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Der große Kampf

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    Anm 013: Inquisition — (Seite 570)

    “Die alte katholische Kirche kannte zwar seit dem ausgehenden vierten Jahrhundert Zwangsmaßnahmen gegen Ketzerei, aber keine zur Aufsuchung der Ketzer eingerichtete Behörde. Die eigentliche Inquisition ist erst in dem schweren Kampf der katholischen Kirche gegen die großen volkstümlichen Sekten des 12. Jahrhunderts, die Katharer und Waldenser, erwachsen. 1183 verfügte Papst Lucius III. in Übereinstimmung mit Friedrich I. auf dem Konzil von Verona nicht nur die Verurteilung, sondern auch die Aufsuchung der Häretiker und führte dadurch die bischöfliche Inquisition ein. Papst Innozenz III. ergriff einschneidende Maßregeln. Um 1199 sandte er zwei Zisterziensermönche als päpstliche Legaten mit weitgehenden Vollmachten zur Unterdrückung der Katharer und Albigenser nach Südfrankreich, wozu auch die weltliche Macht aufgeboten wurde. Das vierte Laterankonzil (1215) machte die Aufsuchung und Bestrafung der Ketzer zu einer Hauptaufgabe der Bischöfe. Das Konzil zu Toulouse (1229) verschärfte diese Bestimmungen noch. Die geheimen Zufluchtsstätten der Ketzer sollten erforscht und entdeckte Ketzer gefangengenommen werden ... Die Namen der Ankläger und Zeugen wurden den Angeklagten verheimlicht ... Über ketzerische Gegenden wurde das Interdikt verhängt. Die leiblichen Strafen, namentlich die Todesstrafe, überließ die Kirche der weltlichen Obrigkeit.” (Der Große Brockhaus, Bd. IX, 137f.)GK 695.6

    Papst Gregor IX. bestellte die Dominikaner zu ständigen päpstlichen Inquisitoren.GK 696.1

    Die Inquisition war eine gerichtliche Institution zur Verfolgung von Häretikern, die in Mittelalter und Neuzeit erheblichen Einfluß besaß. Aufgabe des Inquisitionsprozesses war es, Rechtsabweichungen zu erfragen (inquirere). Eine Inquisition mit dem Ziel der strafrechtlichen Sühne wurde erst möglich, nachdem das Christentum Staatsreligion geworden war und der Staat die Abweichungen vom christlichen Glauben zu verfolgen begann. Staat und Kirche leisteten sich dabei gewissermaßen Rechtshilfe. Während die Inquisition anfangs von den Bischöfen ausgeübt wurde, trat seit dem Ende des 12. Jahrhunderts die vom Papst ausgehende Inquisition anGK 696.2

    deren Stelle (als Wandergerichte). Die päpstliche Inquisitionsbehörde nahm an Macht und Ansehen ständig zu. Sie erhielt später den Namen “Sanctum Officium”.GK 696.3

    “Die Inquisition wurde zunächst in Italien eingeführt und entfaltete ihre Wirksamkeit vornehmlich hier sowie in Südfrankreich und Spanien. In Spanien wurde die Inquisition sogar Staatseinrichtung; die konfiszierten Gelder flossen in die Staatskasse. Die spanische Inquisition ist bekannt durch die mit großem Pomp gefeierten Autos-da Fé (Autodafés = actus fidei = Akte des Glaubens), durch welche die Urteile der Inquisition vollstreckt wurden. Ihre Intensität nimmt in Richtung auf die nordischen Staaten ab. Von den in Deutschland umherziehenden Inquisitoren ist Konrad von Marburg (13. Jh.) am bekanntesten, der aber nach nur zweijähriger Wirksamkeit von dem erregten Volk erschlagen wurde. Das Vorgehen der Inquisition gegen bestimmte Gruppen von Sektierern war häufig mit politischen Motiven vermischt: so im Kampf der Kirche gegen den Templerorden (Ritterorden) zusammen mit König Philipp IV. von Frankreich. Auch wirtschaftliche und Standesinteressen haben bisweilen das Eingreifen der Inquisition ausgelöst oder beschleunigt ...GK 696.4

    Die Verbindung von Inquisition und Politik wurde seit der Reformation notwendigerweise noch stärker. Die Inquisition spielt in der Bewegung der Gegenreformation eine bedeutende Rolle und hat sich in katholischen Staaten bis ins 19. Jh. hinein gehalten ... Untersuchungsverfahren und Vollstreckung der Inquisition richteten sich naturgemäß nach dem weltlichen Strafrecht, das im späten Mittelalter und in der Renaissance besonders grausam war ...GK 696.5

    Die Inquisition ist eine Einrichtung der katholischen Kirche, die am meisten zur Kritik herausgefordert hat und die das beliebteste Beispiel ist, wenn die katholische Kirche des Mittelalters gebrandmarkt werden soll. Von katholischer Seite verweist man dagegen auf den schweren Existenzkampf der Kirche gegen die Ketzer, auf die allgemeine Grausamkeit der damaligen Justiz und die psychopathischen Erscheinungen des Mittelalters. Doch gehen sowohl die Angriffe als auch z.T. die Verteidigung am Kern der Sache vorbei. Die Kritik macht es sich einfach, wenn sie sich unhistorisch auf den Boden des liberalen Staatsdenkens stellt. Das Mittelalter dachte anders, es nahm vor allem die Einheit von Staat und Kirche als vorgegeben hin. Die Staatskirche verfolgte deshalb natürlicherweise die kirchlichen Delikte genauso wie die weltlichen; stellte doch ein Angriff auf die Religion zugleich einen Angriff auf den Staat dar. Die Verfolgung des Religionsdeliktes war dem Mittelalter also eine Selbstverständlichkeit. Es ist weiter natürlich, daß die Inquisition sich der zeitgenössischen Mittel der Strafverfolgung bediente, und es muß auch darauf hingewiesen werden, daß ihr genau überliefertes Verfahren z.T. mit großem Ernst und juristischer Gewissenhaftigkeit durchgeführt wurde (so z.B. das gegen Hus). Nicht die Inquisition als solche, sondern die Auswüchse, zu denen diese Institution unter den verschiedensten politischen und soziologischen Einflüssen führte, könnten vom historischen Standpunkt aus kritisiert werden. Und selbst unter diesem Gesichtspunkt wird man nicht die Inquisition verdammen können, ohne das Mittelalter und die Renaissance überhaupt verurteilen zu müssen. Eine echte Beurteilung und vielleicht Verurteilung der Inquisition kann nicht auf historischer, sondern allein auf religionsphilosophischer Ebene erfolgen. Es geht um die Frage, ob die Kirche das Recht oder sogar die Pflicht hat, den irrenden Bruder um seiner Seligkeit und des Bestandes der heiligen Kirche willen notfalls mit Gewalt zu überzeugen. Kann der Rechtgläubige weiter so viel göttliche Erkenntnis und Erleuchtung beanspruchen, daß er die Autorität erhält, den ‘hartnäckigen Ketzer’ aus der kirchlichen und menschlichen Gemeinschaft auszustoßen? Fordert die Liebe zu dem irrenden Mitchristen Tolerierung oder Züchtigung? So gesehen ist die Frage der Inquisition eine dauernd aktuelle Frage.” (Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. III, Tübingen, 1959, Sp. 774.775.)GK 696.6

    In Deutschland verschwand die Inquisition unmittelbar nach der Reformation. Spanien hob sie erst 1834 auf, Italien 1859, Frankreich 1772.GK 697.1

    1542 wurde die Inquisition reorganisiert und erhielt den Namen Sacra Congregatio Romana (Heiliges Offizium). Als oberste Instanz in Glaubenssachen besteht die Inquisition noch heute. Über die Reinheit des katholischen Glaubens wacht sie als Kardinalskongregation des heiligen Offiziums (Congregatio sancti Officii).GK 697.2

    Es läßt sich heute ohne Übertreibung sagen, daß die Inquisition der größte Schandfleck ist, der auf der römischen Kirche lastet. Sie hat in hohem Maße dazu beigetragen, die Glaubwürdigkeit des Christentums zu untergraben. Noch im 19. Jahrhundert finden sich in der katholischen Presse positive Äußerungen über die Inquisition. Die Analecta Ecclesiastica, eine Zeitschrift, brachte 1895 den Abdruck eines Inquisitionsurteils vom 28.2.1484, dem sich ein überschwengliches Loblied auf die heilsame Einrichtung der Ketzerverbrennungen aus der Feder eines Kapuzinerpaters anschloß: “O ihr gesegneten Flammen der Scheiterhaufen, durch welche durch die Beseitigung ganz weniger und äußerst verworfener Menschen Hunderte und aber Hunderte von Seelen aus dem Rachen des Irrtums und der ewigen Verdammnis herausgerissen wurden!”GK 697.3

    Der spanische Großinquisitor Torquemada (1420-1498) und der Inquisitor de Epila, unter denen Hunderte von Christen hingerichtet wurden, genießen heute hohe und höchste Verehrung in der katholischen Kirche. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein gibt es Urteile von katholischer Seite, die die Maßnahmen der Inquisition verteidigen, ja sie sogar für förderungswürdig halten. Zwar haben sich die Methoden römischer Zwangsmaßnahmen geändert, aber auch unsere moderne Zeit bietet noch eine Fülle von Repressalien, die gegenüber Andersgläubigen rücksichtslos eingesetzt werden.GK 697.4

    Erst in allerjüngster Vergangenheit waren Versuche, den Protestanten z.B. in Spanien mehr Freiheiten zu verschaffen, erfolgreich. Darüber hinaus lassen gewisse, während des zweiten Vatikanischen Konzils sichtbar gewordene Tendenzen darauf hindeuten, daß die katholische Kirche bereit scheint, die Andersgläubigen nicht mehr pauschal als “Ketzer” zu diffamieren, sondern sie als Gesprächspartner anzuerkennen. Wenn man auch hinter diesen Bestrebungen keineswegs vermuten darf, daß die protestantischen Kirchen als gleichberechtigt angesehen würden.GK 698.1

    Wieviel Unbehagen an der Indizierungspraxis des Heiligen Offiziums selbst innerhalb der katholischen Kirche besteht, beweist ein Diskussionsbeitrag von Kardinal Frings auf dem Konzil, der die Methoden dieses höchsten Gremiums der katholischen Kirche scharf angriff und unter Beifall der Konzilsväter mißbilligte, daß das Heilige Offizium Menschen verurteile, ohne sie anzuhören oder ihnen die Möglichkeit der Verteidigung zu geben! Wieweit hier in Wirklichkeit eine echte Wandlung erfolgt ist, wird die Zukunft lehren. Der Widerstand der kurialen Gremien ist zäh und hinhaltend. Das beweist nichts deutlicher als der Fall Küng im Jahre 1973.GK 698.2

    Quellen: Aus katholischer Sicht: Catholic Encyclopedia, Bd. VIII, Art. Inquisition; E. Vacandard, The Inquisition: A Critical and Historical Study of the Coercive Power of the Church, New York, 1908; Der Große Herder, Bd. IV, Sp. 1360.1361; Kirchenlexikon von Wetzer u. Welte, Bd. VI, 1889.GK 698.3

    Aus anglikanischer Sicht: Hoffman Nickerson, The Inquisition: A Political and Military Study of Its Establishment.GK 698.4

    Aus protestantischer Sicht: Philipp v. Limborch, History of the Inquisition; H.C. Lea, History of the Inquisition in the Middle Ages, 3 Bde.; History of the Inquisition in Spain, 4 Bde.; The Inquisition in the Spanish Dependencies; H.S. Tuberville, Medieval Heresy and the Inquisition, London, 1920; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. III, Tübingen, 1959, Sp. 769-772; L. v. Ranke, Die Geschichte der Päpste, Köln, 1955; H. Kübert, Zauberwahn; die Greuel der Inquisition und Hexenprozesse, 1913; P. Flade, Das römische Inquisitionsverfahren in Deutschland bis zu den Hexenprozessen, 1902; E. Schäfer, Beiträge zur Geschichte des spanischen Protestantismus und der Inquisition im 16. Jahrhundert, 3 Bde., 1902; Walther von Loewenich, Der moderne Katholizismus, Witten, 1955; Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts, 1964, Heft 1; Luis Padrosa, Ich wählte die Wahrheit, Zürich, 1954; Die Lage der Protestanten in katholischen Ländern, Zollikon/Zürich, 1953.GK 698.5

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