält, gibt sich damit als Anbeter Jahwes zu erkennen. Somit ist der Sabbat das Zeichen der Treue und Ergebenheit gegenüber Gott, solange es auf der Erde Menschen gibt, die ihm dienen. Das vierte Gebot ist von allen zehn das einzige, das sowohl den Namen als auch den Herrschaftsbereich des Gesetzgebers nennt. Und als einziges zeigt es auch an, durch wessen Vollmacht das Gesetz erlassen wurde. Dadurch enthält es Gottes Siegel, das seinem Gesetz als Beweis seiner Echtheit und bindenden Kraft aufgedrückt wurde. WAB 284.4
Gott hat den Menschen sechs Tage zur Verfügung gestellt, an denen sie ihrer Arbeit nachgehen sollen, und fordert, dass sie in dieser Zeit ihre eigene Arbeit erledigen. Handlungen, die unbedingt notwendig sind oder barmherzigen Charakter tragen, sind am Sabbat erlaubt, denn Kranke und Leidende müssen jederzeit versorgt werden. Doch Arbeiten, die später erledigt werden können, sind unbedingt zu unterlassen. »Wenn du deinen Fuß am Sabbat zurückhältst und nicht deinen Geschäften nachgehst an meinem heiligen Tag und den Sabbat ›Lust‹ nennst und den heiligen Tag des Herrn ›Geehrt‹; wenn du ihn dadurch ehrst, dass du nicht deine Gänge machst und nicht deine Geschäfte treibst ...” - aber die Vorschrift ging noch weiter - »... und kein leeres Geschwätz redest”, sagte der Prophet Jesaja, »dann wirst du deine Lust haben am Herrn” (Jesaja 58,13.14). Wer am Sabbat geschäftliche Angelegenheiten bespricht oder diesbezüglich Pläne schmiedet, führt in Gottes Augen bereits seine eigenen Geschäfte aus. Wenn wir den Sabbat heilig halten wollen, sollten wir nicht einmal unseren Gedanken gestatten, sich mit weltlichen Dingen zu beschäftigen. Und das vierte Gebot schließt alle ein, die mit uns im Haus zusammenleben. Alle Familienmitglieder sollen ihre weltlichen Arbeiten beiseitelegen und Gott an seinem heiligen Tag durch willigen Dienst ehren. WAB 284.5
»Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest in dem Land, das dir der Herr, dein Gott, geben wird« (2. Mose 20,12). WAB 285.1
Die Eltern haben das Recht, in einem Maß Liebe und Achtung zu empfangen, wie es sonst keiner anderen Person zusteht. Gott selbst hat ihnen die Verantwortung für das Leben, das er ihrer Obhut anvertraut hat, übertragen. Er hat bestimmt, dass die Eltern ihren Kindern gegenüber in deren ersten Lebensjahren Gottes Stellvertreter sein sollen. Wer die rechtmäßige Autorität seiner Eltern ablehnt, verwirft gleichzeitig die Autorität Gottes. WAB 285.2
Das fünfte Gebot verlangt von den Kindern nicht nur, dass sie ihren Eltern respektvoll begegnen, sich ihnen unterordnen und ihnen gehorsam sind, sondern auch, sie zu lieben und wertzuschätzen, ihre Obsorge zu erleichtern, ihren guten Ruf zu schützen, ihnen im Alter Beistand zu leisten und ihr Leben angenehm zu gestalten. Das Gebot verlangt außerdem die Achtung vor Geistlichen, vor Regierenden und vor allen anderen, denen Gott Autorität verliehen hat. WAB 285.3
»Das ist das erste Gebot, das eine Verheißung hat«, schrieb der Apostel Paulus (Epheser 6,2). Für das Volk Israel, das erwartete, bald ins Land Kanaan einzuziehen, enthielt das Gebot das Versprechen, dass die Gehorsamen ein langes Leben in dem guten Land führen können. Aber seine Bedeutung ist noch umfassender, denn es schließt das ganze Israel Gottes ein und verspricht ein ewiges Leben auf der Erde, nachdem diese vom Fluch der Sünde befreit worden ist. WAB 285.4
»Du sollst nicht töten.« (2. Mose 20,13) WAB 286.1
Zur Übertretung dieses Gebotes zählen auch alle Unrechtstaten, die dazu beitragen, das Leben zu verkürzen, ferner Hass- und Rachegedanken und das Frönen irgendeiner Leidenschaft, die zu schädlichen Handlungen gegenüber anderen Menschen führt. Auch alles, was uns veranlasst, ihnen Böses zu wünschen, ist damit gemeint, denn »wer seinen Bruder hasst, der ist ein Totschläger” (1. Johannes 3,15). Auch sich aus selbstsüchtigen Beweggründen nicht um Arme und Kranke zu kümmern, jegliche Art Genusssucht, unnötige Entbehrungen oder übermäßige Arbeit, die unserer Gesundheit schaden - das alles verstößt in größerem oder geringerem Maß gegen das sechste Gebot. WAB 286.2
»Du sollst nicht ehebrechen.” (2. Mose 20,14) WAB 286.3
Dieses Gebot verbietet nicht nur außereheliche sexuelle Handlungen, sondern auch lüsterne Vorstellungen und Begierden und alles, was dazu beiträgt, sie zu erregen. Gott fordert nicht nur die äußerliche Reinheit, sondern auch die der geheimen Absichten und Gefühle. Jesus, der in der Bergpredigt die weitreichenden Verpflichtungen des Gesetzes Gottes lehrte, bezeichnete lüsterne Gedanken oder Blicke genauso als Sünde wie die unerlaubte Tat (vgl. Matthäus 5,27.28). WAB 286.4
»Du sollst nicht stehlen.« (2. Mose 20,15) WAB 286.5
Dieses Verbot umfasst offene und verborgene Sünden. Das achte Gebot verurteilt Menschenraub und Sklavenhandel und verbietet Eroberungskriege. Es missbilligt Diebstahl und Raub und fordert strenge Redlichkeit selbst in den kleinsten Dingen des Lebens. Es verbietet das Übervorteilen im Geschäftsleben und verlangt, dass offene Schulden beglichen und gerechte Arbeitslöhne gezahlt werden. Es besagt, dass es in den Büchern des Himmels als Betrug verzeichnet wird, wenn man versucht, aus der Unwissenheit, der Schwäche oder dem Unglück eines anderen seine Vorteile zu ziehen. WAB 286.6
»Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.” (2. Mose 20,16) WAB 286.7
Damit ist jede unwahre Aussage in irgendeiner Sache gemeint sowie jeder Versuch oder die Absicht, unseren Nächsten zu täuschen. Die Absicht zu täuschen ist das Wesen der Unwahrheit. Man kann mit einem Blick, mit einer Handbewegung oder durch das Mienenspiel Unwahrheiten genauso zum Ausdruck bringen wie mit Worten. Jede bewusste Übertreibung oder Anspielung, die darauf abzielt, einen falschen oder überspitzten Eindruck zu erwecken, und auch die Darstellung von Tatsachen in einer Weise, die jemanden irreführt, sind Lügen. Dieses Gebot verbietet jeden Versuch, den Ruf unseres Nächsten durch Entstellungen, üble Nachrede oder boshafte Vermutungen zu beschädigen. Selbst das vorsätzliche Vertuschen der Wahrheit, woraus anderen Schaden erwachsen kann, ist Übertretung des neunten Gebots. WAB 286.8
»Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat.« (2. Mose 20,17) WAB 287.1
Das zehnte Gebot zielt direkt auf die Wurzel aller Sünden. Es verbietet das egoistische Verlangen, aus dem die sündige Tat entspringt. Wer im Gehorsam gegenüber Gottes Gesetz schon das sündige Verlangen nach Dingen, die anderen gehören, unterlässt, wird auch nicht durch eine Unrechtstat an seinen Mitmenschen schuldig. WAB 287.2
So lauteten die heiligen Zehn Gebote. Der große Gesetzgeber hatte sie unter Blitz und Donner gesprochen und dabei in eindrucksvoller Weise seine Macht und Majestät offenbart. Gott entfaltete bei der Verkündigung seines Gesetzes viele Beweise seiner Macht und Herrlichkeit, damit sein Volk dieses Ereignis stets in Erinnerung behält. Tief davon beeindruckt, sollten sie den Urheber dieses Gesetzes, den Schöpfer des Himmels und der Erde, ehrfürchtig verehren. Er wollte damit auch alle Menschen wissen lassen, dass sein Gesetz heilig, wichtig und ewig gültig ist. WAB 287.3