Kapitel 31: Die Lebensaufgabe
“Dies will ich tun.”
Erfolg auf irgendeinem Gebiet erfordert ein bestimmtes Ziel. Wer im Leben wirklich erfolgreich arbeiten will, muß ständig den Blick auf das Ziel gerichtet halten, das seiner Mühe wert ist. Ein solches Ziel ist der heutigen Jugend vor Augen gestellt. Der gottgewiesene Plan, der Welt in dieser Generation das Evangelium zu bringen, ist der vornehmste Ruf, der einen Menschen erreichen kann. Er erschließt jedem, der innerlich von Christus berührt wurde, ein Feld der Betätigung.Ez54 240.2
Gottes Absicht für die an unserem Herde aufwachsenden Kinder ist weiter, tiefer und höher, als unser begrenztes Sehvermögen erfaßt hat. Menschen, die er als treu erkannte, hat er in vergangenen Zeiten aus den bescheidensten Verhältnissen berufen, damit sie an den höchsten Stellen dieser Welt für ihn zeugten. Und so mancher Junge von heute, der wie einst Daniel in seinem judäischen Heime aufwächst, das Wort und die Werke Gottes studiert und die Erfordernisse treuen Dienstes lernt, wird noch in gesetzgebenden Versammlungen, in Gerichtssälen und an Königshöfen als Zeuge für den König der Könige auftreten. Sehr viele werden zu einem weitreichenden Predigtdienst berufen. Die ganze Welt öffnet sich dem Evangelium. Mohrenland streckt seine Hände aus zu Gott. Aus Japan, China und Indien, von den dunklen Ländern Amerikas, aus allen Teilen der Welt kommt der Schrei sündenbeladener Herzen, die den Gott der Liebe kennenlernen möchten. Millionen und aber Millionen haben so gut wie nichts von Gott oder von seiner in Christus offenbarten Liebe gehört. Sie haben ein Recht darauf, diese Erkenntnis zu erlangen. Sie haben den gleichen Anspruch auf die Gnade des Erlösers wie wir. An uns ist es, die wir die Erkenntnis empfangen haben, und an unseren Kindern, denen wir sie mitgeben können, ihren Schrei zu beantworten. An jedes Heim, an jede Schule, an alle Eltern, Lehrer und Kinder, zu denen das Licht des Evangeliums gedrungen ist, ergeht in dieser Krisenzeit die Frage, die in jener bedeutsamen Entscheidungsstunde der Geschichte Israels an die Königin Ester gerichtet wurde: “Wer weiß, ob du nicht um dieser Zeit willen zur königlichen Würde gekommen bist?” Ester 4,14.Ez54 240.3
Wer überlegt, was die Beschleunigung oder die Behinderung der Evangeliumsverkündigung wohl für Folgen haben könnte, tut dies meist im Hinblick auf die Welt und sich selbst. Wenige denken dabei an Gott, wenige sind des Schmerzes eingedenk, den die Sünde unserem Schöpfer verursacht hat. Der ganze Himmel durchlitt Christi Todeskampf, aber sein Leiden begann und endete nicht mit seiner Offenbarung in Menschengestalt. Das Kreuz enthüllt unseren stumpfen Sinnen die Pein, die die Sünde schon seit ihrem Aufkommen dem Herzen Gottes bereitet hat. Jedes Abweichen vom Recht, jede grausame Tat, jedes Versagen der Menschheit beim Erstreben des von Gott gesetzten Zieles bereitet ihm Kummer. Als über Israel das Unglück hereinbrach, das sich unausweichlich aus seiner Trennung von Gott ergab: Unterjochung durch die Feinde, grausame Behandlung und Tod — da wird vom Herrn gesagt: “Es jammerte ihn, daß Israel so geplagt ward.” “Wer sie ängstete, der ängstete ihn auch ... Er nahm sie auf und trug sie allezeit von alters her.” Richter 10,16; Jesaja 63,9.Ez54 241.1
Sein “Geist selbst vertritt uns aufs beste mit unaussprechlichem Seufzen”. Wie “die gesamte Schöpfung bis jetzt noch überall seufzt und mit Schmerzen einer Neugeburt harrt” (Römer 8,26.22, Menge), so wird auch das Herz des ewigen Vaters in mitfühlendem Schmerz gepeinigt. Unsere Welt ist ein großes Krankenlager, sie bietet ein Bild des Elends, das wir nicht in unsere Gedankenwelt aufzunehmen wagen. Sähen wir sie so, wie sie wirklich ist, dann wäre die Belastung zu schrecklich. Doch Gott fühlt bei allem mit. Um die Sünde und ihre Auswirkungen zu vernichten, gab er sein Liebstes dahin. Er hat uns die Macht gegeben, in Zusammenarbeit mit ihm dieses Trauerspiel zum Abschluß zu bringen. “Es wird gepredigt werden das Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zu einem Zeugnis über alle Völker, und dann wird das Ende kommen.” Matthäus 24,14.Ez54 242.1
“Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur” (Markus 16,15), so lautet Christi Befehl an seine Nachfolger. Nicht als ob alle zu Predigern oder Missionaren im üblichen Sinne des Wortes berufen seien. Alle aber können Gottes Mitarbeiter sein, indem sie die “frohe Botschaft” an ihre Mitmenschen weitergeben. Der Befehl ergeht an jeden, ob groß oder klein, gelehrt oder unwissend, alt oder jung.Ez54 242.2
Können wir angesichts dieser Weisung unsere Söhne und Töchter zu einem Leben achtbarer Herkömmlichkeit und vorgeblicher Christlichkeit erziehen, dem aber die Selbsthingabe Christi fehlt? zu einem Leben, das denen, die es führen, vom Herzenskünder den Urteilsspruch einbringt: “Ich kenne euch nicht”?Ez54 242.3
Tausende handeln so. Sie glauben ihren Kindern die Segnungen des Evangeliums zu sichern, während sie doch seinen Geist verleugnen. Aber so etwas geht nicht. Wer die Gnade einer Gemeinschaft des Dienstes mit Christus zurückweist, lehnt damit die einzige Erziehung ab, die uns fähig macht, einmal an seiner Herrlichkeit teilzuhaben. Er verwirft die Schule, die uns in diesem Leben charakterliche Stärke und inneren Adel verleiht. Mancher Vater und manche Mutter, die von ihren Kindern das Kreuz Christi fernhielten, haben zu spät erfahren, daß sie sie damit dem Widersacher Gottes und der Menschen auslieferten. Sie besiegelten damit nicht nur für die Zukunft, sondern auch für dieses Leben das Verderben ihrer Kinder. Diese wurden von der Versuchung überwältigt. Sie wuchsen auf ein Fluch für die Welt und bereiteten denen Kummer und Schande, die ihnen das Leben geschenkt hatten.Ez54 242.4
Selbst in dem Bestreben, sich für den Dienst Gottes vorzubereiten, verlieren viele junge Leute durch falsche Ausbildungsmethoden das Ziel aus dem Auge. Es ist viel zu sehr üblich, das Leben als aus verschiedenen Abschnitten zusammengesetzt anzusehen: aus der Zeit des Lernens und der Zeit des Handelns, aus Vorbereitung und Durchführung. Zur Vorbereitung für ein Leben des Dienstes werden die jungen Leute in die Schule geschickt, um sich durch das Studium von Büchern Wissen anzueignen. Abgeschnitten von den Verantwortlichkeiten des Alltags, vertiefen sie sich ins Lernen und übersehen dabei oft den eigentlichen Zweck ihres Studiums. Die Glut ihrer ersten Hingabe erstirbt, und nur zu viele verfallen dann in einen persönlichen, selbstischen Ehrgeiz. Tausende haben nach ihrer Prüfung die Fühlung mit dem Leben verloren. Sie haben sich so lange mit dem Abstrakten und Theoretischen befaßt, daß sie unvorbereitet sind, wenn sie sich mit allen Fasern ihres Wesens einsetzen müssen, um die Wirklichkeit des harten Daseinskampfes zu bestehen. Statt in dem angestrebten edlen Werk gehen ihre Kräfte ganz im Ringen um die bloße Existenz auf. Nach wiederholten Enttäuschungen verzweifeln viele selbst daran, ihren Lebensunterhalt redlich verdienen zu können, und versinken in fragwürdige oder verbrecherische Gewohnheiten. Die Welt aber ist des Dienstes beraubt, den sie hätte empfangen können, und Gott ist der Seelen beraubt, die er so gern aufrichten, veredeln und als seine Beauftragten ehren wollte.Ez54 243.1
Viele Eltern begehen den Fehler, in Erziehungsangelegenheiten einen Unterschied zwischen ihren Kindern zu machen. Sie bringen fast jedes Opfer, um dem aufgeweckten und begabten die größten Vorteile zu sichern. Aber für das weniger versprechende Kind erachten sie es nicht als notwendig, ihm besondere Gelegenheiten zu bieten. Sie denken, zur Erfüllung der Pflichten des Alltags bedürfe es keiner großen Ausbildung.Ez54 243.2
Wer aber ist fähig, aus einer Familie die Kinder herauszusuchen, auf denen einmal die wichtigste Verantwortung ruhen wird? Wie oft hat sich das menschliche Urteil hier geirrt! Man erinnere sich an die Erfahrung Samuels, als er ausgesandt war, einen der Söhne Isais zum König über Israel zu wählen. Sieben stattliche junge Männer gingen an ihm vorüber. Als der Prophet auf den ersten blickte, der anmutige Züge, eine wohlgewachsene Gestalt und eine fürstliche Haltung aufwies, rief er aus: “Sicherlich steht hier vor dem Herrn der, den er zu seinem Gesalbten machen will.” Aber Gott sprach: “Siehe nicht an seine Gestalt noch seine große Person; ich habe ihn verworfen. Denn es geht nicht, wie ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.” So lautete denn das Zeugnis von allen sieben: “Der Herr hat der keinen erwählt.” 1.Samuel 16,6 (Menge). Erst als David von der Herde herbeigerufen wurde, konnte der Prophet seinen Auftrag erfüllen.Ez54 244.1
Die älteren Brüder, von denen Samuel einen erwählt hätte, besaßen nicht die Voraussetzungen, die Gott für einen Herrscher über sein Volk als notwendig erachtete. Stolz, egoistisch und selbstvertrauend, wie sie waren, wurden sie beiseitegesetzt um des einen willen, von dem sie nicht viel hielten, der sich die Schlichtheit und Aufrichtigkeit seiner Jugend bewahrt hatte und der, obwohl er sich für klein hielt, doch von Gott für die Verantwortlichkeiten des Königtums erzogen werden konnte. So sieht Gott auch heute noch in manchen Kindern, an denen die Eltern vorübergehen würden, Befähigungen, die weit über das hinausgehen, was andere, für vielversprechend gehaltene, aufweisen.Ez54 244.2
Und denken wir an die Möglichkeiten, die das Leben in sich birgt: wer vermag hier zu entscheiden, was groß und was klein sei? Wie mancher sich in den Niederungen des Lebens Mühende hat durch das Auslösen weltbeglückender Kräfte Ergebnisse erzielt, um die ihn Könige beneiden könnten!Ez54 244.3
Jedem Kinde lasse man deshalb eine Ausbildung für den höchsten Dienst zuteil werden. “Frühe säe deinen Samen und laß deine Hand des Abends nicht ab; denn du weißt nicht, ob dies oder das geraten wird.” Prediger 11,6.Ez54 245.1
Der besondere uns im Leben zugewiesene Platz wird durch unsere Fähigkeiten bestimmt. Nicht alle Menschen entwickeln sich auf die gleiche Höhe oder verrichten mit gleicher Leistungskraft dieselbe Arbeit. Gott erwartet vom Ysop nicht, daß er die Ausmaße der Zeder gewinne, oder vom Olivenbaum, daß er zur Höhe der stattlichen Palme emporwachse. Aber jeder sollte sein Ziel so hoch stecken, wie es der Vereinigung göttlicher mit menschlicher Kraft erreichbar ist.Ez54 245.2
Viele werden nicht zu dem, was aus ihnen werden könnte, weil sie die Kraft, die in ihnen steckt, nicht aufbieten. Sie ergreifen nicht in dem Maße die Hand der Allmacht, wie es ihnen möglich wäre. Viele werden von dem Wege abgebracht, auf dem sie den echtesten Erfolg erzielen könnten. In dem Streben nach größerer Ehre oder nach angenehmeren Aufgaben nehmen sie etwas in Angriff, für das sie nicht gerüstet sind. Gar mancher, dessen Gaben ihn zu einem anderen Beruf geschickt machen, hat den Ehrgeiz, eine geistige Tätigkeit auszuüben; er also, der ein tüchtiger Landwirt, Handwerker oder Krankenpfleger sein könnte, füllt nur unzulänglich die Stellung eines Predigers, eines Rechtsanwaltes oder eines Arztes aus. Dann gibt es wiederum andere, die ein verantwortungsvolles Amt hätten innehaben können und die sich doch aus Mangel an Tatkraft, Fleiß oder Ausdauer mit einem leichteren Posten zufriedengeben.Ez54 245.3
Wir müssen uns genauer an den göttlichen Lebensentwurf halten. In jeder nächstliegenden Arbeit unser Bestes zu leisten, unsere Wege Gott anzubefehlen und die Winke seiner Vorsehung zu beachten das sind Regeln, die bei der Wahl eines Berufes sichere Führung verbürgen.Ez54 245.4
Er, der vom Himmel herabkam, um unser Vorbild zu sein, verbrachte fast dreißig Jahre seines Lebens bei gewöhnlicher handwerklicher Tätigkeit. Aber während dieser Zeit studierte er die Worte und die Werke Gottes. Auch half er allen in seinem Einflußbereich und lehrte sie. Als er sein öffentliches Predigtamt antrat, ging er umher, heilte die Kranken, tröstete die Traurigen und verkündigte das Evangelium den Armen. Das ist auch die Aufgabe aller seiner Nachfolger.Ez54 245.5
“Der Größte unter euch”, so sagte er, “soll sein wie der Jüngste, und der Vornehmste wie ein Diener. Denn ... ich ... bin unter euch wie ein Diener.” Lukas 22,26.27.Ez54 246.1
Liebe und Treue zu Christus bilden die Quelle jedes echten Dienstes. In einem Herzen, das durch seine Liebe berührt wurde, entsteht ein Verlangen danach, für ihn zu wirken. Diese Sehnsucht gilt es zu stärken und richtig zu lenken. Ob im Heim, in der Nachbarschaft oder in der Schule man sollte die Anwesenheit eines Armen, Betrübten, Unwissenden oder Elenden nicht als Mißgeschick, wohl aber als kostbare Gelegenheit zum Dienen betrachten.Ez54 246.2
Zu diesem Werk wird man wie bei jedem anderen durch die Arbeit selbst geschickt. Durch Übung in den alltäglichen Pflichten des Lebens, im Dienst an den Bedürftigen und Leidenden erwirbt man sich Tüchtigkeit. Andernfalls erweisen sich die bestgemeinten Anstrengungen oft als nutzlos und sogar schädlich. Im Wasser, nicht auf dem Lande, lernt der Mensch schwimmen.Ez54 246.3
Eine andere Verpflichtung, die man nur zu oft zu leicht nimmt, die aber dem jungen Menschen, der den Ruf Christi vernommen hat, klargemacht werden muß, ist die Bindung an die Gemeinde.Ez54 246.4
Die Beziehung zwischen Christus und seiner Gemeinde ist sehr innig und heilig: er verkörpert den Bräutigam und sie die Braut, er das Haupt und sie den Leib. Die Verbindung mit Christus schließt also auch die Zugehörigkeit zu seiner Gemeinde in sich. Die Gemeinde ist zum Dienen bestellt; in einem Leben des Dienstes für Christus bildet deshalb der Anschluß an die Gemeinschaft der Gläubigen einen der ersten Schritte. Treue zu Christus erfordert die gewissenhafte Erfüllung von Pflichten in der Gemeinde. Dies macht einen wichtigen Teil der Erziehung aus; und eine Gemeinde, die vom Leben des Meisters durchdrungen ist, wird dadurch unmittelbar zu Bemühungen für die Menschen draußen getrieben.Ez54 246.5
Es gibt viele Gebiete, auf denen die Jugend Gelegenheit zum Hilfsdienst finden kann. Laßt sie christliche Helfergruppen bilden; dieses Zusammenwirken wird manchen stützen und ermutigen. Eltern und Lehrer, die die Unternehmungen der jungen Leute lebhaft verfolgen, werden ihnen mit ihrer eigenen größeren Erfahrung nützen und ihren Bemühungen zu fruchtbarster Wirkung verhelfen können.Ez54 247.1
Eine Sache kennen führt zu Teilnahme, und Teilnahme treibt zu wirksamem Dienst. Man mache die Kinder und Jugendlichen, um in ihnen das Mitgefühl und den Opfergeist für die leidenden Millionen in “fernen Landen” zu wecken, mit diesen Gebieten und ihrer Bevölkerung vertraut. In dieser Hinsicht könnten unsere Schulen viel bewirken. Statt bei den Ruhmestaten von Geschichtshelden, wie Alexander und Napoleon, zu verweilen, lasse man die Schüler das Leben von Männern, wie Paulus und Martin Luther, wie Moffat, Livingstone und Carey, studieren. Dazu käme die Entwicklung der Mission, wie sie sich bis zur Stunde vor unseren Augen abspielt. Statt das Gedächtnis mit einem Wust von Namen und Theorien zu belasten, die keine Beziehung zum Leben der Schüler haben und denen sie außerhalb des Schulzimmers kaum Beachtung schenken, lasse man sie alle Länder im Lichte missionarischer Bemühungen betrachten und sich mit den Völkern und ihren Nöten befassen.Ez54 247.2
Im gegenwärtigen Schlußabschnitt der Evangeliumsverkündigung ist ein weites Feld zu bearbeiten, und mehr als je zuvor müssen Helfer aus dem einfachen Volk mit herangezogen werden. Der Meister wird Jugendliche und bejahrtere Personen vom Acker, vom Weinberg und von der Werkbank weg berufen und sie als Träger seiner Botschaft hinaussenden. Viele von ihnen hatten kaum Gelegenheit zur Ausbildung, aber Christus sieht Eigenschaften in ihnen, die sie zur Durchführung seines Planes befähigen. Wenn sie sich mit ganzem Herzen ans Werk begeben und Lernende bleiben, wird er sie zu seinem Dienst tüchtig machen.Ez54 247.3
Er, der die Tiefen des Elends und der Verzweiflung dieser Welt kennt, weiß auch, was helfen kann. Allenthalben sieht er Seelen in der Finsternis, die von Sünde, Leid und Schmerz niedergebeugt sind. Aber er nimmt auch wahr, welche Möglichkeiten in ihnen schlummern; er erkennt, zu welchen Höhen sie emporzuklimmen vermögen. Obzwar irdische Wesen die Gnadenerweisungen des Himmels mißbraucht, ihre Gaben vergeudet und die Würde gottähnlichen Menschentums verloren haben, soll doch der Schöpfer in ihrer Erlösung verherrlicht werden.Ez54 248.1
Die Verpflichtung, für diese Hilfsbedürftigen an den rauhen Örtern der Erde zu wirken, legt Christus auf die Menschen, die mit den Unwissenden und Irrenden mitfühlen können. Er ist zur Stelle, um denen zu helfen, deren Herz das Mitleid kennt, mögen auch ihre Hände rauh und ungeschult sein. Er wird durch solche Menschen wirken, die im Elend noch Gnade und im Verlust noch einen möglichen Gewinn sehen. Wenn uns das Licht der Welt begegnet, werden wir Gnade in der Mühsal, Ordnung im Wirrwarr und Erfolg im scheinbaren Fehlschlag entdecken. Unglück zeigt sich dann als verhüllter Segen und Leid als Barmherzigkeit. Mitarbeiter Christi aus dem einfachen Volke, die die Kümmernisse ihrer Mitmenschen teilen, so wie ihr Meister die Leiden der ganzen Menschheit mittrug, werden im Glauben den Herrn an ihrer Seite wirken sehen.Ez54 248.2
“Des Herrn großer Tag ist nahe; er ist nahe und eilt sehr.” Zephanja 1,14. Und es gilt, eine Welt zu warnen. Tausende und aber Tausende von jungen und älteren Leuten sollten sich nach bestmöglicher Vorbereitung diesem Werk widmen. Schon erwidern viele Herzen den Ruf des Meisters, und ihre Zahl wird noch zunehmen. Jeder christliche Erzieher möge solchen Helfern freundschaftliche Teilnahme entgegenbringen und mit ihnen zusammenwirken. Er sollte die ihm anvertraute Jugend ermutigen und unterstützen, wenn sie sich darauf vorbereitet, in die Reihen der Missionsfreiwilligen einzutreten.Ez54 248.3
Es gibt kein Arbeitsgebiet, auf dem der Jugend größerer Segen erwachsen könnte. Alle, die sich dem Amt der Verkündigung weihen, verkörpern Gottes helfende Hand. Sie sind Mitarbeiter der Engel; besser noch: sie bilden die menschlichen Werkzeuge, mit Hilfe derer die Engel ihren Auftrag ausrichten. Himmlische Boten reden durch ihren Mund und wirken durch ihre Hand. Die menschlichen Mitarbeiter ziehen im Zusammenwirken mit himmlischen Wesen Nutzen aus deren Erziehung und Erfahrung. Welcher Universitätslehrgang kann sich als Bildungsweg damit vergleichen?Ez54 249.1
Wie bald könnte mit einem Heer von Mitarbeitern, wie es unsere Jugend bei richtiger Erziehung zu stellen vermag, die Botschaft von einem gekreuzigten, auferstandenen und bald wiederkommenden Heiland der ganzen Welt gebracht werden! Wie schnell könnte das Ende kommen der Abschluß aller Leiden, Kümmernisse und Sünden! Wie bald dürften unsere Kinder statt eines irdischen Besitztums, dem Schuld und Weh anhaften, ihr Erbe in Empfang nehmen. “Die Gerechten erben das Land und bleiben ewiglich darin”, und “kein Einwohner wird sagen: Ich bin schwach”, und man wird nie mehr “die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens” (Psalm 37,29; Jesaja 33,24; Jesaja 65,19) hören.Ez54 249.2