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Das Fest Des Herodes SDL 204

Herodes hielt Johannes für einen Propheten Gottes und war fest entschlossen, ihn freizulassen. Doch aus Furcht vor Herodias schob er die Freilassung hinaus. SDL 204.3

Herodias wusste, dass sie durch eine unmittelbare Einflussnahme ihren Mann niemals dazu bewegen konnte, einer Hinrichtung von Johannes zuzustimmen. Darum beschloss sie, ihr Ziel durch eine List zu erreichen. Am Geburtstag des Königs sollte für die Würdenträger des Staates und die Hofbeamten ein Fest veranstaltet werden. Man würde feiern und sich dabei betrinken. Dadurch würde Herodes unachtsam werden und könnte durch ihren Willen beeinflusst werden. SDL 204.4

Als der große Tag kam und der König mit seinen Würdenträgern aß und trank, sandte Herodias ihre Tochter in den Festsaal, um zur Unterhaltung der Gäste zu tanzen. Salome war gerade daran, erwachsen zu werden. Ihre verlockende Schönheit fesselte die Sinne der vornehmen Herrschaften. Es war nicht üblich, dass die Damen des Hofes an solchen Festlichkeiten teilnahmen. Als nun diese Tochter aus priesterlichem und königlichem Geblüt zum Vergnügen der Gäste tanzte, machten sie Herodes schmeichelhafte Komplimente. SDL 205.1

Der König war vom Wein benebelt. Die Leidenschaft beherrschte ihn, und die Vernunft war ausgeschaltet. Er sah nur den Festsaal mit den schwelgenden Gästen, die reich gedeckte Tafel, den funkelnden Wein, die blinkenden Lichter und das junge Mädchen, das vor ihm ihre Künste vortrug. In einem leichtsinnigen Moment wollte er mit einer Attraktion aufwarten, mit der er vor den Großen seines Reiches glänzen konnte. Mit einem Schwur gelobte er, Herodias Tochter zu geben, was immer sie von ihm erbitten würde, und sei es die Hälfte seines Königreichs (vgl. Markus 6,21-23). SDL 205.2

Salome eilte zu ihrer Mutter, um zu erkunden, was sie sich wünschen sollte. Die Antwort kam schnell: den Kopf von Johannes dem Täufer. Salome wusste nichts vom Rachedurst ihrer Mutter und schrak davor zurück, diese Bitte vorzutragen. Doch die Entschiedenheit von Herodias siegte. Das Mädchen kehrte mit der grausamen Bitte in den Saal zurück: »Ich will den Kopf von Johannes dem Täufer, jetzt gleich, serviert auf einer Schale!« (Markus 6,25 NLB) SDL 205.3

Herodes war überrascht, ja bestürzt. Die ausgelassene Fröhlichkeit wich, und unheilvolles Schweigen breitete sich über dem Gelage aus. Entsetzen packte den König bei dem Gedanken, Johannes zu töten. Aber sein Wort war ein Gelübde, und er wollte nicht wankelmütig oder unüberlegt wirken. Den Schwur hatte er zu Ehren seiner Gäste gemacht. Wenn auch nur einer von ihnen ein Wort gegen die Einlösung seines Versprechens gesagt hätte, wäre er gern bereit gewesen, den Propheten zu verschonen. Darum gab er ihnen Gelegenheit, zugunsten des Gefangenen zu sprechen. Sie waren von weit her gekommen, um Johannes predigen zu hören, und sie wussten, dass er kein Verbrechen begangen hatte und ein Diener Gottes war. Obgleich über die Bitte des Mädchens entsetzt, waren sie doch zu betrunken, um Einspruch zu erheben. Es war keine Stimme zu vernehmen, die zur Rettung des von Gott beauftragten Boten aufgerufen hätte. Die Männer bekleideten Vertrauenspositionen in der Nation. Auf ihnen ruhte große Verantwortung. Dennoch hatten sie gefeiert und getrunken, bis ihre Sinne getrübt waren. Durch die Musik und den Tanz war ihnen schwindlig geworden. Ihr Gewissen war stumpf. Durch ihr Schweigen sprachen sie das Todesurteil über den Propheten Gottes aus und stillten den Rachedurst einer lasterhaften Frau. SDL 205.4

Herodes wartete vergeblich darauf, von seinem Eid entbunden zu werden. Dann erteilte er widerwillig den Befehl zur Hinrichtung des Propheten. Bald wurde der Kopf des Johannes vor den König und seine Gäste gebracht. Die Lippen, die Herodes eindringlich dazu aufgerufen hatten, sich von seinem sündhaften Leben abzuwenden, waren für immer verstummt. Nie wieder würde man hören, wie diese Stimme Menschen zur Umkehr aufruft. Das Gelage einer einzigen Nacht hatte einem der größten Propheten das Leben gekostet. SDL 206.1