Christus hatte gerade die Zeit unmittelbar vor seiner Wiederkunft beschrieben und auf die Gefahren hingewiesen, die seine Nachfolger dabei bestehen müssten. Zur Verdeutlichung seiner Worte erzählte er nun ein Gleichnis davon, dass man allezeit beten und nicht nachlassen solle, und sprach: BRG 130.1
“Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage. Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er’s bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze.” Lukas 18,2-8. BRG 130.2
Der Richter, der hier beschrieben wird, kümmert sich weder um das Recht noch um das Unglück anderer Menschen. Die Witwe schildert ihm ihren Fall nachdrücklich genug, wird aber immer wieder abgewiesen. Sooft sie auch kommt, immer muss sie es sich gefallen lassen, verächtlich behandelt und aus dem Gerichtshof vertrieben zu werden. Der Richter weiß, dass sie im Recht ist, und könnte ihr sofort helfen, aber er will nicht. Er möchte ihr seine unumschränkte Macht zeigen, und es bereitet ihm Vergnügen, die Frau vergeblich bitten und flehen zu lassen. Sie lässt sich aber nicht entmutigen. Trotz seiner Gleichgültigkeit und Hartherzigkeit trägt sie ihm ihr Anliegen so oft und bestimmt vor, dass er schließlich einwilligt, sich ihrer Sache anzunehmen. BRG 130.3
“Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.” Nur um seinem Ansehen nicht zu schaden und nicht als parteiisch verschrien zu werden, hilft er also der beharrlichen Frau. BRG 131.1
“Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er’s bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze.” Christus stellt hier den Unterschied zwischen Gott und dem ungerechten Richter ganz klar heraus: Der Richter gab dem Drängen der Witwe aus purem Egoismus nach, nämlich um nicht weiter belästigt zu werden; er hatte kein Mitleid, kein Erbarmen mit ihr; ihr Elend war ihm gleichgültig. Wie anders verhält sich Gott gegenüber denen, die ihn suchen! Er hat unendliches Mitgefühl mit allen, die ihn in ihrer Not und Bedrängnis um Hilfe bitten. BRG 131.2
Die Frau, die den Richter bedrängte, ihr Gerechtigkeit zu verschaffen, hatte den Ehemann verloren. Arm und ohne Freunde, hatte sie keine Möglichkeit, wieder in den Besitz ihres verlorenen Vermögens zu gelangen. Ebenso hat der Mensch durch die Sünde die Verbindung zu Gott verloren. Aus eigener Kraft kann er das Heil nicht erlangen. Christus jedoch bringt uns dem Vater nahe: Die Auserwählten Gottes liebt er von ganzem Herzen. Er hat sie “von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht” berufen (1.Petrus 2,9), damit sie ihn loben und selbst als Licht im Dunkel dieser Welt leuchten. Der ungerechte Richter hatte keinerlei Interesse an der Witwe, die ihn so dringend um Hilfe bat. Nur um ihr erbarmungswürdiges Drängen nicht länger anhören zu müssen, verhalf er ihr zu ihrem Recht gegen ihren Gegner. Gott dagegen liebt seine Kinder mit unendlicher Liebe. Seine Gemeinde ist ihm das Teuerste auf Erden. BRG 131.3
“Denn des Herrn Teil ist sein Volk, Jakob ist sein Erbe. Er fand ihn in der Wüste, in der dürren Einöde sah er ihn. Er umfing ihn und hatte Acht auf ihn. Er behütete ihn wie seinen Augapfel.” 5.Mose 32,9.10. “Denn so spricht der Herr Zebaoth, der mich gesandt hat, über die Völker, die euch beraubt haben: Wer euch antastet, der tastet meinen Augapfel an.” Sacharja 2,12. BRG 132.1
Die Bitte der Witwe — “Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher!” — ist auch die Bitte der Kinder Gottes. Satan ist ihr großer Gegner, der “Verkläger unserer Brüder”, der sie Tag und Nacht bei Gott anklagt. Offenbarung 12,10. Ununterbrochen bemüht er sich, Gottes Volk in ein falsches Licht zu setzen, anzuklagen, zu täuschen und zu vernichten. Im vorliegenden Gleichnis lehrt Christus deshalb seine Jünger, darum zu beten, dass Gott sie aus der Macht Satans und seiner Helfer befreie. BRG 132.2
Wie Satan anklagt und Christus diesem Gegner seines Volkes widersteht, schildert der Prophet Sacharja: “Und er ließ mich sehen den Hohenpriester Joschua, wie er vor dem Engel des Herrn stand, und der Satan stand zu seiner Rechten, um ihn zu verklagen. Und der Engel des Herrn sprach zu dem Satan: Der Herr schelte dich, du Satan! Ja, der Herr, der Jerusalem erwählt hat, schelte dich! Ist dieser nicht ein Brandscheit, das aus dem Feuer gerettet ist? Joschua aber hatte unreine Kleider an und stand vor dem Engel.” Sacharja 3,1-3. BRG 132.3
Die Kinder Gottes werden hier mit einem Angeklagten vor Gericht verglichen. Als Hoherpriester bittet Joschua um Segen für sein Volk, das sich in großer Not befindet. Während er sich vor Gott dafür einsetzt, steht Satan als sein Gegner rechts neben ihm. Er beschuldigt die Kinder Gottes und stellt ihren Fall so hoffnungslos wie möglich dar. Er hält dem Herrn ihre Vergehen und Charakterschwächen, ihre Fehler und ihr Versagen vor in der Hoffnung, dass Christus ihnen in ihrer Not keinen Beistand leisten wird, weil ihr Wesen in einem allzu schlechten Licht erscheint. BRG 132.4
Als Sprecher des Volkes Gottes, der mit unter dem Verdammungsurteil steht, trägt Joschua unreine Kleider. Er kennt die Sünden seines Volkes und ist vor Mutlosigkeit niedergedrückt. Satan erzeugt bei ihm ein solch starkes Schuldgefühl, dass er fast alle Hoffnung aufgegeben hat. Und doch steht er hier und bittet um Gnade, während Satan alles gegen ihn einsetzt. BRG 132.5
Satans Tätigkeit als Ankläger begann im Himmel. Seit dem Sündenfall setzt er sie auf der Erde fort, und je mehr wir uns dem Ende der Weltgeschichte nähern, umso eifriger wird er sie in einem ganz besonderen Sinn betreiben. Er weiß, dass ihm nur noch wenig Zeit bleibt, und ist darum umso entschlossener, zu täuschen und zu zerstören. Wütend stellt er fest, dass es Menschen auf der Erde gibt, die trotz ihrer Schwäche und Sündhaftigkeit das Gesetz des Herrn achten. Er ist fest entschlossen, sie zum Ungehorsam gegenüber Gott zu verleiten, und freut sich über ihre Verlorenheit. Für jeden Einzelnen kennt er Mittel und Wege, um sie zu verführen und Gott zu entfremden. Er ist bestrebt, Gott und alle jene anzuklagen und zu verdammen, die in dieser Welt Barmherzigkeit, Liebe, Mitgefühl und Vergebungsbereitschaft praktizieren und damit die Pläne Gottes verwirklichen wollen. BRG 133.1
Jede Offenbarung göttlicher Macht an sein Volk erzeugt den Hass Satans. Wann immer Gott sich für seine Kinder einsetzt, setzt Satan mit seinen Engeln alles in Bewegung, um sie zu verderben. Er ist eifersüchtig auf alle, die in Christus stark sind, und möchte sie zum Bösen anstiften. Hat er dabei Erfolg, so schiebt er alle Schuld auf die Versuchten und weist auf ihre unreinen Kleider hin, auf ihre Charakterfehler, ihre Schwäche und Torheit, ihre Undankbarkeit und ihr Wesen, das Christus so wenig ähnlich ist und den Erlöser entehrt. Damit will er beweisen, dass er das Recht hat, sie zu vernichten. Er versucht sie mit dem Gedanken einzuschüchtern, dass ihr Fall hoffnungslos sei und ihre Sünde zu groß, um vergeben zu werden. Auf diese Weise hofft er, ihren Glauben so weit zerstören zu können, dass sie seinen Versuchungen erliegen und sich von Gott abwenden. BRG 133.2
Aus eigener Kraft kann das Volk Gottes den Anschuldigungen Satans nicht entgegentreten. Es braucht sich nur selbst anzuschauen, um zu verzweifeln. Aber es wendet sich an Gott, der ihm Rechtsbeistand geben will, und macht die Verdienste des Erlösers für sich geltend. Gott ist gerecht, und er macht den gerecht, der an Jesus Christus glaubt. Voll Vertrauen beten die Gläubigen zu Gott: “Schaffe mir Recht vor meinem Widersacher!” und bitten ihn, Satan mit seinen Beschuldigungen zum Schweigen zu bringen und seine Anschläge zu vereiteln. Mit dem überzeugenden Hinweis auf seinen Tod am Kreuz bringt Christus den frechen Ankläger zum Verstummen. BRG 133.3
“Und der Engel des Herrn sprach zu dem Satan: Der Herr schelte dich, du Satan! Ja, der Herr, der Jerusalem erwählt hat, schelte dich! Ist dieser nicht ein Brandscheit, das aus dem Feuer gerettet ist?” Wenn Satan versucht, die Kinder Gottes zu beschuldigen und zu vernichten, schaltet sich Christus ein. Zwar haben sie gesündigt, doch Christus nahm ihre Schuld auf sich. Er riss die Menschheit aus dem Verderben wie ein Holzscheit aus dem Feuer. Durch seine menschliche Natur hat er sich mit uns eng verbunden, während er durch seine göttliche Natur eins ist mit dem unendlichen Gott. Er bietet jedem Hilfe an, der seine Verlorenheit erkennt, und weist unseren Gegner zurück. BRG 134.1
“Joschua aber hatte unreine Kleider an und stand vor dem Engel, der anhob und sprach zu denen, die vor ihm standen: Tut die unreinen Kleider von ihm! Und er sprach zu ihm: Sieh her, ich nehme deine Sünde von dir und lasse dir Feierkleider anziehen. Und er sprach: Setzt ihm einen reinen Kopfbund auf das Haupt! Und sie setzten ihm einen reinen Kopfbund auf das Haupt und zogen ihm reine Kleider an, und der Engel des Herrn stand dabei.” Sacharja 3,3-5. Dann gab der Engel im Auftrag des Herrn der Heerscharen Joschua als dem Vertreter des Volkes Gottes folgende Verheißung: “Wirst du in meinen Wegen wandeln und meinen Dienst recht versehen, so sollst du mein Haus regieren und meine Vorhöfe bewahren. Und ich will dir Zugang zu mir geben mit diesen, die hier stehen” (Sacharja 3,7) — also mit den Engeln, die um den Thron Gottes standen. BRG 134.2
Trotz ihrer Fehler und Schwächen hört Christus nicht auf, für seine Kinder zu sorgen. Er wendet sich nicht ab von ihnen; ja, er hat sogar die Macht, ihre Kleider zu wechseln. Denen, die Buße tun und an ihn glauben, nimmt er die schmutzigen Gewänder ab und bekleidet sie mit dem Gewand seiner eigenen Gerechtigkeit. Hinter ihre Namen schreibt er “vergeben” in die Himmelsbücher. Vor dem ganzen Himmel bestätigt er, dass sie zu ihm gehören, und stellt Satan, ihren Gegner, als betrügerischen Ankläger bloß. Gott wird seinen Erwählten zu ihrem Recht verhelfen! BRG 134.3
Das Gebet: “Schaffe mir Recht vor meinem Widersacher!” bezieht sich nicht nur auf Satan, sondern auch auf alle seine Helfer, die er anstachelt, das Volk Gottes zu verleumden, zu verführen und zu vernichten. Wer Gottes Gebote halten möchte, wird immer wieder die Erfahrung machen, dass er Feinde hat, die von der Macht der Finsternis beherrscht sind. Solche Gegner verfolgten Christus auf Schritt und Tritt mit einer beharrlichen Entschlossenheit, wie sich das kein Mensch ausmalen kann. Die Jünger Christi sind ebenso wie ihr Meister ständiger Versuchung ausgesetzt. BRG 135.1
Die Bibel beschreibt den Zustand der Welt kurz vor der Wiederkunft Christi. Der Apostel Jakobus schildert zum Beispiel, wie Habgier und Unterdrückung an der Tagesordnung sein werden: “Und nun, ihr Reichen: Weint und heult über das Elend, das über euch kommen wird! Euer Reichtum ist verfault, eure Kleider sind von Motten zerfressen. Euer Gold und Silber ist verrostet, und ihr Rost wird gegen euch Zeugnis geben und wird euer Fleisch fressen wie Feuer. Ihr habt euch Schätze gesammelt in diesen letzten Tagen! Siehe, der Lohn der Arbeiter, die euer Land abgeerntet haben, den ihr ihnen vorenthalten habt, der schreit, und das Rufen der Schnitter ist gekommen vor die Ohren des Herrn Zebaoth. Ihr habt geschlemmt auf Erden und geprasst und eure Herzen gemästet am Schlachttag. Ihr habt den Gerechten verurteilt und getötet, und er hat euch nicht widerstanden.” Jakobus 5,1-6. Das ist ein Bild der heutigen Zustände: Durch Unterdrückung und Ausbeutung jeder Art häufen einige wenige ein Riesenvermögen an, während das Schreien einer hungernden Menschheit zu Gott aufsteigt. BRG 135.2
“Und das Recht ist zurückgewichen, und die Gerechtigkeit hat sich entfernt; denn die Wahrheit ist auf der Gasse zu Fall gekommen, und die Aufrichtigkeit findet keinen Eingang. Und die Wahrheit ist dahin, und wer vom Bösen weicht, muss sich ausplündern lassen.” Jesaja 59,14.15. Dies wurde besonders deutlich, als Christus auf der Erde lebte: Er war Gottes Geboten treu und setzte sich über menschliche Traditionen und Forderungen hinweg, die deren Stelle eingenommen hatten. Deshalb hasste und verfolgte man ihn. Das wiederholt sich immer wieder. Die Gesetze und Überlieferungen der Menschen gelten mehr als die Gebote Gottes, und wer letzteren die Treue hält, wird verachtet und verfolgt. Christus beschuldigte man wegen seiner Treue zu Gott, ein Sabbatschänder und Lästerer zu sein. Es hieß, er sei vom Teufel besessen, ja, man nannte ihn selbst sogar Beelzebub. Ähnliche Beschuldigungen und Verleumdungen müssen auch seine Nachfolger über sich ergehen lassen. Satan hofft, sie so zur Sünde verleiten zu können und damit Gottes Ehre in den Schmutz zu ziehen. BRG 135.3
Den Richter, der sich vor Gott nicht fürchtete und vor keinem Menschen scheute, stellte Christus als typischen Vertreter der damaligen Rechtspflege heraus; zugleich war dies ein Hinweis darauf, wie es ihm selbst bald vor Gericht ergehen würde. Er möchte, dass uns bewusst ist, wie wenig wir in Zeiten der Not von irdischen Herrschern und Rechtssprechern erwarten können. Gottes Kinder müssen sich nicht selten vor Staatsdienern verantworten, die nicht den Geboten und Ratschlägen der Bibel, sondern eigenen, weltlichen, unbeherrschten Regungen folgen. BRG 136.1
Mit dem Gleichnis vom ungerechten Richter zeigt Christus, wie wir uns verhalten sollen. “Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen?” Christus, unser Vorbild, unternahm nichts, um sich zu rechtfertigen oder zu befreien, sondern überließ seine Sache Gott. So wollen auch wir als seine Nachfolger weder anklagen noch verdammen oder gar Gewalt anwenden, wenn es einmal um unsere Freiheit geht. BRG 136.2
Wenn wir in Glaubensprüfungen geraten, die uns unerklärlich sind, soll uns das den inneren Frieden nicht rauben. Auch wenn wir noch so ungerecht behandelt werden, wollen wir darüber nicht in Wut geraten. Trachten wir nach Vergeltung, so schaden wir uns nur selbst; wir zerstören dadurch unser Gottvertrauen und betrüben den Heiligen Geist. Ein Zeuge steht uns zur Seite, ein himmlischer Bote, der für uns gegen den Feind kämpfen und uns mit den hellen Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit decken will. Dieser Schild aus heiligem Licht ist für Satan undurchdringlich. BRG 136.3
In einer Zeit, da die Welt immer gottloser wird, braucht sich keiner mit dem Gedanken zu trösten, für ihn werde es keine Schwierigkeiten geben. Andererseits führen gerade unsere Probleme uns zu Gott. Seine Weisheit ist unendlich, und wir dürfen ihn gern um Rat bitten. BRG 137.1
Der Herr sagt: “Rufe mich an in der Not.” Psalm 50,15. Er lädt uns ein, ihm unsere Sorgen und Nöte vorzutragen und ihn in beständiger Weise im Gebet um Hilfe zu bitten. Sobald Schwierigkeiten auftreten, dürfen wir unser Anliegen aufrichtig und ernst vortragen. Unser eindringliches Bitten ist für Gott ein Beweis dafür, wie sehr wir ihm vertrauen. Wenn wir erkennen, was uns fehlt, drängt es uns, wirklich ernst zu beten, und unser Vater im Himmel hat dann auch ein offenes Ohr für uns. BRG 137.2
Wer um seines Glaubens willen verachtet oder verfolgt wird, gerät nicht selten in die Versuchung zu meinen, Gott habe ihn verlassen. Solche Menschen sind in den Augen der anderen nur eine Minderheit, und ganz offensichtlich triumphieren ihre Gegner über sie. In einer solchen Situation muss man deshalb darauf achten, nicht gegen sein Gewissen zu handeln. Er, der für uns litt und alle unsere Sorgen und Nöte auf sich nahm, hat uns nicht vergessen. BRG 137.3
Die Kinder Gottes stehen durchaus nicht allein und schutzlos da. Gläubiges Gebet bewegt den Allmächtigen dazu, einzugreifen. Durch den Glauben haben sie im Gebet “Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit geübt, Verheißungen erlangt, Löwen den Rachen gestopft, des Feuers Kraft ausgelöscht”. Was das bedeutet, wird uns klar, wenn wir lesen, wie die Märtyrer für ihren Glauben starben. Gebet hat sogar “fremde Heere in die Flucht geschlagen”. Hebräer 11,33.34. BRG 137.4
Wenn wir Gott unser Leben zur Verfügung stellen, können wir nie in eine Lage kommen, für die er nicht Vorsorge getroffen hätte. In jeder Situation kennt unser Hirte den richtigen Weg. Bei allen Schwierigkeiten steht uns ein verlässlicher Ratgeber zur Seite; ein mitfühlender Freund teilt unseren Kummer und unsere Einsamkeit. Er nimmt Anteil, wenn wir einen lieben Menschen verloren haben. Begehen wir aus Unwissenheit Fehler, so verlässt uns Christus nicht. Klar und deutlich hören wir seine Stimme: “Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.” Johannes 14,6. “Denn er wird den Armen erretten, der um Hilfe schreit, und den Elenden, der keinen Helfer hat.” Psalm 72,12. BRG 137.5
Der Herr sagt, dass er durch die Menschen geehrt wird, die sich an ihn halten und ihm treu dienen. “Wer festen Herzens ist, dem bewahrst du Frieden; denn er verlässt sich auf dich.” Jesaja 26,3. Der ausgestreckte Arm des Allmächtigen will uns immer weiter vorwärts führen. Nur voran, sagt der Herr, ich werde euch Hilfe schicken! Durch euer Bitten wird mein Name verherrlicht, und ihr sollt erhört werden. Vor den Augen derjenigen, die nur darauf warten, dass ihr einen Misserfolg erlebt, will ich geehrt sein. Sie sollen sehen, wie mein Wort herrlich siegen wird: “Und alles, was ihr bittet im Gebet, wenn ihr glaubt, so werdet ihr’s empfangen.” Matthäus 21,22. BRG 138.1
Wer in Not ist oder ungerecht behandelt wird, soll Gott um Hilfe bitten. Wendet euch ab von Menschen, die ein Herz aus Stein haben, und tragt euer Anliegen dem vor, der uns geschaffen hat! Er weist keinen ab, der mit der Bereitschaft zur Umkehr zu ihm kommt. Kein aufrichtiges Gebet wird überhört. Wo die Engel ihre Choräle singen, hört Gott auch das leiseste Rufen eines Menschen. Ob wir ihm in einem abgeschiedenen Raum das Herz ausschütten oder ob wir auf der Straße leise beten, immer erreichen unsere Worte den Thron des Herrschers über das All. Auch wenn sie vielleicht für das menschliche Ohr unhörbar sind, gehen sie trotzdem nicht verloren und können auch von der Geschäftigkeit um uns herum nicht erstickt werden. Nichts kann den Ausdruck unseres inneren Verlangens dämpfen. Ein gläubig gesprochenes Gebet steigt in jedem Fall über den Lärm der Straßen, über das Gewirr der Welt zum Himmel empor. Wir reden ja mit Gott, und er hört uns. BRG 138.2
Auch wenn du das Gefühl hast, du könntest dich eigentlich gar nicht in Gottes Gegenwart wagen, darfst du ihm ohne Angst deine Anliegen vortragen. Als er sich in Christus für die Sünden der Welt opferte, nahm er sich damit der Sache eines jeden Menschen an. “Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben — wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?” Römer 8,32. Sollte er sein Wort, das er uns zur Ermutigung und Stärkung gab, nicht auch halten? BRG 138.3
Christus hat keinen größeren Wunsch, als sein Erbteil von der Herrschaft Satans zu befreien. Bevor wir jedoch äußerlich davon erlöst werden können, müssen wir zuerst innerlich frei werden. Der Vater lässt Glaubensprüfungen zu, damit wir uns von der Liebe zum Materiellen, von Egoismus und allen unschönen Eigenschaften, die uns Christus so wenig ähnlich sein lassen, lösen. Er lässt zu, dass wir in große seelische Not geraten, damit wir ihn und Jesus Christus, den er gesandt hat, erkennen. Auf diese Weise will er in uns das Verlangen wecken, von allem Schlechten befreit zu werden und aus der Glaubensprüfung reiner, gottgeweihter und glücklicher hervorzugehen. Oft sind wir anfangs noch voll von Selbstsucht. Ertragen wir aber die Bewährungsprobe geduldig, dann spiegeln wir, wenn wir sie bestanden haben, etwas vom Wesen Christi wider. Hat Gott sein Ziel mit dir erreicht, indem er dich Schwierigkeiten erleben ließ, dann wird er “deine Gerechtigkeit heraufführen wie das Licht und dein Recht wie den Mittag”. Psalm 37,6. BRG 139.1
Wir brauchen keine Sorge zu haben, dass der Herr das Gebet seiner Kinder nicht beachten würde. Die Gefahr besteht vielmehr darin, dass wir uns durch Versuchungen und Glaubensprüfungen entmutigen lassen und nicht mehr intensiv genug beten. BRG 139.2
Der Heiland zeigt sein göttliches Mitgefühl bei der Begegnung mit der Frau aus Syrophönizien. Ihr Leid berührte ihn tief, und am liebsten hätte er ihr sofort die Gewissheit gegeben, dass ihr Gebet erhört wurde. Weil er aber seinen Jüngern eine Lehre erteilen wollte, tat er zunächst so, als interessiere ihn ihr erbarmungswürdiges Bitten nicht. Als dann jedoch ihr Glaube für alle sichtbar geworden war, tröstete er sie und ließ sie mit der Versicherung gehen, dass er ihre Tochter geheilt hatte. Diese Begebenheit vergaßen die Jünger nie. Sie ist uns überliefert worden als Beispiel dafür, was ausdauerndes Beten erreichen kann. Matthäus 15,21-28. BRG 139.3
Christus selbst hatte dieser Mutter ihre Hartnäckigkeit, die sich durch nichts abweisen ließ, geschenkt. Er ließ die Witwe vor dem Richter mutig und entschlossen auftreten. Jahrhunderte zuvor hatte er Jakob bei jenem rätselhaften Kampf am Jabbok den gleichen ausdauernden Glauben geschenkt. Das Vertrauen, zu dem er uns befähigt, hat er noch nie enttäuscht. BRG 139.4
Im himmlischen Heiligtum haben wir einen gerechten Richter. Mehr noch als über die Schar der Engel, die seinen Thron umgibt, freut er sich über sein Volk, das gegen die Versuchungen einer sündigen Welt ankämpft. BRG 140.1
An unserer winzigen Welt zeigt das ganze himmlische Universum die regste Anteilnahme, weil Christus für die Menschen, die sie bewohnen, einen unermesslichen Preis bezahlt hat. Der Erlöser der Welt hat Erde und Himmel durch das Band des Geistes miteinander verknüpft, denn die Erlösten des Herrn leben hier unten. Noch immer besuchen Wesen vom Himmel die Erde, genauso wie in den Tagen, als sie mit Abraham und Mose zusammenkamen und sprachen. Mitten in der Hektik der Großstadt, unter der Menschenmenge, die sich auf Straßen und in Einkaufszentren drängt und von morgens bis abends nur für ihre Geschäfte und Vergnügungen lebt, als ob es keinen anderen Lebenszweck gäbe — selbst in dieser Masse, in der nur wenige über die unsichtbare Wirklichkeit nachdenken, sind die heiligen Beobachter aus der himmlischen Welt unterwegs. BRG 140.2
Diese unsichtbar wirkenden Kräfte registrieren alles, was die Menschen sagen und tun. In jeder Versammlung, ob sie nun Geschäften oder dem Vergnügen dient, ja, auch bei jedem Gottesdienst sind mehr Zuhörer anwesend, als das menschliche Auge wahrnehmen kann. Manchmal ziehen diese Geisteswesen den Vorhang beiseite, der die himmlische Welt verdeckt, um unsere Gedanken von der Hektik und Geschäftigkeit des Alltags abzulenken. Dann merken wir plötzlich, dass es unsichtbare Zeugen gibt für alles, was wir tun und sagen. BRG 140.3
Wir müssen die Aufgabe der Engel, die zu uns kommen, noch besser verstehen lernen. Lasst uns doch immer daran denken, dass wir bei allem, was wir tun, von himmlischen Wesen in fürsorglicher Weise unterstützt werden. Unsichtbare Scharen voll Licht und Kraft stehen allen bei, die im Bewusstsein ihrer eigenen Schwachheit bescheiden auf die Verheißungen Gottes vertrauen. Cherubim, Seraphim und andere starke Engel — “tausendmal Tausende ... und zehntausendmal Zehntausende” (Daniel 7,10) — stehen zur Rechten Gottes, “dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die das Heil ererben sollen”. Hebräer 1,14. BRG 140.4
Diese Engel liefern Gott als seine Boten einen genauen Bericht darüber, was die Menschen sagen und tun. Jede Grausamkeit oder Ungerechtigkeit gegen seine Kinder, alles, was sie von bösen Mächten erleiden, wird im Himmel aufgezeichnet. BRG 141.1
“Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er’s bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird ihnen ihr Recht schaffen in Kürze.” Lukas 18,7.8. BRG 141.2
“Darum werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt. Denn ‘nur noch eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und wird nicht lange ausbleiben’.” Hebräer 10,35-37. “Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.” Jakobus 5,7.8. BRG 141.3
Es ist wunderbar, wie viel Geduld Gott mit uns hat. Die Gerechtigkeit muss warten, während dem sündigen Menschen Gnade angeboten wird. Andererseits heißt es von Gott: “Gerechtigkeit und Gericht sind seines Thrones Stütze.” Psalm 97,2. “Der Herr ist geduldig und von großer Kraft, vor dem niemand unschuldig ist. Er ist der Herr, dessen Weg in Wetter und Sturm ist; Wolken sind der Staub unter seinen Füßen.” Nahum 1,3. BRG 141.4
Die Welt setzt sich immer dreister über Gottes Gesetz hinweg. Weil der Herr so geduldig ist, treten die Menschen seine Autorität mit Füßen, ja, sie bestärken sich sogar gegenseitig darin, die Nachfolger Christi möglichst grausam zu unterdrücken: “Wie sollte Gott es wissen? Wie sollte der Höchste etwas merken?” Psalm 73,11. Aber auch ihrem Treiben ist eine Grenze gesetzt, die sie schon bald erreicht haben werden. Sie haben bereits jetzt Gottes Geduld fast erschöpft, seine Gnade und Barmherzigkeit mit ihnen wird bald zu Ende sein. Dann wird er einschreiten, seine Ehre wiederherstellen, sein Volk befreien und die weit verbreitete Ungerechtigkeit beseitigen. BRG 141.5
Zur Zeit Noahs schenkten die Menschen dem Gesetz Gottes so wenig Beachtung, dass im allgemeinen Bewusstsein der Gedanke an den Schöpfer fast völlig verschwunden war. Die Ungerechtigkeit erreichte ein solches Ausmaß, dass der Herr die gottlosen Bewohner der Erde schließlich durch eine große Flut umkommen ließ. BRG 142.1
In jedem Zeitalter hat der Herr gezeigt, wie er wirkt. In Krisenzeiten offenbarte er sich und verhinderte, dass Satan seine Pläne ausführen konnte. Oft ließ er zu, dass Völker, Familien oder auch einzelne Personen in eine Krise gerieten, um dann sein Eingreifen umso deutlicher werden zu lassen. Auf diese Weise zeigte er, dass der Gott Israels sein Gesetz aufrechterhält und für sein Volk einsteht. BRG 142.2
Wenn nun heutzutage die Ungerechtigkeit überhand nimmt, dürfen wir sicher sein, dass die letzte große Krise vor der Tür steht. Wenn nahezu auf der ganzen Welt Gottes Gesetz missachtet wird, wenn sein Volk Unterdrückung und Anfeindung erlebt, dann wird der Herr eingreifen. BRG 142.3
Bald schon wird er sagen: “Geh hin, mein Volk, in deine Kammer, und schließ die Tür hinter dir zu! Verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe. Denn siehe, der Herr wird ausgehen von seinem Ort, heimzusuchen die Bosheit der Bewohner der Erde. Dann wird die Erde offenbar machen das Blut, das auf ihr vergossen ist, und nicht weiter verbergen, die auf ihr getötet sind.” Jesaja 26,20.21. So genannte Christen können jetzt noch ungestraft die Armen betrügen und unterdrücken, können Witwen und Waisen ihr letztes Hab und Gut nehmen; sie können ihrem satanischen Hass auf die Kinder Gottes, deren Gewissen nicht unter ihrem Einfluss steht, freien Lauf lassen. Gott wird sie dafür jedoch zur Verantwortung ziehen. “Denn es wird ein unbarmherziges Gericht über den ergehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat.” Jakobus 2,13. BRG 142.4
Schon bald werden sie vor dem stehen, der die ganze Welt richtet, um Rechenschaft abzulegen für alles, was sie den Kindern Gottes an Leib und Seele angetan haben. Noch hindert niemand sie daran, falsche Anschuldigungen vorzubringen; noch können sie die verspotten, die Gott mit der Evangeliumsverkündigung beauftragt hat; noch können sie die Gläubigen ins Gefängnis bringen, in Ketten legen, in die Verbannung schicken oder gar umbringen, aber für all die verursachten Schrecknisse, ja sogar für jede vergossene Träne, werden sie einmal Rechenschaft ablegen müssen. Gott wird sie für ihre Sünden doppelt strafen. Über Babylon, das Symbol der abgefallenen Gemeinde, sagt er zu seinen Gerichtshelfern: “Ihre Sünden reichen bis an den Himmel, und Gott denkt an ihren Frevel. Bezahlt ihr, wie sie bezahlt hat, und gebt ihr zweifach nach ihren Werken! Und in den Kelch, in den sie euch eingeschenkt hat, schenkt ihr zweifach ein!” Offenbarung 18,5.6. BRG 142.5
Von Indien und Afrika, von China und allen Inseln der Meere, von den unterdrückten Millionen Menschen der so genannten christlichen Länder steigt das Geschrei der Entrechteten zu Gott empor und wird nicht mehr lange unbeantwortet bleiben. Gott wird die Erde von ihrer moralischen Verkommenheit reinigen, nicht durch eine Wasserflut wie zur Zeit Noahs, sondern durch ein Feuermeer, das niemand löschen kann. 2.Petrus 3,10. BRG 143.1
“Es wird eine Zeit so großer Trübsal sein, wie sie nie gewesen ist, seitdem es Menschen gibt, bis zu jener Zeit. Aber zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen.” Daniel 12,1. BRG 143.2
Aus ärmlichen Dachkammern und Hütten, aus Gefängnissen und vom Schafott, aus den Bergen und der Wüste, aus Höhlen und aus der Tiefe des Meeres wird Christus seine Nachfolger zu sich rufen. Auf der Erde hat man sie beraubt, gefoltert und angefeindet. Millionen starben verachtet, weil sie sich weigerten, Satans betrügerische Ansprüche anzuerkennen. Menschliche Gerichte verurteilten Gottes Kinder als gemeinste Verbrecher. Doch es kommt der Tag, an dem man sehen wird: “Gott selbst ist Richter.” Psalm 50,6. Dann werden die Urteile, die auf unserer Erde gefällt wurden, in ihr Gegenteil verkehrt. “Und Gott der Herr ... wird aufheben die Schmach seines Volks.” Jesaja 25,8. Jeder, der diesem Volk angehört, bekommt dann ein weißes Gewand. Offenbarung 6,11. Man wird sie nennen “Heiliges Volk”, “Erlöste des Herrn”. Jesaja 62,12. BRG 143.3
Das Kreuz, das sie zu tragen hatten, die Verluste, die sie erlitten, die Verfolgung, der sie ausgesetzt waren und die manche sogar das Leben kostete — für alles dies wird Gott seine Kinder reichlich entschädigen. Sie werden “sein Angesicht sehen, und sein Name wird an ihren Stirnen sein”. Offenbarung 22,4. BRG 144.1