Die Gabe der Weissagung offenbarte sich während des jüdischen Zeitalters in der Gemeinde. Wenn sie infolge des zerrütteten Zustandes der Gemeinde auch einige Jahrhunderte verschwunden war, so erschien sie doch gegen das Ende jenes Zeitalters wieder als Vorbote des Messias. Zacharias, der Vater Johannes des Täufers, “war des Heiligen Geistes voll und weissagte.” Simeon, ein frommer und gottesfürchtiger Mensch, der auf den Trost Israels wartete, kam auf Anregung des Geistes in den Tempel und weissagte von Jesu als “ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preise deines Volkes Israel.” Hanna, eine Prophetin, “redete von ihm zu allen, die da auf die Erlösung zu Jerusalem warteten.” Und es war kein größerer Prophet als Johannes der Täufer, welcher von Gott erwählt worden war, Israel “das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt,” bekanntzumachen. EG 122.1
Das christliche Zeitalter begann mit der Ausgießung des Geistes, und viele verschiedene geistliche Gaben wurden unter den Gläubigen offenbart. Diese waren so reichlich, daß Paulus zu der korinthischen Gemeinde sagen konnte: “In einem jeglichen erzeigen sich die Gaben des Geistes zum gemeinen Nutzen.” Einem jeglichen in der Gemeinde, nicht in der Welt, wie manche es angesehen haben. EG 122.2
Seit dem großen Abfall sind diese Gaben nur spärlich offenbart worden, und dies ist wahrscheinlich der Grund, warum bekenntliche Christen gewöhnlich glauben, daß sie auf das Zeitalter der ersten Gemeinde beschränkt seien. Aber ist es nicht eine Folge der Irrtümer und des Unglaubens der Gemeinde, daß diese Gaben aufgehört haben? Und wird nicht, wenn das Volk Gottes zu dem ursprünglichen Glauben und denselben Gewohnheiten zurückkehrt, wohin es sicherlich durch Verkündigung der Gebote Gottes und des Glaubens Jesu kommen wird, “der Spätregen” wieder diese Gaben hervorbringen? Wir sollten es erwarten. Trotz dem Abfall im jüdischen Zeitalter wurde es mit besonderen Offenbarungen des Geistes Gottes eröffnet und beschlossen. Es ist unvernünftig zu denken, daß das christliche Zeitalter, dessen Licht, mit der früheren Bundeszeit verglichen, wie das Licht der Sonne im Vergleich zu den schwachen Strahlen des Mondes ist, in Herrlichkeit beginnen und in Finsternis schließen werde. Und da ein besonderes Werk des Geistes nötig war, um ein Volk auf das erste Kommen des Herrn vorzubereiten, wieviel mehr ist dies bei dem zweiten der Fall; besonders da die letzten Tage gefährlicher sind als alle früheren und falsche Propheten Macht haben werden, große Zeichen und Wunder zu tun, auf daß so es möglich wäre, sie auch die Auserwählten verführen. Aber die Schrift sagt: “Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden. Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die; in meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben; und so sie etwas tödliches Trinken, wird’s ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird’s besser mit ihnen werden.” Markus 16,15-18. EG 122.3
Die Gaben waren nicht auf die Apostel beschränkt, sondern auf alle Gläubigen ausgedehnt. Wer kann sie haben? Wer da glaubt. Wie lange? Da ist keine Grenze; die Verheißung läuft mit dem wichtigen Auftrag, das Evangelium zu predigen, zusammen und reicht bis zu dem letzten Gläubigen. EG 123.1
Aber es wird oft eingewendet, daß diese Hilfe nur den Aposteln und denjenigen, die durch ihre Predigt gläubig wurden, verheißen war; daß sie den Auftrag ausführten, das Evangelium begründeten, und daß die Gaben mit diesem Geschlecht aufhörten. Laßt uns sehen, ob der große Auftrag mit jenem Geschlechte sein Ende fand. “Darum gehet hin und lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vater und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret sie halten, alles was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.” Matthäus 28,19.20. EG 123.2
Daß die Predigt des Evangeliums auf diesen Auftrag hin nicht mit der ersten Gemeinde ihr Ende erreicht hat, ist klar durch die Verheißung bewiesen: “Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.” Es sagt nicht, ich bin mit euch, ihr Apostel, überall, bis an der Welt Ende; sondern, ich bin bei euch a l l e Tage bis an der Welt Ende. Hiermit ist nicht das jüdische Zeitalter gemeint; denn dies hatte bereits am Kreuze sein Ende erreicht. Ich schließe deshalb daraus, daß das Predigen und der Glaube des ursprünglichen Evangeliums durch dieselbe geistliche Hilfe wieder unterstützt werden wird. Der Auftrag an die Apostel gehört dem christlichen Zeitalter an und umfaßt das ganze. Es folgt daraus, daß die Gaben nur durch den Abfall verloren gingen, und daß sie mit der Rückkehr des ursprünglichen Glaubens und der Gewohnheiten zurückkehren werden. EG 124.1
Aus 1.Korinther 12,28 ersehen wir, daß der Herr verschiedene geistliche Gaben in die Gemeinde gesetzt hat. Da wir keine Schriftstelle finden können, die uns beweist, daß er sie weggenommen oder aufgehoben habe, so müssen wir zu dem Schluß kommen, daß sie darin verbleiben sollen. Wo ist der Beweis, daß sie abgeschafft sind? In demselben Kapitel, wo der jüdische Sabbat abgeschafft und der christliche Sabbat eingesetzt ist — ein Kapitel in der Geschichte des Geheimnisses der Bosheit und des Menschen der Sünde. Aber der Gegner führt an, daß ein Beweis für das Aufhören der Gaben in folgender Bibelstelle enthalten sei: “Die Liebe höret nimmer auf, so doch die Weissagungen aufhören werden und die Sprachen aufhören werden und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unser Weissagen ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Da ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und war klug wie ein Kind und hatte kindische Anschläge; da ich aber ein Mann ward, tat ich ab, was kindisch war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich’s stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe.” 1.Korinther 13,8-13. EG 124.2
Dieser Text sagt das Aufhören geistlicher Gaben voraus, und schließt auch Glauben und Hoffnung ein. Aber w a n n werden diese aufhören? Wir blicken noch vorwärts auf die Zeit, da “die Hoffnung zum frohen Genuß, der Glauben zum Schauen, das Gebet zum Lob geworden ist.” EG 125.1
Sie werden aufhören, wenn das Vollkommene kommen wird, wenn wir nicht länger durch einen dunklen Spiegel, sondern von Angesicht zu Angesicht sehen werden. Der vollkommene Tag, wann die Gerechten vollkommen gemacht und erkennen werden, wie sie erkannt sind, ist noch in der Zukunft. Es ist wahr, daß der Mensch der Sünde, als er das Mannesalter erreicht hatte, solche “kindischen Dinge”, wie Weissagung, Zungen und Erkenntnis, auch den Glauben, die Hoffnung und die christliche Liebe der ursprünglichen Christen hinweggetan hat. Aber es ist nichts in dem Texte, was zeigte, daß Gott beabsichtige die Gaben, die er in die Gemeinde gesetzt hat, wegzunehmen, bis zur Vollendung ihres Glaubens und ihrer Hoffnung, bis die außerordentliche Herrlichkeit des unsterblichen Zustandes die glänzendsten Entfaltungen geistlicher Kraft und Erkenntnis, die jemals in diesem sterblichen Zustande offenbart wurden, in den Schatten stellen wird. EG 125.2
Die Entgegnung, die in 2.Timotheus 3,16 gefunden wird, die manche ganz ernsthaft vorgeführt haben, verdient nicht mehr als eine beiläufige Bemerkung. Wenn Paulus, indem er sagte, daß die Schrift dazu dienen solle, einen Menschen Gottes vollkommen und zu allem guten Werk geschickt zu machen, meinte, daß nichts mehr durch Eingebung geschrieben werden solle, warum fügte er denn in diesem Augenblick etwas zu den Schriften hinzu? Warum legte er schließlich nicht die Feder nieder, sobald er diesen Satz geschrieben hatte? Und warum schrieb Johannes dreißig Jahre später das Buch der Offenbarung? Dies Buch enthält einen anderen Text, welcher zum Beweis der Abschaffung der geistlichen Gaben angeführt wird: “Ich bezeuge allen, die da hören die Worte der Weissagung in diesem Buch: So jemand dazu setzt, so wird Gott zusetzen auf ihn die Plagen, die in diesem Buch geschrieben stehen. Und so jemand davon tut von den Worten des Buchs dieser Weissagung, so wird Gott abtun sein Teil vom Holz des Lebens und von der heiligen Stadt, davon in diesem Buch geschrieben ist.” Offenbarung 22,18.19. EG 125.3
Von diesem Texte sagt man, daß Gott, der vor Zeiten manchmal und auf mancherlei Weise zu den Vätern geredet hat durch die Propheten und in den Tagen des Evangeliums durch Jesum und seine Apostel, hier feierlich versprochen habe, niemals wieder den Menschen auf solche Weise etwas mitzuteilen. Daher müßten alle Weissagungen nach dieser Zeit falsch sein. Hiermit, sagt man, schlössen die eingegebenen Vorschriften. Wenn dies der Fall ist, warum schrieb Johannes sein Evangelium, als er von Patmos nach Ephesus zurückgekehrt war? Fügte er, indem er dies tat den Worten des Buches der Weissagung, daß er auf der Insel Patmos geschrieben hatte, noch etwas hinzu? Der Text beweist nur, daß sich die Warnung gegen das Hinzufügen oder Wegnehmen nicht auf die Bibel als zusammengestelltes Buch bezieht, sondern nur auf das besondere Buch der Offenbarung, wie es aus der Hand des Apostels hervorging. Doch hat kein Mensch ein Recht, irgendeinem andern Buch, das durch die Eingebung Gottes geschrieben wurde, etwas zuzufügen oder davon wegzunehmen. Fügte Johannes, indem er das Buch der Offenbarung schrieb, etwas dem Buch der Weissagungen hinzu? Durchaus nicht! Ein Prophet hat kein Recht, das Wort Gottes zu verändern. Aber die Gesichte des Johannes bestätigen diejenigen Daniels und werfen mehr Licht auf die Gegenstände, die dort vorgeführt werden. Wir kommen deshalb zu dem Schluß, daß der Herr sich nicht selbst zum Stillschweigen verpflichtet hat, sondern daß er noch Freiheit besitzt, zu reden. Möge es immer die Sprache meines Herzens sein: Rede Herr, durch wen du willst, dein Knecht hört. EG 126.1
So schlägt der Versuch, aus der Schrift das Aufhören der geistlichen Gaben zu beweisen, gänzlich fehl. Solange die Pforten der Hölle (des Grabes) noch nicht die Überhand über die Gemeinde haben, sondern Gott noch ein Volk auf Erden hat, können wir in Verbindung mit der dritten Engelsbotschaft nach der Entwicklung dieser Gaben ausschauen. Diese Botschaft wird die Gemeinde auf den apostolischen Standpunkt zurückbringen und sie in der Tat zum Licht — nicht zur Finsternis — der Welt machen. EG 127.1
Ferner werden wir vorher gewarnt, daß in den letzten Tagen falsche Propheten sein werden, und die Bibel gibt uns einen Prüfstein, wonach wir ihre Lehre prüfen können, um zwischen wahren und falschen zu unterscheiden. Der große Prüfstein ist das Gesetz Gottes, das sowohl auf die Weissagungen als auf den Charakter der Propheten angewandt werden soll. Wenn es nun in den letzten Tagen keine wahren Weissagungen geben sollte, wieviel leichter wäre es dann gewesen, diese Tatsache zu erwähnen und so alle Gelegenheit zur Täuschung abzuschneiden, als einen Prüfstein zu geben, wonach man so wohl die echten als auch die falschen prüfen soll. EG 127.2
In Jesaja 8,19.20 finden wir eine Weissagung von den Wahrsagern der gegenwärtigen Zeit, und das Gesetz wird als Prüfstein gegeben: “Nach dem Gesetz und Zeugnis! Werden sie das nicht sagen, so werden sie die Morgenröte nicht haben.” Warum heißt es: “Werden sie das nicht sagen,” wenn zur selben Zeit keine echte, geistige Offenbarung oder Weissagung da ist? Jesus sagt: “Sehet euch vor, vor den falschen Propheten ... An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.” Matthäus 7,15.16. Dies ist ein Teil der Bergpredigt, und alle können sehen, daß diese Rede eine allgemeine Anwendung auf die Gemeinde während des christlichen Zeitalters hat. Falsche Propheten sollen an ihren Früchten erkannt werden; in andern Worten, an ihrem sittlichen Charakter. Der einzige Prüfstein, an dem man erkennen kann, ob ihre Früchte gut oder schlecht sind, ist das Gesetz Gottes. Darum werden wir auf das Gesetz und Zeugnis hingewiesen. Wahre Propheten werden nicht nur in Übereinstimmung mit diesem Worte reden, sondern sie werden auch im Einklang mit ihm leben. Jemand, der so spricht und lebt, wage ich nicht zu verdammen. EG 127.3
Es ist immer eine besondere Eigenschaft der falschen Propheten gewesen, daß sie Gesichte des Friedens schauen, und daß sie gerne sagen: “Friede und Sicherheit!” während das Verderben plötzlich über sie kommt. Die wahren Propheten werden mutig die Sünde tadeln und vor dem kommenden Zorne warnen. EG 128.1
Weissagungen, welche den deutlichen und bestimmten Erklärungen des Wortes widersprechen, sollten verworfen werden. So lehrte unser Heiland seine Jünger, als er sie in Bezug auf die Art und Weise seines zweiten Kommens warnte. Als Jesus vor den Augen seiner Jünger gen Himmel fuhr, wurde von den Engeln sehr ausführlich erklärt, daß dieser Jesus in der selben Weise wiederkommen solle, wie sie ihn gesehen hatten gen Himmel fahren. Deshalb sagt Jesus zu seiner Weissagung zu den falschen Propheten der letzten Tage: “Wenn sie zu euch sagen werden: Siehe, er ist in der Wüste! so gehet nicht hinaus, — siehe, er ist in der Kammer! so glaubt nicht.” Alle wahren Weissagungen über diesen Punkt müssen sein sichtbares Kommen vom Himmel anerkennen. Warum sagt Jesus nicht: Verwerfet alle Weissagungen zu der Zeit, denn es wird dann keine wahren Propheten geben? EG 128.2
“Er hat etliche zu Aposteln gesetzt, etliche aber zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern, daß die Heiligen zugerichtet werden zum Werk des Amts, dadurch der Leib Christi erbaut werde, bis daß wir alle hinan kommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes und ein vollkommener Mann werden, der da sei im Maße des vollkommenen Alters Christi.” Epheser 4,11-13. EG 129.1
Aus einem vorhergehenden Verse lernen wir, daß Christus, nach dem er in die Höhe gefahren war, den Menschen Gaben gegeben hat. Unter diesen Gaben sind Aposteln, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer aufgezählt. Der Zweck, für den sie gegeben waren, war die Vervollkommnung der Heiligen zu einerlei Glauben und Erkenntnis. Manche, die heutiges Tags bekennen, Hirten und Lehrer zu sein, glauben, daß diese Gaben ihren Zweck vor 1800 Jahren vollkommen erfüllt und nun aufgehört hätten. Warum legen sie nun nicht ihre Titel als Hirten und Lehrer ab? Wenn das Prophetenamt durch diesen Text auf die ursprüngliche Gemeinde beschränkt war, so ist das der Evangelisten ebenfalls, so wie aller übrigen; denn es ist hier kein Unterschied gemacht. EG 129.2
Nun laßt uns einen Augenblick über diesen Punkt nachdenken. Alle diese Gaben waren zur Vervollkommnung der Heiligen in der Einheit, der Erkenntnis und dem Geiste gegeben. Unter ihrem Einfluß erfreute sich die erste Gemeinde eine Zeitlang dieser Einheit: “Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele.” Es scheint eine natürliche Folge dieser Einheit zu sein, daß die Apostel mit großer Kraft Zeugnis gaben von der Auferstehung des Herrn, und große Gnade bei ihnen alle war. Apostelgeschichte 4,31-33. Wie wünschenswert wäre jetzt ein solcher Zustand der Dinge! Aber der Abfall mit seinem entzweienden und zerstörenden Einfluß hat die Schönheit der reinen Gemeinde beschädigt und in einen Sack gehüllt. Spaltung und Unordnung waren die Folge. Es gab niemals so viel verschiedene Glaubensansichten im Christentum als heute. Wenn die Gaben nötig waren, um die Einheit der ersten Gemeinde zu bewahren, wie viel nötiger sind sie jetzt, um diese Einheit wieder herzustellen! Daß es die Absicht Gottes ist, diese Einheit der Gemeinde in den letzten Tagen wieder herzustellen, ist zur Genüge aus den Weissagungen ersichtlich. Wir werden versichert, daß die Wächter es mit Augen sehen werden, wenn der Herr Zion bekehrt, und daß in der Zeit des Endes die Verständigen es verstehen werden. Wenn dies erfüllt ist wird eine Einheit des Glaubens unter allen herrschen, die Gott zu den Verständigen zählt; denn diejenigen, die es in Wirklichkeit recht verstehen, müssen es notwendigerweise auch gleich verstehen. Was anders kann diese Einheit herbeiführen als die Gaben, die zu diesem Zwecke gegeben wurden? EG 129.3
Aus diesen Betrachtungen geht hervor, daß der vollkommene Zustand der Gemeinde, wie er hier geweissagt wird, noch zukünftig ist. Folglich haben diese Gaben noch nicht ihr Ende erreicht. Der Brief an die Epheser wurde im Jahre 64 nach Christi geschrieben, etwa zwei Jahre früher, als Paulus dem Timotheus sagte, daß er schon geopfert werde und die Zeit seines Abscheidens vorhanden sei. Der Same des Abfalls keimte zu jener Zeit in der Gemeinde, denn Paulus hatte schon zehn Jahre früher in seinem zweiten Briefe an die Thessalonicher gesagt: “Es regt sich bereits das Geheimnis der Bosheit.” Es kamen nun gräuliche Wölfe hinein, die der Herde nicht schonten. Die Gemeinde schritt deshalb nicht zu der vollkommenen Einheit weiter, die in dem Texte angeführt ist, sondern wurde durch Zwistigkeiten zerrissen und durch Spaltungen zerstreut. Der Apostel wußte dies; folglich muß er über den großen Abfall hinweggeschaut haben auf die Zeit, da die Übrigen von Gottes Volk gesammelt werden, wenn er sagte: “Bis daß wir alle hinankommen zu einerlei Glauben.” Deshalb haben die Gaben, die in die Gemeinde gesetzt sind, ihre Zeit noch nicht ausgedient. “Den Geist dämpfet nicht, die Weissagung verachtet nicht; prüfet aber alles, und das Gute behaltet.” 1.Thessalonicher 5,19-21. EG 130.1
In diesem Brief führt der Apostel den Gegenstand des zweiten Kommens des Herrn ein. Er beschreibt dann den Zustand der ungläubigen Welt zu der Zeit, indem er sagt: Sie werden sagen: “Es ist Friede; es hat keine Gefahr,” wann der Tag des Herrn über sie kommen wird und das Verderben sie plötzlich wie ein Dieb in der Nacht überfällt. Dann ermahnt er die Gemeinde angesichts dieser Dinge, zu wachen und nüchtern zu sein. Unter den folgenden Ermahnungen sind die angeführten Worte: “Den Geist dämpfet nicht” usw. Manche mögen denken, daß diese drei Briefe einen gänzlich verschiedenen Sinn haben; es besteht aber eine natürliche Verbindung in ihrer Reihenfolge. Jemand, der den Geist dämpft, wird auch die Weissagungen verachten, welche eine rechtmäßige Frucht des Geistes sind. “Ich will meinen Geist ausgießen ... und eure Söhne und Töchter sollen weissagen.” Joel 3,1. Der Ausdruck: “Prüfet aber alles”, ist auf den Gegenstand der Abhandlung, die Weissagung, beschränkt, und wir sollen die Geister mit dem Prüfstein prüfen, den Gott uns in seinem Worte gegeben hat. Unsere Zeit ist reich an geistlichen Täuschungen und falschen Weissagungen, und zweifellos findet dieser Text hier eine besondere Anwendung. Aber beachte, der Apostel sagt nicht: Verwerfet alles, sondern: Prüfet alles und das Gute behaltet. “Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Ältesten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen; auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen. Und ich will Wunderzeichen geben im Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des Herrn kommt. Und es soll geschehen, wer des Herrn Namen anrufen wird, der soll errettet werden. Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird eine Errettung sein, wie der Herr verheißen hat, auch bei den andern übrigen, die der Herr berufen wird.” Joel 3. EG 131.1
Diese Weissagung Joels, die von der Ausgießung des Heiligen Geistes in den letzten Tagen spricht, war zu Anfang des christlichen Zeitalters noch nicht erfüllt. Dies erhellt aus den Wundern am Himmel und auf Erden, die in diesem Texte angeführt sind und Vorboten des großen und schrecklichen Tages des Herrn sein sollen. Obgleich wir die Zeichen gehabt haben, ist dieser schreckliche Tag noch zukünftig. Das ganze christliche Zeitalter mag die “letzten Tage” genannt werden; aber zu sagen, daß die letzten Tage schon seit 1800 Jahren in der Vergangenheit liegen, ist einfältig. Sie reichen bis zum Tode des Herrn und der Errettung der Übrigen von Gottes Volk. “Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird eine Errettung sein, wie der Herr verheißen hat, auch bei den andern übrigen, die der Herr berufen wird.” EG 132.1
Diese Übrigen, die in den Zeichen und Wundern, die den großen und schrecklichen Tag des Herrn ankündigen sollen, die Zeichen der Zeit erkannten, sind zweifellos die Übrigen vom Samen des Weibes, von dem in Offenbarung 12,17 geschrieben wird — das letzte Geschlecht der Gemeinde auf Erden. “Und der Drache ward zornig über das Weib und ging hin, zu streiten mit den übrigen von ihrem Samen, die da Gottes Gebote halten und haben das Zeugnis Jesu Christi.” EG 132.2
Die Übrigen von dem Samen des Weibes werden die Gaben haben. Es wird ein Streit gegen sie erregt werden, weil sie Gottes Gebote halten und das Zeugnis Jesu Christi haben. Offenbarung 12,17. In Offenbarung 19,10 sagt es, daß das Zeugnis Jesu der Geist der Weissagung ist. Der Engel sagte: “Ich bin dein Mitknecht und deiner Brüder, die das Zeugnis Jesus haben.” Im 22. Kapitel wiederholt er dasselbe wie folgt: “Ich bin dein Mitknecht und deiner Brüder, der Propheten.” Bei der Vergleichung sehen wir die Kraft des Ausdrucks: “Das Zeugnis aber Jesu ist der Geist der Weissagung.” Das Zeugnis Jesu schließt jedoch alle Gaben dieses einen Geistes ein. Paulus sagt: “Ich danke meinem Gott alle Zeit eurethalben für die Gnade Gottes, die euch gegeben ist in Christo Jesu, daß ihr seid durch ihn an allen Stücken reich gemacht, an aller Lehre und in aller Erkenntnis; wie denn die Predigt von Christo in euch kräftig geworden ist, also daß ihr keinen Mangel habt an irgendeiner Gabe und wartet nur auf die Offenbarung unseres Herrn Jesu Christi.” 1.Korinther 1,4-7. EG 132.3
Das Zeugnis Jesu befand sich in der korinthischen Gemeinde; und was war die Folge? Sie hatten keinen Mangel an irgendeiner Gabe. Dürfen wir deshalb nicht erwarten, daß die Übrigen, wenn sie im Zeugnis Jesu völlig begründet sind, keinen Mangel an irgendeiner Gabe haben werden, wenn sie auf das Kommen unseres Herrn Jesu Christi warten? EG 133.1
R.F. Cottrell