Als der Dienst Jesu im Heiligen zu Ende war und er in das Allerheiligste ging und vor der Arche stand, welche das Gesetz Gottes enthielt, sandte er einen anderen mächtigen Engel mit einer dritten Botschaft zur Erde. Ein Pergament wurde in die Hand des Engels gegeben, und als er in Macht und Majestät zur Erde niederstieg, verkündigte er eine furchtbare Warnung, mit der schrecklichsten Drohung, die je an Menschen erging. Diese Botschaft war dazu bestimmt, die Kinder Gottes zu warnen, indem sie ihnen die Stunde der Versuchung und Angst zeigte, die ihnen bevorstand. Der Engel sagte: “Sie werden in einem heftigen Kampf mit dem Tier und seinem Bild gebracht werden. Ihre einzige Hoffnung auf ewiges Leben besteht darin, daß sie ausharren. Obgleich ihr Leben auf dem Spiele steht, müssen sie doch an der Wahrheit festhalten.” Der dritte Engel schloß seine Botschaft mit folgenden Worten: “Hier ist Geduld der Heiligen; hier sind, die da halten die Gebote Gottes und den Glauben Jesu!” Als er diese Worte wiederholte, wies er auf das himmlische Heiligtum hin. Die Gedanken aller, welche diese Botschaft annehmen, sind auf das Allerheiligste gerichtet, wo Jesus vor der Arche steht und seine letzte Fürsprache für alle diejenigen einlegt, für welche noch Gnade vorhanden ist, und für solche, die unwissend das Gesetz Gottes übertreten haben. Diese Versöhnung wird sowohl für die gerechten Toten als auch für die lebenden Gerechten gebracht. Es schließt alle ein, die im Vertrauen auf Christum gestorben sind, welche aber, da sie nicht das Licht über das Gesetz Gottes empfangen hatten, unwissend gesündigt haben, indem sie seine Vorschriften übertraten. EG 246.1
Nachdem Jesus die Tür in das Allerheiligste geöffnet hatte, erhielt das Volk Gottes Licht über den Sabbat, und es wurde geprüft, wie die Kinder Israel vor alters, um zu sehen, ob sie das Gesetz Gottes halten würden. Ich sah den dritten Engel aufwärts weisen und den enttäuschten Seelen den Weg zu dem Allerheiligsten des himmlischen Heiligtums zeigen. Wenn sie durch den Glauben in das Allerheiligste eintreten, finden sie Jesum, und aufs neue sprießen Hoffnung und Freude auf. Ich sah sie zurückblicken und die Vergangenheit, ihre Erfahrungen von der Verkündigung der Wiederkunft Jesu bis zu dem Verstreichen der Zeit im Jahre 1844 wiederholen. Sie sehen ihre Enttäuschung erklärt, und Freude und Sicherheit beseelen sie wieder. Der dritte Engel hat die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft erleuchtet, und sie wissen, daß Gott sie in der Tat durch seine wunderbare Vorsehung geleitet hat. Es wurde mir gezeigt, daß die “Übrigen” Jesu in das Allerheiligste nachfolgten, die Arche und den Gnadenstuhl sahen und von ihrer Herrlichkeit gefesselt wurden. Jesus hob dann den Deckel der Arche auf, und siehe da! Da waren die Steintafeln, mit den Zehn Geboten darauf geschrieben. Sie überblicken die lebendigen, göttlichen Aussprüche, fahren aber mit Zittern zurück, wenn sie das vierte Gebot unter den zehn heiligen Vorschriften von einem Kranz der Herrlichkeit umgeben und mit hellerem Lichte als die übrigen neun übergossen sehen. Sie finden dort nichts, was sie belehrt, daß der Sabbat abgeschafft oder in den ersten Tag der Woche verändert ist. Die Gebote lauten noch ebenso, wie sie von der Stimme Gottes in feierlicher und schrecklicher Majestät auf dem Berge gesprochen wurden, während die Blitze zuckten und der Donner rollte. Es ist noch dasselbe, wie es mit seinem eigenen Finger auf die Steintafeln geschrieben wurde: “Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Dinge beschicken; aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes.” Sie sind erstaunt, wenn sie die Sorgfalt sehen, mit der die Zehn Gebote behandelt werden. Sie sehen sie in der Nähe Jehovas niedergelegt, überschattet und beschützt von seiner Heiligkeit. Sie sehen, daß sie das vierte der Zehn Gebote mit Füßen getreten und einen Tag beobachtet haben, der durch die Heiden und Papisten eingeführt ist, statt des von Jehova geheiligten Tages. Sie demütigen sich vor Gott und beklagen ihre begangenen Übertretungen. EG 246.2
Ich sah das Räucherwerk in dem Rauchfaß rauchen, als Jesus ihre Bekenntnisse und Gebete seinem Vater darbrachte. Als der Rauch aufstieg, ruhte ein helles Licht auf Jesum und auf dem Gnadenstuhl; die ernsten, betenden Seelen, die betrübt waren, weil sie entdeckt hatten, daß sie Übertreter von Gottes Gesetz waren, wurden gesegnet, und ihre Angesichter leuchteten in Hoffnung und Freude auf. Sie nahmen an dem Werk des dritten Engels teil und erhoben ihre Stimmen, um die feierliche Warnung zu verkündigen. Zuerst nahmen nur wenige sie an, aber sie fuhren mutig fort, die Botschaft zu verkündigen. Dann sah ich, daß viele die Botschaft des dritten Engels annahmen und ihre Stimmen mit denjenigen vereinten, die zuerst die Warnung gegeben hatten. Sie ehrten Gott, indem sie seinen heiligen Ruhetag beobachteten. EG 248.1
Viele, welche die dritte Botschaft annahmen, hatten keine Erfahrung in den zwei früheren Botschaften gemacht. Satan wußte dies, und sein böses Auge war darauf gerichtet, sie zu stürzen. Aber der dritte Engel verwies sie auf das Allerheiligste, und diejenigen, welche eine Erfahrung in den vergangenen Botschaften hatten, wiesen ihnen den Weg nach dem himmlischen Heiligtum. Viele sahen die vollkommene Kette der Wahrheit in den Engelsbotschaften, nahmen sie freudig in ihre Reihenfolge an und folgten Jesu im Glauben in das himmlische Heiligtum. Diese Botschaften wurden mir als ein Anker für Gottes Volk dargestellt. Diejenigen, welche sie verstehen und annehmen, werden nicht von den vielen Verführungen Satans hinweggerissen werden. EG 248.2
Nach der großen Enttäuschung von 1844 waren Satan und seine Engel eifrig bemüht, Schlingen zu legen, um den Glauben der Gemeinschaft wankend zu machen. Sie beeinflußten die Gemüter von Personen, die eine Erfahrung in den Botschaften und einen Schein der Demut hatten. Manche verwiesen für die Erfüllung der ersten und zweiten Botschaft auf die Zukunft, während andere weit in die Vergangenheit zurück verwiesen und erklärten, daß sie schon dort erfüllt worden seien. Diese gewannen einen Einfluß auf die Gemüter der Unerfahrenen und brachten ihren Glauben ins Wanken. Manche durchforschten die Bibel, um einen Glauben für sich selbst aufzurichten, unabhängig von der Gemeinde. Satan frohlockte über all dies, denn er wußte, daß solche, die den Anker losließen, durch verschiedene Irrtümer beeinflußt würden und er sie mit allerlei Wind der Lehre umtreiben könne. Viele, die in der ersten und zweiten Botschaft eine leitende Stellung eingenommen hatten, verleugneten sie nun, und es entstand eine Spaltung und Verwirrung durch die ganze Gemeinschaft. EG 248.3
Meine Aufmerksamkeit wurde dann auf Wilhelm Miller gelenkt. Er blickte verwirrt drein und war von Besorgnis und Schmerz für sein Volk niedergebeugt. Die Schar, welche 1844 in Liebe vereinigt war, verlor ihre Liebe. Sie widersetzten sich einander und fielen in einen kalten, rückfälligen Zustand. Als er dies sah, zehrte der Kummer seine Kraft auf. Ich sah, daß leitende Männer ihm beobachteten, welche fürchteten, daß er die dritte Engelsbotschaft und die Gebote Gottes annehmen könnte. Und als er sich dem Licht vom Himmel zuneigen wollte, legten diese Männer verschiedene Pläne, um seine Gedanken davon abzuwenden. Menschlicher Einfluß wurde ausgeübt, um ihn in Finsternis zu halten und seinen Einfluß denjenigen zu erhalten, die der Wahrheit widerstanden. Schließlich erhob Wilhelm Miller seine Stimme gegen das Licht vom Himmel. Er fehlte darin, daß er nicht die Botschaft annahm, welche seine Enttäuschung vollständig erklärt und Licht und Herrlichkeit über die Vergangenheit ausgegossen hätte. Sie würde seine erschöpften Kräfte wieder belebt, seine Hoffnungen erleuchtet und ihn dazu geführt haben, Gott zu verherrlichen. Er stützte sich auf menschliche Weisheit statt auf göttliche; aber von schwerer Arbeit im Werke seines Meisters und vom Alter gebrochen, war er nicht so verantwortlich wie diejenigen, welche ihn von der Wahrheit abhielten. Sie sind verantwortlich, die Sünde ruht auf ihnen. EG 249.1
Wenn Wilhelm Miller das Licht der dritten Botschaft gesehen hätte, so würden viele Dinge, die ihm dunkel und geheimnisvoll schienen, klargeworden sein. Aber seine Brüder bezeugten solch tiefe Liebe und solch tiefes Interesse, daß er dachte, er könne sich nicht von ihnen losreißen. Sein Herz wollte sich der Wahrheit zuneigen; aber dann schaute er auf seine Brüder, die ihr widerstanden. Konnte er sich von denjenigen trennen, welche bei der Verkündigung des Kommens Jesu Schulter an Schulter mit ihm gestanden hatten? Er dachte, daß sie ihn sicherlich nicht irre führen würden. EG 250.1
Gott duldete, daß er unter die Macht Satans, unter der Herrschaft des Todes kam und verbarg ihn im Grabe vor denjenigen, die ihn beständig von der Wahrheit abwenden wollten. Moses machte einen Fehler, als er im Begriff war, das verheißene Land zu betreten. Ich sah, daß Wilhelm Miller ebenso einen Fehler machte, als er nahe daran war, das himmlische Kanaan zu betreten, indem er seinen Einfluß gegen die Wahrheit wendete. Andere verführten ihn dazu, andere müssen Rechenschaft dafür ablegen. Aber Engel bewahren den kostbaren Staub dieses Knechtes Gottes, und er wird bei dem Schall der letzten Posaune hervorkommen. EG 250.2