Bei den Juden galt körperliche Arbeit nicht als außergewöhnlich oder gar entwürdigend. Durch Mose waren die Hebräer unterwiesen worden, ihre Kinder zum Fleiß zu erziehen, und es galt als Sünde, die Jugend aufwachsen zu lassen, ohne dass sie körperliche Arbeit kennen lernte. Selbst wenn ein Kind zu einem geistlichen Amt herangebildet werden sollte, betrachtete man die Kenntnis des praktischen Lebens als unerlässlich. Jeder junge Mann, waren nun seine Eltern reich oder arm, wurde in irgendeinem Handwerk ausgebildet. Eltern, die diesbezüglich ihre Pflicht versäumten, betrachtete man als Menschen, die von den Weisungen des Herrn abwichen. In Übereinstimmung mit diesem Brauch hatte Paulus frühzeitig das Handwerk eines Zeltmachers erlernt. GNA 206.2
Bevor Paulus ein Jünger Christi wurde, hatte er eine hohe Stellung inne und war für seinen Lebensunterhalt nicht auf körperliche Arbeit angewiesen. Später jedoch, als er all seine Mittel für die Förderung der Sache Christi aufgebraucht hatte, übte er zeitweise seinen Beruf wieder aus, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dies tat er besonders dort, wo seine Beweggründe hätten missverstanden werden können. GNA 206.3
Erstmals lesen wir im Zusammenhang mit seinem Aufenthalt in Thessalonich, dass Paulus, während er dort das Evangelium verkündete, seinen Lebensunterhalt mit seinen eigenen Händen verdiente. GNA 207.1
In seinem ersten Brief an die dortige Gemeinde erinnerte er die Gläubigen daran, dass er sein “Gewicht als Christi Apostel” hätte einsetzen können, und fügte hinzu: “Ihr erinnert euch doch, liebe Brüder, an unsre Arbeit und unsre Mühe; Tag und Nacht arbeiteten wir, um niemandem unter euch zur Last zu fallen, und predigten unter euch das Evangelium Gottes.” (1.Thessalonicher 2,7.9). In seinem zweiten Schreiben an sie erklärte er, dass sowohl seine Mitarbeiter wie auch er, als sie bei ihnen lebten, “nicht umsonst Brot von jemandem genommen” hätten. “Mit Mühe und Plage haben wir Tag und Nacht gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu fallen. Nicht, dass wir dazu nicht das Recht hätten, sondern wir wollten uns selbst euch zum Vorbild geben, damit ihr uns nachfolgt.” (2.Thessalonicher 3,8.9). GNA 207.2
In Thessalonich war er Leuten begegnet, die sich weigerten, mit ihren Händen zu arbeiten. Von ihnen schrieb er später: “Wir hören, dass einige unter euch unordentlich leben und nichts arbeiten, sondern unnütze Dinge treiben. Solchen aber gebieten wir und ermahnen sie in dem Herrn Jesus Christus, dass sie still ihrer Arbeit nachgehen und ihr eigenes Brot essen.” (2.Thessalonicher 3, 11.12). Während seines Aufenthalts in Thessalonich bemühte sich Paulus sorgfältig darum, solchen Leuten ein gutes Beispiel zu geben. “Denn schon als wir bei euch waren”, schrieb er, “geboten wir euch: Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.” (2.Thessalonicher 3, 10). GNA 207.3
Zu allen Zeiten benutzte Satan die Strategie, die Arbeit der Diener Gottes zu beeinträchtigen, indem er versuchte, einen Geist der Schwärmerei in die Gemeinde einzuschleusen. So war es zur Zeit von Paulus und auch in späteren Jahrhunderten während der Zeit der Reformation. Wycliff, Luther und viele andere, die der Welt durch ihren Einfluss und ihren Glauben zum Segen wurden, mussten gegen Widerstände und Intrigen ankämpfen, durch die der Teufel übereifrige, unausgeglichene und ungeheiligte Gemüter zum Fanatismus zu verleiten suchte. Irregeleitete Personen lehrten, alle weltlichen Dinge seien unwichtig im Vergleich zum Streben nach wahrer Heiligkeit, und leiteten daraus ihre Rechtfertigung ab, überhaupt nicht zu arbeiten. Andere vertraten extreme Ansichten zu gewissen Bibeltexten und lehrten, Arbeit sei Sünde. Ihrer Meinung nach sollten sich Christen nicht um ihr zeitliches Wohl und um das ihrer Familien kümmern, sondern ihr Leben uneingeschränkt geistlichen Dingen widmen. Die Lehre und das Beispiel des Apostels Paulus sind eine Zurechtweisung für solch extreme Ansichten. GNA 207.4
Während seines Aufenthalts in Thessalonich war Paulus für seinen Unterhalt nicht völlig auf die Arbeit seiner Hände angewiesen. Unter Hinweis auf seine dortigen Erfahrungen schrieb er später den Gläubigen in Philippi in dankbarer Anerkennung für die materiellen Gaben, die er von ihnen erhalten hatte: GNA 207.5
“Auch nach Thessalonich habt ihr etwas gesandt für meinen Bedarf, einmal und danach noch einmal.” (Philipper 4,16). GNA 207.6
Obwohl er diese Unterstützung erhielt, wollte er den Thessalonichern ein gutes Beispiel für Fleiß geben, damit keiner Anlass fände, ihm Habsucht vorzuwerfen. Auch jene, die in Bezug auf körperliche Arbeit fanatische Ansichten vertraten, sollten durch sein praktisches Handeln zurechtgewiesen werden. GNA 207.7