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Anm 012: Die Messe — (Seite 59) GK 693

“Das heilige Meßopfer ist im katholischen Gottesdienst die Feier der Kreuzopfers Christi. — Der Name Messe (von missa, der spätlat. Form von missio = Sendung, Entlassung) bezeichnet die liturgische Gesamthandlung von ihrem Schluß, der feierlichen Entlassung und Segnung her und besagt damit, daß das Meßopfer die wesentliche Mitte ist, aus der heraus das menschliche Leben gesegnet und geheiligt werden soll. GK 693.2

Das Wesen der Messe beruht darin, daß sie als Vergegenwärtigung des Kreuzopfers Christi (des Opfers des Neuen Bundes) weder nur dessen Erinnerung noch seine wiederholte Nachahmung oder Ergänzung ist (was der Vollgültigkeit und Einzigkeit des Kreuzopfers widerspräche). Vielmehr ist die Messe mit dem Kreuzopfer ihrem Wesen nach identisch und weist den gleichen Hohenpriester, die gleiche Opfergabe auf: Christus. Nur die Weise der sakramentalen Aufopferung in der Messe ist verschieden von der historischen am Kreuz; dort geschah sie blutig, in der Messe geschieht sie unblutig in der Gestalt von Brot und Wein ... So ist die Messe im katholischen Glaubensverständnis die Mitte des Lebens, die wirklichste Gottbegegnung und damit der sichtbarste Einbruch der Gnade in das Dasein des Menschen.” (Der Große Herder, Bd. VI, Sp. 451ff.) GK 693.3

Walther von Loewenich schreibt in Der moderne Katholizismus 28ff.: “Luther hatte die Messe als ein Werk des Menschen verworfen. In der Messe bringt die Kirche Leib und Blut Christi als ihr Opfer dar. Damit ist die Einmaligkeit und Einzigkeit des Opfers Christi zunichte gemacht. Die Messe ist darum für Luther ein greulicher Götzendienst und eine vermaledeite Abgötterei. Hier erreicht für ihn die falsche Werkfrömmigkeit ihren furchtbaren Höhepunkt. Darum richtet sich sein ganzer Groll gegen diese Feier. Luthers Polemik wird vom heutigen Katholizismus als ein verhängnisvolles Mißverständnis bezeichnet. Man verweist dafür auf cap. 2 der 22. Sitzung des Tridentinums. Dort heißt es: ‘Es ist ein und dasselbe Opfer, das derselbe jetzt durch den Dienst der Priester darbringt, der sich selbst damals am Kreuze dargebracht hat, wobei nur die Art der Darbringung verschieden ist.’ GK 693.4

Nicht die Kirche, sondern Christus selbst ist also in der Messe das Subjekt des Opferns. Die Messe ist zwar ein wahres und eigentliches Opfer, aber es ist wesentlich identisch mit dem Opfer Christi am Kreuz. Die wesentliche Identität wird erläutert durch den Gedanken der Repräsentation. Christus hat sich selbst beim ersten Abendmahl geopfert und dieses Opfer zur Wiederholung eingesetzt, um so ein Opfer zu hinterlassen, durch das jenes einmalige blutige am Kreuz dargestellt würde und so sein Gedächtnis bis ans Ende der Welt dauern sollte. Aber das Meßopfer ist nicht eine bloße Abbildung oder Erinnerung an das Kreuzopfer, sondern es vollzieht sich ein wirkliches Opfer auf dem Altar. Die Theologen reden so zwar von einer ‘Wiederholung’ des Kreuzopfers auf dem Altar: dadurch soll aber die Identität des Meßopfers mit dem Kreuzesopfer nicht angetastet werden. Wird nun Christus selbst als Subjekt des Opfers auf dem Altar verstanden, so läßt sich offenbar Luthers Vorwurf gegen das ‘Menschenwerk’ nicht aufrechterhalten. Es ist in der Gegenwart wichtig, daß wir uns über diesen Punkt Klarheit verschaffen. Diese Klarheit läßt sich aber nicht leicht gewinnen, da hier auf der katholischen Seite selbst nicht alles klar zu sein scheint. GK 694.1

Zunächst kann man Luther nicht zum Vorwurf machen, daß er die Identität zwischen Kreuzesopfer und Meßopfer nicht beachtet hat; denn die Formulierung des Tridentinums ist erst nach seinem Tode erfolgt. Sie findet sich aber in keiner früheren offiziellen Lehrentscheidung klar ausgesprochen. Im Canon missae, also in der kirchlichen Liturgie, an die sich Luther in erster Linie halten mußte, ist sie keineswegs klar zum Ausdruck gebracht. Im Gegenteil, alle einschlägigen Stellen dort sprechen unumwunden von einem Opfer der Kirche und des Priesters. Mehrfach wird darum gebeten, Gott möge diese ‘heiligen, makellosen Opfergaben’ gnädig annehmen. Diese Bitte wird bei einem Selbstopfer Christi schwer begreiflich. Die Opfergabe wird als eine solche bezeichnet, ‘die wir, deine Diener und deine ganze Gemeinde, darbringen’. Der Priester bittet, Gott möge unser Opfer ebenso gnädig annehmen, wie einst die Opfer Abels, Abrahams und Melchisedeks. Auch diese Bitte setzt doch wohl voraus, daß die Kirche bzw. der Priester Subjekt des Opferns ist ... Aus dem Canon missae konnte also Luther kein zwingendes Argument gegen seine Auffassung von der Messe als Opfer der Kirche gewinnen. Offenbar stand Luther mit seiner Auffassung nicht allein. Es gab im Mittelalter Stimmen, welche die Macht des Priesters über die Christi stellten; denn Christus habe sich nur einmal geopfert, der Priester aber tue dies täglich. Eine ähnliche Auffassung begegnet uns noch in dem Hirtenbrief des Erzbischofs Johannes Katschthaler von Salzburg vom 2. Februar 1905. Hier heißt es unter anderem: ‘Einmal hat Maria das göttliche Kind zur Welt gebracht. Und sehet, der Priester tut dies nicht einmal, sondern hundert- und tausendmal, so oft er zelebriert. Machen sie (die Priester) den Leib, das Blut des Herrn nur gegenwärtig? Nein. Sondern sie opfern, sie bringen dem himmlischen Vater das Opfer dar. Es ist dasselbe, was Christus blutigerweise auf Kalvaria und unblutigerweise beim letzten Abendmahl getan hat. Hier in der heiligen Messe tut Er dasselbe durch seine Stellvertreter, die katholischen Priester. Die Priester hat er an seine Stelle gesetzt, damit sie dasselbe Opfer, das Er dargebracht, fortsetzen. Ihnen hat Er das Recht über seine heilige Menschheit übertragen, ihnen gleichsam Gewalt über seinen Leib gegeben. Der katholische Priester kann ihn nicht bloß auf dem Altar gegenwärtig machen, ihn im Tabernakel verschließen, ihn wieder nehmen und den Gläubigen zum Genusse reichen, er kann sogar Ihn, den menschgewordenen Gottessohn. für Lebendige und Tote als unblutiges Opfer darbringen. Christus, der eingeborene Sohn Gottes des Vaters, durch den Himmel und Erde geschaffen sind, der das ganze Weltall trägt, ist dem katholischen Priester hierin zu Willen.’” GK 694.2

In dem Lehrschreiben der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz von 1967 wird eine gewisse Modifizierung erkennbar: “Das Abendmahlshandeln Christi ist also von dem Kreuzestod nicht ablösbar; es enthält diesen und stellt ihn sakramental dar. Darum hat die heilige Messe auch Opfercharakter in dem vollen Sinn des Kreuzesopfers, welches sakramental, im Zeichen und geheimnisvoll, dargestellt und gegenwärtig wird. Der wahre und spezifische Opfercharakter der heiligen Messe darf nicht unterschlagen werden. GK 695.1

Die rechte Teilnahme am heiligen Opfer, welches die Kirche mit Christus darbringt und in welchem sie selbst dargebracht wird, ist die Vereinigung mit der Hingabe Christi an den himmlischen Vater. Sie erfordert daher, daß wir uns mit Christus in hochherziger Selbsthingabe ganz der göttlichen Majestät zu eigen geben.” GK 695.2

Aber auch bei dieser Formulierung muß man fragen, ob hier nicht Wort Gottes und Antwort des Menschen in unzulässiger Weise verwechselt werden. Nicht nur wird die Sündenvergebung in falscher Weise mit der menschlichen Hingabe an Gott verbunden, auch Christus wird hier mit der Kirche identifiziert. GK 695.3

Quellen: Über die Lehre von der heiligen Messe, wie sie auf dem Konzil zu Trient festgesetzt wurde, siehe: GK 695.4

Aus protestantischer Sicht: Philipp Schaff, Creeds of Christendom, Bd. II, 126-139, Art. Canons and Decrees of the Council of Trent, engl. und lat. Text; John Calvin. Institutes of the Christian Religion, 4. Buch, Kapitel 17 und 18; Edward B. Pusey, The Doctrine of the Real Presence, Oxford, 1855; K.R. Hagenbach, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. I, 214-223.393-398; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. III, 1929, Sp. 2135-2140; Th. Sartory, Die Eucharistie im Verständnis der Konfessionen, Recklinghausen, 1961. GK 695.5