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Erziehung

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    Kapitel 7: Aus dem Leben großer Männer

    “Die Frucht des Gerechten ist ein Baum des Lebens.”

    Die biblische Geschichte bietet manches Beispiel für den Erfolg wahrer Erziehung. Sie weist viele vorbildliche Menschen auf, deren Charakter unter göttlicher Anleitung geformt wurde. Es waren Männer, deren Leben ihren Mitmenschen zum Segen gereichte und die Gott ehrenvoll auf Erden vertraten. Joseph und Daniel befinden sich darunter, Mose, Elisa und Paulus — die größten Staatsmänner, der weiseste Gesetzgeber, einer der gewissenhaftesten Reformatoren und — abgesehen von dem, der redete wie nie ein Mensch — der berühmteste Lehrer, den diese Welt gekannt hat.Ez54 45.1

    Schon früh im Leben, gerade beim Übergang vom Jugend zum Mannesalter, wurden Joseph und Daniel aus ihren Heimen gerissen und als Gefangene in heidnische Länder gebracht. Besonders Joseph war den Versuchungen ausgesetzt, die große Wechselfälle des Geschicks begleiten. Daheim bei seinem Vater das zärtlich gehegte Kind, im Hause Potiphars ein Sklave, dann der Vertraute und Gefährte, der durch Studium, Beobachtung und Umgang mit Menschen gebildete Verwalter, in Pharaos Kerker ein zu Unrecht verurteilter Staatsgefangener ohne Hoffnung auf Rechtfertigung, ohne Aussicht auf Entlassung, in einer schweren Notzeit dann zum Führer der Nation berufen wie konnte er bei allem seine Redlichkeit bewahren?Ez54 45.2

    Niemand kann gefahrlos auf stolzer Höhe stehen. Gleich dem Gewittersturm, der die Blume des Tales unversehrt läßt und den Baum auf dem Gipfel des Berges entwurzelt, überfallen den, der hohe Erfolgs und Ehrenstellungen in der Welt einnimmt, heftige Versuchungen, die den Niedrigstehenden unberührt lassen. Aber Joseph bestand die Probe der Widerwärtigkeiten ebenso wie die des Glückes. Er bewies im Palast der Pharaonen die gleiche Treue wie in der Gefängniszelle.Ez54 45.3

    In seiner Kindheit war Joseph die Liebe zu Gott und die Ehrfurcht vor ihm eingeprägt worden. Oft hatte man ihm im Zelte seines Vaters, unter dem syrischen Sternenhimmel, von der nächtlichen Vision bei Bethel erzählt von der Himmelsleiter, von den auf und niedersteigenden Engeln und von dem, der sich von dem Throne aus der Höhe Jakob offenbarte. Man hatte ihm auch von der kämpferischen Begegnung am Jabbok berichtet, aus der Jakob durch den Verzicht auf bisher gehegte Sünden als Überwinder hervorgegangen war und dann den Titel eines Fürsten Gottes erhalten hatte.Ez54 46.1

    Das reine und einfache Leben des Hirtenknaben, der die Herden seines Vaters hütete, hatte bei Joseph die Entwicklung seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten günstig beeinflußt. Die Begegnung mit Gott durch die Natur und durch das Studium der großen Wahrheiten, die als heiliges Vermächtnis vom Vater auf den Sohn übergingen, verlieh ihm Stärke des Geistes und Grundsatzfestigkeit.Ez54 46.2

    In der größten Krise seines Lebens, als er jene schreckliche Reise von der Stätte seiner Kindheit in Kanaan nach dem Diensthause, das seiner in Ägypten wartete, machte und den Hügeln, die die Zelte seiner Angehörigen verbargen, einen letzten Blick zuwarf, da erinnerte sich Joseph an den Gott seines Vaters. Die Lehren der Kindheit fielen ihm wieder ein, und seine Seele durchbebte der Entschluß, sich als treu zu erweisen, ja, immer so zu handeln, wie es einem Untertan des himmlischen Königs geziemt.Ez54 46.3

    Joseph teilte dann das bittere Los eines Sklaven und Fremdlings. Er sah und hörte alle Äußerungen des Lasters, erlebte alle Verlockungen eines heidnischen Götzendienstes, der sich mit allen Reizen der Kultur und des Reichtums und mit königlichem Pomp umgab. Dennoch blieb er standhaft. Er hatte gelernt, was Pflichttreue bedeutet. Durch Gewissenhaftigkeit in jeder Stellung — von der niedrigsten bis zur gehobensten reiften all seine Anlagen zu höchster Verwendungsfähigkeit.Ez54 46.4

    Zu der Zeit, als er an den Hof Pharaos gerufen wurde, war Ägypten die berühmteste aller Nationen. In Kultur, Kunst und Gelehrsamkeit war sie unübertroffen. Joseph lenkte die Staatsgeschäfte in einer Zeit äußerster Schwierigkeit und Gefahr; doch er tat dies auf eine Weise, die ihm das Vertrauen des Königs und des Volkes verschaffte. Pharao machte ihn zum “Herrn über sein Haus, zum Herrscher über alle seine Güter daß er seine Fürsten unterwiese nach seiner Weise und seine Ältesten Weisheit lehrte”. Psalm 105,21.22. Höhere Eingebung hat uns das Lebensgeheimnis Josephs kundgetan. Als Jakob den Segen über seine Kinder aussprach äußerte er in Worten von göttlicher Kraft und Schönheit folgendes über seinen liebsten Sohn:Ez54 46.5

    “Joseph wird wachsen,
    Er wird wachsen wie ein Baum an der Quelle,
    Daß die Zweige emporsteigen über die Mauer.
    Und wiewohl ihn die Schützen erzürnen und wider ihn kriegen und ihn verfolgen,
    So bleibt doch sein Bogen fest
    Und die Arme seiner Hände stark
    Durch die Hände des Mächtigen in Jakob ...
    Von deines Vaters Gott ist dir geholfen,
    Und von dem Allmächtigen bist du gesegnet
    Mit Segen oben vom Himmel herab,
    Mit Segen von der Tiefe, die unten liegt ...
    Die Segen deines Vaters gehen stärker
    Denn die Segen meiner Voreltern
    Nach Wunsch der Hohen in der Welt,
    Und sollen kommen auf das Haupt Josephs
    Und auf den Scheitel des Geweihten unter seinen
    Brüdern.” 1.Mose 49,22-26.
    Ez54 47.1

    Treue zu Gott, Glaube an den Unsichtbaren hierin war Josephs Leben verankert, hier lag das Geheimnis seiner Kraft:Ez54 47.2

    ... Und die Arme seiner Hände stark durch die Hände des Mächtigen in Jakob ...Ez54 47.3

    *****

    Daniel und seine Gefährten zu Babylon waren in ihrer Jugend offenbar mehr vom Glück begünstigt als Joseph in den ersten Jahren seines Aufenthalts in Ägypten. Doch sie wurden kaum weniger harten Charakterproben unterworfen. Aus der verhältnismäßig schlichten Umgebung ihrer judäischen Heimat wurden diese jungen Leute aus königlichem Geschlecht in die prächtigste aller Städte, an den Hof des größten Monarchen versetzt. Man suchte sie aus, um sie zu besonderem Dienst beim König auszubilden. Schwer waren die Versuchungen, die sie an jenem lasterhaften und verschwenderischen Hofe umgaben. Die Tatsache, daß sie, die Anbeter Jahwes Gefangene Babels waren, daß man die Gefäße aus dem Hause Gottes in den Tempel der babylonischen Götter gebracht hatte, daß sich der König von Israel selbst als Gefangener in den Händen der Babylonier befand, wurde protzig von den Siegern als Beweis dafür angeführt, daß ihre Religion und ihr Brauchtum dem Glauben und den Sitten der Hebräer überlegen seien. Unter solchen Umständen: durch eben die Demütigungen, die Israels Abweichen von den Geboten heraufbeschworen hatte, hindurch, bezeugte Gott Babylon seine Oberherrschaft, die Heiligkeit seiner Forderungen und die unausbleibliche Frucht des Gehorsams. Dieses Zeugnis gab er, wie es einzig und allein geschehen konnte, durch die Menschen, die immer noch an ihrer Treue zu ihm festhielten.Ez54 48.1

    Gleich zu Anfang ihrer Laufbahn kam es für Daniel und seine Gefährten zu einer entscheidenden Probe. Die Anweisung, daß ihre Nahrung vom königlichen Tisch geliefert werden sollte, war ein Ausdruck der Gunst des Königs und seiner Besorgtheit um ihr Wohlergehen. Da jedoch ein Teil der Gerichte den Götzen dargebracht wurde, war die Speise von des Königs Tisch der Abgötterei geweiht. Durch die Entgegennahme der königlichen Gunst hätten diese jungen Leute den Anschein erweckt, als ob sie sich seiner Huldigung falscher Götter anschlössen. Die Treue zu Jahve verbot ihnen, an solcher Ehrenbezeigung teilzunehmen. Auch wagten sie es nicht, sich den entnervenden Folgen von Schwelgereien und Zerstreuungen für ihre körperliche, geistige und seelische Entwicklung auszusetzen. Daniel und seine Gefährten waren in den Grundsätzen des Wortes Gottes gewissenhaft unterrichtet worden. Sie hatten gelernt, das Irdische dem Göttlichen zu opfern und die höchsten Güter zu erstreben. Und sie ernteten auch den Lohn. Ihre ständig geübte Mäßigkeit und ihr Sinn für ihre Verantwortung als Beauftragte Gottes führten zu edelster Entfaltung der körperlichen, geistigen und seelischen Anlagen. Nach Abschluß ihrer Ausbildung, als sie mit weiteren Anwärtern geprüft wurden, ob sie einer Ehrenstellung im Königreich würdig wären, “ward unter allen niemand gefunden, der Daniel, Hananja, Misael und Asarja gleich wäre”. Daniel 1,19.Ez54 48.2

    Am Hofe zu Babylon waren Vertreter aller Länder versammelt, Männer von auserlesenstem Talent, Leute, die sehr reich mit natürlichen Gaben ausgestattet waren und über die höchste Bildung verfügten, die diese Welt verleihen konnte; doch unter ihnen allen fanden die hebräischen Gefangenen nicht ihresgleichen. An körperlicher Kraft und Schönheit, an Geistesschärfe und Gelehrsamkeit nahm es niemand mit ihnen auf. “Und der König fand sie in allen Sachen, die er sie fragte, zehnmal klüger und verständiger denn alle Sternseher und Weisen in seinem ganzen Reich.” Daniel 1,20.Ez54 49.1

    Daniel wankte nicht in seiner Treue Gott gegenüber und war unnachgiebig in der Beherrschung des eigenen Ichs. So gewannen ihm sein edles Auftreten und seine höfliche Ehrerbietung schon in jungen Jahren die “Gunst” und “Gnade” des heidnischen Beamten, unter dessen Obhut er sich befand. Dieselben Züge prägten auch sein ganzes Leben. Rasch rückte er in die Stellung des ersten Ministers im Königreich auf. Während der Regierungszeit aufeinanderfolgender Monarchen, während des Niedergangs der Nation und der Gründung eines Rivalenreiches offenbarte er solch große Weisheit und staatsmännische Kunst, so viel Takt, Höflichkeit und echte Herzensgüte, die sich mit Grundsatztreue paarten, daß sogar seine Feinde gestehen mußten, “daß man keine Schuld noch Übeltat an ihm finden mochte”, “denn er war treu”. Daniel 6,5.Ez54 49.2

    Während Daniel sich mit unerschütterlichem Vertrauen an Gott klammerte, kam der Geist der Prophetie über ihn. Von Menschen wurde er ausgezeichnet, indem man ihm die Verantwortlichkeiten des Hofes übertrug und ihn in die Staatsgeheimnisse einweihte. Gott aber ehrte ihn als seinen Gesandten und befähigte ihn, die Rätsel kommender Zeitalter zu deuten. Heidnische Monarchen sahen sich durch den Umgang mit dem Botschafter des Himmels gezwungen, den Gott Daniels anzuerkennen. “Es ist kein Zweifel”, erklärte Nebukadnezar, “euer Gott ist ein Gott über alle Götter und ein Herr über alle Könige, der da kann verborgene Dinge offenbaren.” Und Darius pries in seiner öffentlichen Botschaft an “alle Völker, Leute und Zungen auf der ganzen Erde ... den Gott Daniels” als den “lebendigen Gott, der ewiglich bleibt, und sein Königreich ist unvergänglich, und seine Herrschaft hat kein Ende”, der “ein Erlöser und Nothelfer” ist und “Zeichen und Wunder” tut “im Himmel und auf Erden”. Daniel 2,47; Daniel 6,26-28.Ez54 50.1

    *****

    Durch ihre Weisheit und Gerechtigkeit, durch die Reinheit und den wohltätigen Einfluß ihres täglichen Lebens, durch ihr eifriges Bedachtsein auf das Wohl der Menschen, die ihrerseits ja Götzen anbeteten, bewiesen Joseph und Daniel ihre Treue zu den Grundsätzen ihrer früheren Erziehung und zu Gott, dessen Vertreter sie waren. Sowohl in Ägypten als auch in Babylon ehrte eine ganze Nation diese Männer; das betreffende heidnische Volk und all die andern Völkerschaften, mit denen es in Verbindung stand, erlebten an ihnen beispielhaft die Güte und Barmherzigkeit Gottes und auch die Liebe Christi.Ez54 50.2

    Welch ein Lebenswerk vollbrachten doch diese edlen Hebräer! Wie wenig ahnten sie von ihrer hohen Bestimmung, als sie ihrem Vaterhause Lebewohl sagten! Treu und standhaft unterstellten sie sich der göttlichen Führung, so daß Gott seine Absicht durch sie erfüllen konnte.Ez54 50.3

    Dieselben machtvollen Wahrheiten, die durch diese Männer enthüllt wurden, möchte Gott so gerne durch die Jugendlichen und Kinder unserer Tage offenbaren. Die Geschichte Josephs und Daniels ist ein Beispiel dafür, was er für jene tun will, die sich ihm übergeben und von ganzem Herzen seine Pläne auszuführen suchen.Ez54 50.4

    Was die Welt am nötigsten braucht, das sind Männer, Männer, die sich nicht kaufen noch verkaufen lassen, Männer von innerster Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit, Männer, die sich nicht fürchten, die Sünde bei ihrem rechten Namen zu nennen, Männer, deren Gewissen so genau zur Pflicht steht wie die Magnetnadel zum Pol, Männer, die für das Recht eintreten und ob auch der Himmel einstürzte.Ez54 51.1

    Aber ein solcher Charakter ist nicht das Ergebnis des Zufalls; man verdankt ihn nicht einer besonderen Gunst oder Gabe der Vorsehung. Ein edler Charakter ist die Frucht der Selbstbeherrschung, der Unterwerfung unserer niederen Natur unter die höhere, der Übergabe des eigenen Ichs zum Dienst der Liebe an Gott und Menschen.Ez54 51.2

    Der Jugend muß die Wahrheit eingeprägt werden, daß ihre Gaben nicht ihr eigen sind. Kraft, Zeit und Verstand sind nur geliehene Schätze. Sie gehören Gott, und jeder Jugendliche sollte entschlossen sein, sie zu höchstem Nutzen einzusetzen; stellt er doch einen Zweig dar, von dem Gott Frucht erwartet; einen Haushalter, dessen Kapital Erträge abwerfen muß; ein Licht, das die dunkle Welt erleuchten soll.Ez54 51.3

    Jeder junge Mensch, jedes Kind hat zur Ehre Gottes und zur Hebung der Menschheit eine Aufgabe zu erfüllen.Ez54 51.4

    *****

    Der Prophet Elisa verbrachte seine Jugend in der Stille ländlichen Lebens, wo Gott und die Natur seine Lehrer waren und nützliche Arbeit ihn in zuchtvolle Bahnen lenkte. In einer Zeit fast allgemeinen Abfalls gehörte seine väterliche Familie zu der Zahl derer, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt hatten. Sie nannte ein Heim ihr eigen, wo Gott geehrt wurde und wo Pflichttreue selbstverständlich war.Ez54 51.5

    Als Sohn eines wohlhabenden Bauern hatte Elisa die Tätigkeit ergriffen, die am nächsten lag. Obgleich er Führerfähigkeiten besaß, wurde er dazu angehalten, alle vorkommenden Arbeiten zu verrichten. Um weise anleiten zu können, mußte er Gehorsam lernen. Durch Treue im Kleinen bereitete er sich für gewichtige Verantwortungen vor.Ez54 52.1

    Elisa war demütigen und sanften Gemüts, aber er besaß auch Energie und Standhaftigkeit. Liebe zu Gott und Ehrfurcht vor ihm galten ihm viel, und durch die schlichte Erfüllung seiner täglichen Pflichten bildeten sich Zielstrebigkeit und Seelenadel bei ihm heraus. Dabei nahm er zu an göttlicher Gnade und Erkenntnis. Während er dem Vater bei seinem Tagewerk half, lernte er gleichzeitig, mit Gott zusammenzuwirken.Ez54 52.2

    Der Ruf zum Propheten erreichte Elisa, während er mit den Knechten seines Vaters auf dem Felde pflügte. Als Elia, der unter der Leitung Gottes nach einem Nachfolger ausschaute, seinen Mantel über die Schultern des jungen Mannes warf, verspürte Elisa den Ruf und gehorchte. Er “folgte Elia nach und diente ihm”. 1.Könige 19,21. Zunächst war es nichts Großes, was von Elisa erwartet wurde; noch mußte er sich belanglosen Alltagsmühen unterziehen. Es wird von ihm berichtet, daß er Wasser auf die Hände Elias, seines Meisters, goß. Als persönlicher Begleiter des Propheten erwies er sich weiterhin treu in kleinen Dingen, während er sich mit wachsender Zielstrebigkeit dem Auftrag hingab, der ihm von Gott geworden war.Ez54 52.3

    Gleich bei seiner Berufung war seine Entschlossenheit auf die Probe gestellt worden. Als er sich umwandte, um Elia zu folgen, hatte ihm der Prophet befohlen, nach Hause zurückzukehren. Er sollte die Kosten überschlagen und für sich selbst entscheiden, ob er den Ruf annahm oder zurückwies. Doch Elisa begriff die Bedeutung der Stunde. Um keines weltlichen Vorteils willen wollte er die Möglichkeit, ein Bote Gottes zu werden, drangeben oder auf das Vorrecht verzichten, mit des Herrn Diener Seite an Seite zu wirken.Ez54 52.4

    Als die Zeit verging und Elia auf die Entrückung vorbereitet wurde, wurde auch Elisa als Nachfolger ausgerüstet. Und wieder wurden sein Glaube und seine Entschlossenheit geprüft. Während er Elia bei dessen Prophetendiensten begleitete und wußte, daß der Wechsel bald eintreten werde; wurde er wiederholt von dem Mann Gottes aufgefordert, umzukehren. “Bleib doch hier”, sagte Elia, “denn der Herr hat mich gen Bethel gesandt.” Aber Elisa hatte bei seiner früheren Arbeit am Pflug gelernt, weder zu versagen noch aufzugeben; und nun, da er in einem anderen Sinne die Hand an den Pflug gelegt hatte, wollte er sich nicht von seinem Vorsatz abbringen lassen. Sooft die Aufforderung an ihn erging, umzukehren, war seine Antwort: “So wahr der Herr lebt und deine Seele, ich verlasse dich nicht.” 2.Könige 2,2.Ez54 52.5

    “Und gingen die beiden miteinander; ... aber die beiden standen am Jordan. Da nahm Elia seinen Mantel und wickelte ihn zusammen und schlug ins Wasser; das teilte sich auf beide Seiten, daß die beiden trocken hindurchgingen. Und da sie hinüberkamen, sprach Elia zu Elisa: Bitte, was ich dir tun soll ehe ich von dir genommen werde. Elisa sprach: Daß mir werde ein zwiefältig Teil von deinem Geiste. Er sprach: Du hast ein Hartes gebeten. Doch, so du mich sehen wirst, wenn ich von dir genommen werde, so wird’s ja sein; wo nicht, so wird’s nicht sein. Und da sie miteinander gingen und redeten, siehe, da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen, die schieden die beiden voneinander; und Elia fuhr also im Wetter gen Himmel.Ez54 53.1

    Elisa aber sah es und schrie: Mein Vater, mein Vater, Wagen Israels und seine Reiter! und sah ihn nicht mehr. Und er faßte seine Kleider und zerriß sie in zwei Stücke und hob auf den Mantel Elia’s, der ihm entfallen war, und kehrte um und trat an das Ufer des Jordans und nahm den Mantel Elia’s, der ihm entfallen war, und schlug ins Wasser und sprach: Wo ist nun der Herr, der Gott Elia’s ? und schlug ins Wasser; da teilte sich’s auf beide Seiten, und Elisa ging hindurch. Und da ihn sahen der Propheten Kinder, die gegenüber zu Jericho waren, sprachen sie: Der Geist Elia’s ruht auf Elisa; und gingen ihm entgegen und fielen vor ihm nieder zur Erde.” 2.Könige 2,6-15.Ez54 53.2

    Fortan nahm Elisa die Stelle Elias ein. Und er, der im Geringsten treu gewesen war, erwies sich auch im Großen treu. Elia, der Mann der Stärke, war Gottes Werkzeug bei der Beseitigung ungeheurer Übelstände gewesen. Die Abgötterei, die, von Ahab und der heidnischen Isebel gefördert, das Volk verführt hatte, war ausgerottet worden. Baals Propheten hatte der Tod ereilt. Das ganze Volk Israel war tief aufgewühlt worden, und viele wandten sich wieder der Anbetung Gottes zu. Als Nachfolger Elias tat jemand not, der Israel in sorgfältiger, geduldiger Unterweisung sicher leiten konnte. Elisas frühe gottgelenkte Erziehung hatte ihn für dieses Werk vorbereitet.Ez54 54.1

    Wir alle können daraus lernen. Keiner kann wissen, was Gott mit ihm vorhat, wenn er ihn in seine Schule nimmt; aber jeder mag sicher sein, daß Treue im Kleinen den Beweis dafür liefert, daß man größeren Verantwortungen gewachsen ist. Jede Handlung im Leben offenbart den Charakter, und nur den, der sich in kleinen Pflichten als ein “rechtschaffener und unsträflicher Arbeiter” erweist, ehrt Gott, indem er ihn mit Schwererem betraut.Ez54 54.2

    *****

    Jünger als Joseph oder Daniel war Mose, als er der schützenden Obhut seines Elternhauses entzogen wurde; doch schon hatten dieselben Mächte, die das Leben jener gestalteten, dem seinen die Form gegeben. Nur zwölf Jahre verbrachte er bei seinen hebräischen Angehörigen; aber während dieser Zeit wurde der Grund zu seiner Größe gelegt, und zwar durch die Hand einer Person, von der das Ruhmesblatt nicht viel zu berichten weiß.Ez54 54.3

    Jochebed war Frau und Sklavin. Ein bescheidenes Los fiel ihr im Leben zu, ihre Bürde wog schwer. Doch mit Ausnahme Marias von Nazareth hat die Welt durch keine Frau größeren Segen erfahren. Da sie wußte, daß sie ihr Kind bald aus ihrer Pflege in die Vormundschaft derer, die Gott nicht kannten, übergeben mußte, bemühte sie sich um so mehr, seine Seele mit dem Himmel zu verbinden. Sie suchte Liebe und Treue zu Gott in sein Herz einzupflanzen. Und dieses Werk wurde auch gewissenhaft zu Ende geführt. Kein späterer Einfluß konnte Mose dazu bewegen, den Wahrheitsgrundsätzen abzusagen, die seiner Mutter ein erzieherisches Anliegen waren und die sie selbst vorlebte. Ez54 54.4

    Aus dem bescheidenen Heim in Gosen kam der Sohn Jochebeds in den Palast des Pharao, zu der ägyptischen Prinzessin, die ihn als lieben und werten Sohn willkommen hieß. In den Schulen Ägyptens erhielt Mose die höchste Ausbildung für Frieden und Krieg. Er übte große, persönliche Anziehungskraft aus, war edel in Aussehen und Gestalt, legte einen gebildeten Geist und fürstliches Gebaren an den Tag und zeichnete sich als militärischer Führer aus; er war der Stolz der Nation. Der König von Ägypten war auch zugleich Priester, und Mose wurde, obwohl er sich weigerte, an dem heidnischen Gottesdienst teilzunehmen, in alle Geheimnisse der ägyptischen Religion eingeweiht. Da Ägypten zu jener Zeit die mächtigste und höchstzivilisierte aller Nationen war, hatte Mose als der zukünftige Herrscher die Anwartschaft auf die höchsten Würden, die diese Welt verleihen konnte. Aber er traf eine edlere Wahl. Um der Ehre bei Gott und der Befreiung seines geknechteten Volkes willen gab Mose alle Ehren Ägyptens daran. Daraufhin übernahm Gott in einem besonderen Sinn seine Erziehung.Ez54 55.1

    Denn noch war Mose für sein Lebenswerk nicht vorbereitet. Noch mußte er es lernen, sich ganz auf göttliche Kraft zu verlassen. Er hatte Gottes Absicht mißverstanden und hoffte Israel durch Waffengewalt zu befreien. Dafür setzte er alles ein, und es mißlang ihm. Niederlage und Enttäuschung machten ihn zum Flüchtigen und Verbannten auf fremder Erde.Ez54 55.2

    In der Wüste Midian verbrachte Mose vierzig Jahre als Schafhirte. Er schien für immer von seinem Lebensauftrag abgeschnitten zu sein und erhielt doch die notwendige Erziehung, um ihn zu erfüllen. Die Weisheit zur Lenkung einer unwissenden und undisziplinierten Menge mußte durch Selbstbeherrschung erworben werden. Indem er für die Schafe und die zarten Lämmer sorgte, sollte er sich die Erfahrung aneignen, die ihn zum treuen, langmütigen Hirten Israels machen konnte. Um in der Vollmacht Gottes zu handeln, mußte er von diesem lernen.Ez54 55.3

    Die Einflüsse, die ihn in Ägypten umgeben hatten: die Zuneigung seiner Pflegemutter, seine eigene Stellung als Enkel des Königs, die Verschwendung und das Laster, das in tausenderlei Gestalt lockte, die überfeinerte, ausgeklügelte Lebensweise und das Geheimnisvolle einer falschen Religion hatten ihren Eindruck auf seinen Geist und Charakter hinterlassen. In der strengen Einfachheit der Wildnis verflüchtigte sich das alles.Ez54 56.1

    Inmitten der feierlich majestätischen Bergeinsamkeit war Mose mit Gott allein. Überall stieß er auf die Spuren des Schöpfers. Es schien Mose, als ob er sich in Gottes Gegenwart befände und von seiner Macht überschattet sei. Hier schwand jegliche Selbstherrlichkeit. In der Gegenwart des Unendlichen erkannte er, wie schwach, wie unvermögend, wie kurzsichtig doch der Mensch ist.Ez54 56.2

    Hier erlangte Mose etwas, was ihn in all den Jahren seines mühevollen und sorgenbeladenen Lebens nie wieder verließ, das Bewußtsein der persönlichen Gegenwart des Allmächtigen. Er sah nicht nur über die Jahrhunderte hinweg dem im Fleisch geoffenbarten Christus entgegen; er erschaute ihn auch, wie er das Heer Israels auf all seinen Zügen begleitete. Als man ihn selbst mißverstand und mißdeutete, als er Vorwürfen und Beleidigungen oder der Gefahr und dem Tod ausgesetzt war, konnte er das alles ertragen, “als sähe er ihn”, “den er nicht sah”. Hebräer 11,27.Ez54 56.3

    Mose dachte nicht nur an Gott, er sah ihn auch. Beständig schwebte ihm das Bild des Höchsten vor der Seele. Unablässig blickte er zu ihm empor.Ez54 56.4

    Für Mose war der Glaube kein Mutmaßen, er war für ihn Wirklichkeit. Er glaubte, daß Gott sein Leben in besonderer Weise lenkte, und bejahte sein Wirken in jedem Einzelfall. Er vertraute auf den Herrn, daß er ihm Kraft geben würde, allen Versuchungen zu widerstehen.Ez54 56.5

    Ihn verlangte danach, das ihm zugewiesene große Werk im höchsten Sinne zum Erfolg zu führen, und er setzte daher sein ganzes Vertrauen auf die göttliche Macht. Er fühlte, daß ihm Hilfe not tat, betete darum, ergriff sie im Glauben und schritt in der Gewißheit, über tragende Kräfte zu verfügen, voran.Ez54 57.1

    Das war das Ergebnis seiner vierzigjährigen Schulung in der Wüste. Die unendliche Weisheit erachtete weder die Zeit für zu lang noch den Preis für zu hoch, um ein derartiges Erfahrungswissen mitzuteilen.Ez54 57.2

    Die Auswirkung dieser Erziehung und der dabei erteilten Lehren ist nicht nur unzertrennlich mit der Geschichte Israels verflochten, sondern auch mit allem, was seit jenen Tagen bis heute an Fortschritt unter der Menschheit zu verzeichnen ist. Die höchste Bezeugung der Größe Moses liegt in dem Urteil, das als Offenbarungswort über sein Leben gefällt wurde: “Und es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie Mose, den der Herr erkannt hätte von Angesicht zu Angesicht.” 5.Mose 34,10.Ez54 57.3

    *****

    Zum Glauben und der Erfahrung der galiläischen Jünger, die Jesus begleitet hatten, gesellten sich im Werk der Evangeliumsverkündigung der feurige Schwung und die Verstandeskraft eines Rabbis von Jerusalem. Als römischer Bürger war er in einer heidnischen Stadt geboren; Jude war er nicht nur durch Abstammung, sondern auch auf Grund lebenslanger Schulung, patriotischen Eifers und religiöser Einstellung; in Jerusalem hatte ihn der hervorragendste Rabbi erzogen und in allen Gesetzen und Überlieferungen der Väter unterwiesen. So teilte Saulus von Tarsus denn weitestgehend den Stolz und die Vorurteile seiner Nation. Schon als junger Mann wurde er ein angesehenes Mitglied des Hohen Rates. Man hielt ihn für einen vielversprechenden Menschen, für einen eifrigen Verfechter des überkommenen Glaubens.Ez54 57.4

    In den theologischen Schulen Judäas war das Wort Gottes zugunsten menschlicher Spekulationen beiseite gesetzt worden. Die Auslegungen und Überlieferungen der Rabbiner hatten es seiner Kraft beraubt. Ehrgeiz, Herrschsucht, eifersüchtige Rechthaberei, Blindgläubigkeit und verächtlicher Stolz waren die Triebfedern und hervorstechenden Züge bei diesen Lehrern. Nicht nur den Angehörigen anderer Nationen, sondern auch der Masse ihres eigenen Volkes gegenüber taten sich die Rabbis etwas auf ihre Überlegenheit zugute. In ihrem wilden Haß gegen die römischen Unterdrücker waren sie fest entschlossen, die nationale Oberhoheit mit Waffengewalt wieder zu erlangen. Die Nachfolger Jesu, deren Friedensbotschaft ihren ehrgeizigen Machenschaften so entgegenstand, haßten und töteten sie. Bei dieser Verfolgung tat sich Saulus durch besondere Härte und Unerbittlichkeit hervor.Ez54 57.5

    In den Kriegsschulen Ägyptens war Mose das Gesetz der Gewalt gelehrt worden. Dieser Unterricht hatte einen solch starken Einfluß auf seinen Charakter ausgeübt, daß es vierzig Jahre der Ruhe und der Gemeinschaft mit Gott und der Natur bedurfte, um ihn dazu fähig zu machen, Israel durch das Gesetz der Liebe zu führen. Paulus nun hatte die gleiche Schule zu durchlaufen.Ez54 58.1

    Vor den Toren von Damaskus bekam sein ganzes Leben durch die Erscheinung des Gekreuzigten eine andere Richtung. Aus dem Verfolger wurde ein Jünger, aus dem Lehrer ein Lernender. Die lichtlosen Tage, die er in der Abgeschlossenheit zu Damaskus verbrachte, dünkten ihn in seinem Erleben wie Jahre. Er durchforschte die in seinem Gedächtnis aufgespeicherten Schriftabschnitte des Alten Testaments, und Christus war dabei sein Lehrer. Auch ihm wurde die Einsamkeit der Natur zu einer Schule. Er zog sich in die Wüste Arabiens zurück, um dort die Schrift zu erforschen und von Gott zu lernen. Er befreite sein Inneres von den Vorurteilen und Überlieferungen, die sein Leben gestaltet hatten, und Belehrung floß ihm vom Urquell der Wahrheit zu.Ez54 58.2

    Sein späteres Leben war einzig von dem Grundsatz der Selbstaufopferung, von dienender Liebe, durchdrungen. Er sagte: “Ich bin ein Schuldner der Griechen und der Ungriechen, der Weisen und der Unweisen.” “Denn die Liebe Christi dringt uns also.” Römer 1,14; 2.Korinther 5,14.Ez54 58.3

    Obwohl Paulus der größte irdische Lehrer war, bequemte er sich ebenso zum niedrigsten Dienst wie zum höchsten. Er erkannte, daß die körperliche Arbeit ebenso notwendig ist wie die geistige, und verdiente sich mit einem Handwerk seinen Unterhalt. Er ging seiner Zeltmacherarbeit nach und predigte dabei täglich das Evangelium in den großen Kulturzentren. “Denn ihr wisset selber”, sagte er beim Abschied von den Ältesten zu Ephesus, “daß mir diese Hände zu meiner Notdurft und derer, die mit mir gewesen sind, gedient haben.” Apostelgeschichte 20,34.Ez54 59.1

    Paulus besaß hohe Geistesgaben, aber sein Leben zeugte außerdem von einer noch selteneren Weisheit. Grundwahrheiten von tiefster Bedeutung, fundamentale Leitsätze, über die die größten Geister seiner Zeit nichts wußten, durchziehen seine Lehren und durchwalten sein Leben. Er besaß jene höchste Weisheit, die Schärfe des Blicks und Einfühlungsvermögen verleiht, die die Verbindung von Mensch zu Mensch schafft, die dazu befähigt, das bessere Ich in den anderen zu wecken und sie für ein höheres Leben zu begeistern.Ez54 59.2

    Man lausche nur seinen Worten vor den heidnischen Bewohnern Lystras, wie er auf den in der Natur geoffenbarten Gott, auf die Quelle alles Guten hinwies, die uns “vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben” und “unsere Herzen erfüllt” hat “mit Speise und Freude”. Apostelgeschichte 14,17.Ez54 59.3

    Man sehe ihn im Kerker zu Philippi, wo sein Loblied die Mitternachtsstille durchbrach, obwohl ihn körperlicher Schmerz peinigte. Nachdem das Erdbeben die Tore des Gefängnisses gesprengt hatte, vernahm man aufs neue seine Stimme, wie sie den heidnischen Kerkermeister mit freundlichen Worten ermutigte: “Tu dir nichts Übles; denn wir sind alle hier” (Apostelgeschichte 16,28), und jedermann blieb an seinem Platze, zurückgehalten durch die Gegenwart eines Mitgefangenen. Und der Kerkermeister, vom Wirklichkeitsgehalt des Glaubens überzeugt, der Paulus aufrecht erhielt, fragte nach dem Weg des Heils und trat mit seinem ganzen Hause zur verfolgten Schar der Jünger Christi über.Ez54 59.4

    Man vergegenwärtige sich Paulus in Athen vor der Ratsversammlung auf dem Areopag, wie er der Wissenschaft mit Wissenschaft, der Logik mit Logik, der Philosophie mit Philosophie entgegentrat. Man beachte, wie er mit aus göttlicher Liebe geborenem Takt auf Jahve als den “unbekannten Gott” hinwies, den seine Hörer unwissentlich angebetet hatten. In Worten, die einem ihrer Poeten entnommen sind, schilderte er ihn als einen Vater, dessen Kinder sie waren. Man höre ihn, wie er im Zeitalter des Kastengeistes, da die Menschenrechte völlig unbeachtet blieben, die große Wahrheit von der brüderlichen Verbundenheit aller Menschen aufzeigte. Erklärte er doch, daß Gott gemacht hat, “daß von einem Blute aller Menschen Geschlechter auf dem ganzen Erdboden wohnen”. Dann zeigte er, wie das ganze Handeln Gottes mit den Menschen seine Gnadenabsicht und Barmherzigkeit einem goldenen Faden gleich durchzieht. Er “hat Ziel gesetzt und vorgesehen, wie lange und wie weit sie wohnen sollen; daß sie den Herrn suchen sollten, ob sie doch ihn fühlen und finden möchten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeglichen unter uns”. Apostelgeschichte 17,23.26.27.Ez54 60.1

    Man höre ihn am Hofe des Festus, wo der König Agrippa, von der Wahrheit des Evangeliums überzeugt, ausrief: “Es fehlt nicht viel, du überredest mich, daß ich ein Christ würde.” Mit welch zarter Höflichkeit antwortete Paulus doch, indem er auf seine Kette deutete: “Ich wünschte vor Gott, es fehle nun an viel oder wenig, daß nicht allein du, sondern alle, die mich heute hören, solche würden, wie ich bin, ausgenommen diese Bande.” Apostelgeschichte 26,28.29.Ez54 60.2

    So ging sein Leben dahin, wie er es mit eigenen Worten beschrieb: “Ich bin oft gereist, ich bin in Gefahr gewesen durch die Flüsse, in Gefahr durch die Mörder, in Gefahr unter den Juden, in Gefahr unter den Heiden, in Gefahr in den Städten, in Gefahr in der Wüste, in Gefahr auf dem Meer, in Gefahr unter den falschen Brüdern; in Mühe und Arbeit, in viel Wachen, in Hunger und Durst, in viel Fasten, in Frost und Blöße.” 2.Korinther 11,26.27.Ez54 60.3

    “Man schilt uns”, sagte er, “so segnen wir; man verfolgt uns, so dulden wir’s; man lästert uns, so flehen wir”; “als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts innehaben, und doch alles haben.” 1.Korinther 4,12; 2.Korinther 6,10.Ez54 60.4

    Am Dienen fand er seine Freude, und als er am Schlusse eines mühevollen Lebens auf seine Kämpfe und Triumphe zurückblickte, konnte er sagen: “Ich habe einen guten Kampf gekämpft.” 2.Timotheus 4,7.Ez54 61.1

    *****

    Diese Charakterbilder sind von lebenswichtigem Interesse. Für niemand haben sie eine tiefere Bedeutung als für die Jugend. Mose verzichtete auf ein Königreich, das ihm winkte, Paulus auf Reichtum und Ehre unter seinem Volk mit allen Vorteilen um eines verantwortungsschweren Lebens willen im Dienste Gottes. Vielen erscheint das Dasein dieser Männer als ein einziger Verzicht und als ständiges Opfer. War das wirklich so? Mose achtete die Schmach Christi für höheren Reichtum als die Schätze Ägyptens. Er sah sie so an, weil das den Tatsachen entsprach. Paulus erklärte: “Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet. Ja, ich achte es noch alles für Schaden gegen die überschwengliche Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um welches willen ich alles habe für Schaden gerechnet und achte es für Kot, auf daß ich Christum gewinne.” Philipper 3,7.8. Er war mit seiner Wahl zufrieden.Ez54 61.2

    Mose wurde der Palast des Pharao und der Thron des Monarchen angeboten; doch an diesen vornehmen Höfen herrschten die sündigen Freuden, die die Gedanken an Gott aus der Menschenseele verdrängen. Er wählte statt dessen “währendes Gut und Gerechtigkeit”. Sprüche 8,18. Statt sich mit Ägyptens Größe zu verbinden, brachte er sein Leben mit Gottes Absicht in Einklang. Statt daß er Ägypten Gesetze gab, erließ er auf göttliche Anordnung Gesetze für die ganze Welt. Er wurde zum Werkzeug Gottes, indem er den Menschen Grundsätze vermittelte, die den Bestand von Familie und Gesellschaft gewährleisten, die den Eckstein völkischen Gedeihens bilden, und Richtlinien, die heutzutage von den Großen der Welt als die Grundlage alles Bewährten in der politischen Führung anerkannt werden.Ez54 61.3

    Die Größe Ägyptens liegt im Staube. Seine Macht und seine Kultur sind vergangen. Aber das Werk des Mose kann niemals untergehen. Die erhabenen Grundpfeiler der Gerechtigkeit, die er aufrichten durfte, sind von ewiger Dauer.Ez54 62.1

    Moses Leben voll Mühe und niederdrückender Sorge war durchstrahlt von der Gegenwart dessen, der “auserkoren” ist “unter vielen Tausenden” und der “ganz lieblich” ist. Hohelied 5,10.16. Mit Christus zog er durch die Wüste, mit ihm weilte er auf dem Berg der Verklärung, bei Christus wohnt er in den himmlischen Hallen. So war ihm ein segensreiches und gesegnetes Leben vergönnt, das in himmlischen Ehren seine Krönung erfuhr.Ez54 62.2

    Auch Paulus wurde in vielerlei Mühsal durch die kraftspendende Gegenwart Christi aufrechterhalten. Er sagte: “Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.” “Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit oder Schwert? ... Aber in dem allem überwinden wir weit um des willen, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn.” Philipper 4,13; Römer 8,35-39.Ez54 62.3

    Doch es gibt eine zukünftige Freude, der Paulus als Lohn seiner Mühen entgegensah, dieselbe Seligkeit, um deretwillen Christus das Kreuz erduldete und der Schmach nicht achtete, die Freude, die Frucht seines Wirkens schauen zu dürfen. “Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Krone des Ruhms?” schrieb er an die Bekehrten zu Thessalonich. “Seid nicht auch ihr es vor unserm Herrn Jesus Christus zu seiner Zukunft? Ihr seid ja unsere Ehre und Freude.” 1.Thessalonicher 2,19.20.Ez54 62.4

    Wer kann die Wirkung des Lebenswerkes des Paulus auf die Welt ermessen? Wieviel von all den wohltätigen Einflüssen, die das Leiden lindern, den Traurigen trösten und das Böse zurückdämmen, die die Seele aus Selbstsucht und Sinnlichkeit emporreißen und sie mit dem Hoffnungsstrahl der Unsterblichkeit durchglühen, sind den Bemühungen des Apostels Paulus und seiner Mitarbeiter zu verdanken, die mit dem Evangelium des Sohnes Gottes in aller Stille ihre Reise von Asien nach den Küsten Europas unternahmen?Ez54 62.5

    Wie glücklich ist jeder Mensch zu schätzen, der von Gott zur Verbreitung solch segensreicher Einflüsse gebraucht wurde! Wie köstlich wird es in der Ewigkeit sein, die Früchte einer derartigen Lebensarbeit schauen zu dürfen!Ez54 63.1

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