Die Geschichte des Volkes Gottes während der finsteren Zeit der päpstlichen Vorherrschaft ist im Himmel aufgezeichnet, in irdischen Akten hingegen fanden sie nur wenig Platz. Nur in Anklageschriften ihrer Verfolger sind spärliche Hinweise zu finden. Es war die Politik Roms, jede Spur von Abweichungen gegenüber seinen Lehren und Verordnungen zu vernichten. Alles Ketzerische, gleichgültig, ob es sich um Menschen oder Schriften handelte, versuchte man auszurotten. Äußerungen von Zweifel oder Fragen über die Autorität der päpstlichen Lehren genügten, dass Arme wie Reiche, Hohe wie Niedrige ihr Leben verloren. Rom versuchte auch, jeden Bericht über seine Grausamkeiten an Abweichlern zu vernichten. Auf päpstlichen Konzilien wurde beschlossen, dass Bücher und Schriften mit solchen Inhalten verbrannt werden mussten. Vor der Erfindung der Buchdruckerkunst existierten nur wenige Bücher, die zudem nicht sehr dauerhaft waren. Es gab also nur wenig, um Rom von der Ausführung seiner Absichten abzuhalten. VSL 59.2
Keine Gemeinde innerhalb des römischen Herrschaftsbereiches blieb lange unbehelligt oder erfreute sich ungestörter Gewissensfreiheit. Sobald das Papsttum Macht erlangte, streckte es seine Arme aus, um alles zu vernichten, was seine Oberherrschaft nicht anerkannte. Eine Kirche nach der anderen unterwarf sich seiner Befehlsgewalt. VSL 59.3
In Großbritannien15Siehe Glossar »Britannien, das Christentum im alten B.«, S. 656. hatte der ursprüngliche christliche Glaube schon früh Fuß gefasst. Das Evangelium, das die Briten in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung angenommen hatten, war anfänglich frei von römischem Abfall. Die Verfolgung durch heidnische Kaiser, die sich bis zu diesen entfernten Küsten ausdehnte, war die einzige »Gabe«, die Rom diesen Urgemeinden überbrachte. Viele Christen, die vor der Verfolgung in England fliehen mussten, fanden in Schottland eine Zuflucht. Von dort wurde die Wahrheit nach Irland gebracht. In diesen Ländern nahm man sie mit Freuden auf. VSL 60.1
Als die Angelsachsen Britannien eroberten, gewann das Heidentum die Kontrolle zurück. Die Eroberer lehnten es ab, durch ihre Sklaven unterrichtet zu werden, und die Christen waren gezwungen, sich in Berge und wilde Moore zurückzuziehen. Das Licht wurde zwar eine Zeitlang verborgen, es brannte aber weiter. Ein Jahrhundert später schien es in Schottland mit einer Helligkeit, die bis in weit entfernte Länder reichte. Aus Irland kam der gläubige Kolumban mit seinen Mitarbeitern. Sie führten die verstreuten Christen auf der einsamen Insel Iona zusammen, die das Zentrum ihrer missionarischen Arbeit wurde. Unter diesen Evangelisten gab es einen, der den biblischen Sabbat hielt. So wurde auch diese Wahrheit unter dem Volk verbreitet. Auf Iona wurde eine Schule gegründet, die Missionare aussandte, nicht nur nach Schottland und England, sondern auch nach Deutschland, in die Schweiz und sogar bis nach Italien. VSL 60.2
Aber Rom hatte seine Augen auf Britannien gerichtet und war entschlossen, es unter seine Vorherrschaft zu bringen. Im 6. Jahrhundert begannen römische Missionare mit der Bekehrung der heidnischen Angelsachsen. Diese wurden von den stolzen Barbaren freundlich aufgenommen und führten Tausende zum römischen Glauben. Beim Fortschritt ihres Werkes trafen die päpstlichen Führer mit ihren Neubekehrten auf Gläubige, die ein anderes ganz ursprüngliches Christentum lebten. Dabei zeigte sich ein augenfälliger Gegensatz. Diese waren einfache und demütige Menschen, die in Charakter, Lehre und Verhalten nach der Bibel lebten. Die anderen hingegen hatten den Aberglauben, den Pomp und die Arroganz Roms übernommen. Der römische Gesandte verlangte nun, dass auch diese Christen die Vormachtstellung des fürstlichen Pontifex anerkannten. Die Briten antworteten freundlich, dass sie zwar allen Menschen in Nächstenliebe begegnen wollten, dass der Papst aber nicht das Recht habe, die kirchliche Oberhoheit zu beanspruchen. Deshalb könnten sie ihm nur jene Ehre erweisen, die auch jedem anderen Nachfolger Jesu zusteht. Wiederholt wurde versucht, ihre Ergebenheit gegenüber Rom zu gewinnen, doch diese bescheidenen Christen waren ob dem Stolz der römischen Boten erstaunt und antworteten standhaft, dass sie keinen anderen Herrn als Christus kennen. Nun offenbarte sich der wahre Geist des Papsttums. Der Vertreter Roms erklärte: »Wenn ihr die Brüder nicht aufnehmt, die euch Frieden bringen, so sollt ihr Feinde bekommen, die euch den Krieg bringen. Wenn ihr euch nicht mit uns vereint, um den Angelsachsen den Weg des Lebens zu bringen, so sollt ihr von ihrer Hand den Todesstreich empfangen.« (BHE, II, 2, 4; vgl. NGR, III, 9) Das waren keine leeren Drohungen. Krieg, Intrigen und Betrügereien wurden gegen diese Zeugen des biblischen Glaubens angewandt, bis die Kirchen Britanniens zerstört waren oder gezwungen wurden, sich der Herrschaft des Papstes zu unterstellen. VSL 60.3
In den Ländern, die sich außerhalb der Gerichtsbarkeit Roms befanden, gab es viele Jahrhunderte christliche Gruppen, die von den päpstlichen Irrlehren fast unberührt blieben. Sie waren zwar von Heiden umgeben und wurden im Laufe der Zeit durch deren Irrtümer beeinflusst, doch sie betrachteten weiterhin die Bibel als die einzige Richtschnur ihres Glaubens und hielten an vielen Wahrheiten fest. Diese Christen glaubten an die dauerhafte Gültigkeit des Gesetzes Gottes und hielten den Sabbat des vierten Gebots. Solche Gemeinden, die an diesem Glauben festhielten, gab es in Afrika und unter den Armeniern in Kleinasien. VSL 61.1