Der Sämann und der Same
Mit diesem Gleichnis vom Sämann veranschaulicht Christus das Wesen des Himmelreiches und das Wirken Gottes für sein Volk. Wie ein Sämann auf sein Feld geht, so kam Jesus, um den Samen der Wahrheit auszustreuen. Seine Gleichnisse waren das Saatgut, mit dem er die wunderbare Wahrheit seiner Gnade verbreitete. Weil es so einfach ist, hat gerade das Gleichnis vom Sämann noch nicht die Beachtung gefunden, die es verdient. Christus möchte mit ihm unsere Gedanken vom natürlichen Samen, der auf den Acker gestreut wird, auf den Samen des Evangeliums lenken, dessen Aussaat den Menschen wieder dazu bringen soll, sich auf Gottes Seite zu stellen. Kein anderer als der Herr des Himmels lehrt durch das Gleichnis vom kleinen Samenkorn, dass für das Gedeihen der Saat auf dem Feld und der Saat der Wahrheit dieselben Gesetze gelten.BRG 22.1
Am See Genezareth hatte sich eine ungeduldige, erwartungsvolle Menschenmenge versammelt, um Jesus zu sehen und zu hören. Kranke lagen auf ihren Matten in der Hoffnung, den Heiland auf ihr Leiden aufmerksam machen zu können. Christus war ja von Gott dazu ausersehen, dem sündigen Menschengeschlecht Heil zu bringen, und so half er nun den Kranken und verbreitete um sich her Leben, Gesundheit und Frieden.BRG 22.2
Die Menge wuchs immer mehr an und bedrängte Christus schließlich von allen Seiten. Deshalb rief er den Fischern in ihren Booten ein paar Worte zu, trat in den Kahn, der ihn über den See bringen sollte, und bat die Jünger, ein wenig vom Ufer abzustoßen. So konnte er besser zu den Menschen sprechen.BRG 22.3
Am See erstreckte sich die liebliche Ebene Genezareth mit Bergen im Hintergrund. Überall waren die Bauern dabei, Saat auszustreuen oder frühes Getreide zu ernten. Dieses Bild hatte Christus vor Augen, als er sagte:BRG 22.4
“Siehe, es ging ein Sämann aus, zu säen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg; da kamen die Vögel und fraßen’s auf. Einiges fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte, und ging bald auf, weil es keine tiefe Erde hatte. Als aber die Sonne aufging, verwelkte es, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es. Einiges fiel unter die Dornen; und die Dornen wuchsen empor und erstickten’s. Einiges fiel auf gutes Land und trug Frucht, einiges hundertfach, einiges sechzigfach, einiges dreißigfach.” Matthäus 13,3-8.BRG 22.5
Die Menschen damals verstanden den Auftrag Christi nicht; die Art, wie er in diese Welt kam, entsprach nicht ihren Erwartungen. Zwar stand das gesamte jüdische Kultsystem in unmittelbarem Bezug zum kommenden Erlöser; Gott selbst hatte ja die eindrucksvollen gottesdienstlichen Einrichtungen gestiftet, weil das Volk durch sie lernen sollte, dass zur festgesetzten Zeit der Eine kommen würde, auf den all die heiligen Dienste hinwiesen. Doch die Juden hatten Form und Ritus so überhöht, dass sie deren eigentlichen Sinn aus den Augen verloren. Überlieferung und von Menschen festgesetzte Regeln verhüllten geradezu, was Gott ihnen doch eigentlich klar zeigen wollte.BRG 23.1
Die vielen zusätzlichen Vorschriften und Traditionen hinderten den Einzelnen daran, eine echte Beziehung zu Gott zu finden und zu pflegen. Als mit Christus dann die Erfüllung all der Symbole erschien, erkannten die Juden in ihm nicht die Verwirklichung der irdischen Schattenbilder. Sie verwarfen die Erfüllung und hielten stattdessen an ihren Vorbildern und nutzlosen Zeremonien fest.BRG 23.2
Obwohl der Sohn Gottes gekommen war, baten sie weiterhin um Zeichen. Ihre Antwort auf die Botschaft: “Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!” (Matthäus 3,2) war, ein Wunder zu fordern.BRG 23.3
Das Evangelium Christi musste für sie ein Stein des Anstoßes sein, weil sie nach Zeichen statt nach einem Erlöser fragten. Sie erwarteten, dass der Messias die Rechtmäßigkeit seiner Ansprüche durch gewaltige Eroberungen beweisen und sein Reich auf den Trümmern irdischer Mächte errichten werde. Als Erwiderung auf diese falschen Vorstellungen erzählte Jesus das Gleichnis vom Sämann. Weder durch Waffen noch durch andere Gewaltmittel sollte das Reich Gottes den Sieg davontragen, sondern dadurch, dass ein neuer Grundsatz in die Herzen der Menschen eingepflanzt wurde.BRG 23.4
“Der Menschensohn ist’s, der den guten Samen sät.” Matthäus 13,37. Nicht als König, sondern als Sämann war Christus gekommen. Er wollte keine Königreiche stürzen, sondern guten Samen streuen. Er hatte auch nicht die Absicht, seine Nachfolger zu weltlichem Ruhm und nationaler Größe zu führen, sondern er wollte sie für eine Ernte begeistern, die in geduldiger Arbeit unter Verlusten und Enttäuschungen eingebracht werden sollte.BRG 24.1
Die Pharisäer erfassten den Sinn des Gleichnisses sehr wohl. Aber die Lehre war ihnen unbequem, und so nahmen sie sich vor, überhaupt nichts zu verstehen. Vollkommen rätselhaft war dagegen der Masse des Volkes, welche Absicht der neue Lehrer verfolgte, der mit seinen Worten einerseits ihr Herz eigentümlich bewegte, aber andererseits ihre ehrgeizigen Bestrebungen bitter enttäuschte. Nicht einmal die Jünger begriffen das Gleichnis. Doch sie wollten gern mehr wissen, und so traten sie später an Jesus heran und baten ihn, das Gleichnis zu erklären.BRG 24.2
Genau dies hatte Christus beabsichtigt; er wollte die Wissbegier der Jünger wecken, um sie eingehender unterrichten zu können. So erklärte er ihnen den Sinn des Gleichnisses, wie er noch heute sein Wort jedem gern auslegt, der ihn aufrichtig darum bittet. Wer beim Bibelstudium sein Herz offen hält für die Erleuchtung durch den Heiligen Geist, der wird das Wort Gottes auch verstehen können. “Wenn jemand dessen Willen tun will”, sagte Jesus, “wird er innewerden, ob diese Lehre von Gott ist oder ob ich von mir selbst aus rede.” Johannes 7,17. Alle, die zu Christus kommen, um ein klareres Verständnis der Wahrheit zu empfangen, werden es auch erhalten. Ihnen erschließt er die Geheimnisse des Himmelreiches, die nur der erfassen kann, der sich von ganzem Herzen nach Erkenntnis der Wahrheit sehnt. Ein solcher Mensch wird von himmlischem Licht erfüllt werden und dadurch für andere wie eine helle Lampe auf einem dunklen Pfad sein.BRG 24.3
“Es ging ein Sämann aus, zu säen.” Im Orient waren die Verhältnisse damals äußerst unsicher. Weil sie ständig von Gewalttaten bedroht war, hielt sich die Bevölkerung meist in den befestigten Städten auf. Die Bauern aber mussten täglich hinausgehen, um außerhalb der Stadtmauern ihre Felder zu bestellen. So ging auch Christus, der himmlische Sämann, aus, um zu säen. Er verließ seine sichere, friedliche Wohnung und die Herrlichkeit, die er bei seinem Vater schon vor der Erschaffung der Welt gehabt hatte; er gab seine Herrscherstellung auf dem Thron des Weltalls auf. Als leidender, angefochtener Mensch ging er einsam hinaus, um für eine verlorene Welt unter Tränen den Samen des Lebens zu säen und mit seinem Blut zu begießen.BRG 24.4
In gleicher Weise sollen auch seine Helfer hinausgehen, um zu säen. So erhielt Abraham einst den Ruf, den Samen der Wahrheit auszustreuen: “Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.” 1.Mose 12,1. “Er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme.” Hebräer 11,8. Ebenso bekam der Apostel Paulus, als er im Tempel in Jerusalem betete, von Gott den Auftrag: “Geh hin; denn ich will dich in die Ferne zu den Heiden senden!” Apostelgeschichte 22,21. Wer gerufen wird, mit Christus zusammenzuarbeiten, muss alles verlassen und ihm nachfolgen. Er muss alte Beziehungen abbrechen, Zukunftspläne begraben, irdische Hoffnungen aufgeben; er muss mühsam und allein den Samen ausstreuen, unter Opfer und Tränen.BRG 25.1
“Der Sämann sät das Wort.” Christus kam, um in der Welt die Wahrheit auszusäen. Seit dem Sündenfall streut Satan ununterbrochen den Samen des Irrtums. Durch eine Lüge gewann er zum ersten Mal Macht über die Menschen, und so versucht er bis heute auf die gleiche Weise, Gottes Reich auf dieser Erde zu stürzen und die Menschen unter seine Herrschaft zu bringen. Doch Christus kam als Sämann aus einer höheren Welt, um den Samen der Wahrheit auszustreuen. Als Gottes Sohn, der an den göttlichen Ratschlüssen mitgewirkt und im Allerheiligsten des Ewigen gelebt hatte, konnte er den Menschen die Wahrheit unverfälscht verkünden. Seit dem Sündenfall hat Christus der Welt die Wahrheit offenbart. Durch ihn gelangt der unvergängliche Same, das lebendige, unwandelbare “Wort Gottes, das da bleibt” (1.Petrus 1,23), zu den Menschen. Schon mit der ersten Verheißung, die er dem gefallenen Menschengeschlecht im Garten Eden gab, streute Christus solchen Evangeliumssamen. Das Gleichnis vom Sämann bezieht sich jedoch besonders auf sein Wirken als Mensch unter Menschen, und auf das Werk, das er unter ihnen begründete.BRG 25.2
“Der Same ist das Wort Gottes.” Jedes Samenkorn besitzt einen Keim, der das Leben der zukünftigen Pflanze in sich birgt. Ebenso ist auch das Wort Gottes von Leben erfüllt. Christus sagt: “Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und sind Leben.” Johannes 6,63. “Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben.” Johannes 5,24. Alle Gebote und alle Verheißungen Gottes enthalten göttliche Kraft und göttliches Leben — die Voraussetzung für ihre Erfüllung. Wer Gottes Wort gläubig annimmt, empfängt das Leben und das Wesen Gottes selbst.BRG 26.1
Jedes Samenkorn bringt eine Frucht hervor, die seiner Art entspricht. Sät man es unter den richtigen Bedingungen aus, dann entwickelt es als Pflanze ein eigenständiges Leben. Nimmt ein Mensch den unvergänglichen Samen des Wortes gläubig auf, so wird durch die Frucht, die daraus wächst, sein Wesen und Leben Gott immer ähnlicher werden.BRG 26.2
Da die Rabbis, die Lehrer Israels, den Samen des Wortes Gottes nicht säten, stellte sich Christus als Verkündiger der Wahrheit in scharfen Gegensatz zu ihnen, die den Nachdruck auf Traditionen, menschliche Lehrmeinungen und unbewiesene Vermutungen legten. Vielfach ersetzten sie das Wort Gottes sogar ganz durch das, was Menschen darüber gelehrt und geschrieben hatten. Darum konnte ihre Lehre auch keinen geistlichen Durst stillen.BRG 26.3
Christus dagegen lehrte und predigte nichts als das Wort Gottes. Stellte jemand ihm eine Frage, so antwortete er: “Es steht geschrieben ...” Matthäus 4,4. “Habt ihr nie gelesen in der Schrift ...?” Matthäus 21,42. “Wie liest du?” Lukas 10,26. Ob sein Gesprächspartner ihm nun freundlich oder feindlich gesinnt war — wo er Interesse bemerkte, säte Jesus bei jeder Gelegenheit den Samen des Wortes. Er, der Weg, die Wahrheit und das Leben, ja das lebendige Wort selbst, verweist auf die Heilige Schrift: “Sie ist’s, die von mir zeugt.” Johannes 5,39. Und für die Jünger von Emmaus begann er “bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war.” Lukas 24,27.BRG 26.4
Wer Christus nachfolgt, sollte das Gleiche tun. Wie damals ersetzt man ja auch in unseren Tagen die lebendigen Wahrheiten des Wortes Gottes durch menschliche Lehren und Vermutungen. Viele so genannte Prediger des Evangeliums erkennen nicht die ganze Bibel als inspiriertes Wort an: ein Gelehrter verwirft diesen, der andere bezweifelt jenen Teil. Sie stellen ihr eigenes Urteilsvermögen über das Wort Gottes, berufen sich bei dem, was sie lehren, auf ihre eigene Autorität und untergraben dadurch den Glauben an den göttlichen Ursprung der Heiligen Schrift. So säen sie überall den Samen des Unglaubens. Die Menschen werden verwirrt und wissen nicht mehr, was sie glauben sollen. So kommt es zu Auffassungen, die jeder biblischen Grundlage entbehren.BRG 27.1
In den Tagen Jesu versahen die Rabbis viele Passagen der heiligen Schriften mit einer künstlich zurechtgezimmerten, geheimnisvollen Auslegung. Weil die klaren Aussagen in Gottes Wort ihre eigenen Praktiken verurteilten, versuchten sie es in seiner Kraft zu schwächen. Das Gleiche geschieht auch heute noch. Man möchte vertuschen, dass das Gesetz übertreten wird, und stellt deshalb das Wort Gottes als geheimnisvoll und unverständlich hin. Christus entlarvte zu seiner Zeit solch ein Verhalten. Er sagte deutlich, dass Gottes Wort von allen Menschen verstanden werden soll, und betonte die unbestreitbare Autorität der heiligen Schriften. Auch wir sollen zeigen, dass die Bibel als das Wort des ewigen Gottes alle Streitgespräche beenden kann und Grundlage allen Glaubens ist.BRG 27.2
Die Bibel ist ihrer Kraft beraubt worden, und infolgedessen verkümmert das geistliche Leben. Den Predigten, die man heute von vielen Kanzeln hört, fehlt es meist an jener göttlichen Kraft, die das Gewissen weckt und der Seele Leben gibt. Die Zuhörer können dann nicht sagen: “Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?” Lukas 24,32. Viele rufen nach dem lebendigen Gott und sehnen sich nach seiner Gegenwart. Aber weder philosophische Abhandlungen noch schöngeistige Aufsätze — so bestechend sie auch sein mögen — können das Herz befriedigen. Nichts von dem, was Menschen erdenken und an Meinungen vertreten, vermag hier zu helfen. Lasst darum das Wort Gottes selbst zu den Leuten sprechen! Wer bisher nur mit überlieferten Anschauungen, mit menschlichen Lehren und Maßstäben abgespeist wurde, muss endlich die Stimme dessen hören können, der durch sein Wort die Wiedergeburt zum ewigen Leben schenken möchte.BRG 27.3
Christus sprach am liebsten über die väterliche Liebe und überreiche Gnade Gottes, und er zeigte ausführlich die Heiligkeit seines Wesens und Gesetzes. Er selbst wollte für die Menschen der Weg, die Wahrheit und das Leben sein. Diese Themen sollten auch heute von jedem Prediger dargeboten werden. Verkündigt die Wahrheit, wie sie sich in Christus offenbart! Macht allen die Bedeutung von Gesetz und Evangelium klar! Erzählt den Menschen, welchen Weg der Selbstverleugnung und Aufopferung Christus gegangen ist, erzählt ihnen von seiner Erniedrigung und seinem Tod, von seiner Auferstehung und Himmelfahrt, von seiner Fürsprache für sie bei Gott und von seiner Verheißung: “So will ich wieder kommen und euch zu mir nehmen.” Johannes 14,3.BRG 28.1
Statt über falsche Lehren zu streiten oder Gegner des Evangeliums widerlegen zu wollen, sollten wir lieber dem Beispiel Christi folgen und aus Gottes Schatzkammer helle Wahrheiten ins Leben strahlen lassen. “Predige das Wort ... es sei zur Zeit oder zur Unzeit.” 2.Timotheus 4,2. “Wohl euch, die ihr säen könnt an allen Wassern.” Jesaja 32,20. “Wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der Herr.” Jeremia 23,28. “Alle Worte Gottes sind durchläutert ... Tu nichts zu seinen Worten hinzu, dass er dich nicht zur Rechenschaft ziehe und du als Lügner dastehst.” Sprüche 30,5.6.BRG 28.2
“Der Sämann sät das Wort.” Das ist die Grundlage für alle echte Pädagogik. “Der Same ist das Wort Gottes.” Aber in allzu vielen Schulen wird das Wort Gottes heute beiseite geschoben. Andere Themen stehen im Vordergrund. Die Beschäftigung mit den Werken ungläubiger Schriftsteller nimmt im Unterricht einen breiten Raum ein; die Schulbücher wecken Zweifel an Gottes Wort. Oft führt die wissenschaftliche Forschung in die Irre, weil man Entdeckungen missdeutet und entstellt wiedergibt. Man vergleicht das Wort Gottes mit gewissen Hypothesen der Wissenschaft und stellt es als unsicher und nicht vertrauenswürdig hin. So wird schon jungen Menschen die Saat des Zweifels eingepflanzt, die dann in Zeiten der Versuchung aufgeht. Ohne Glauben an das Wort Gottes aber hat der Mensch keine geistliche Führung und keinen Schutz mehr. Gerade junge Leute lassen sich dann leicht auf Wege locken, die von Gott und dem ewigen Leben fortführen.BRG 28.3
Dieser Haltung ist auch weitgehend die allgemein verbreitete Gottlosigkeit unserer Tage zuzuschreiben. Wer das Wort Gottes abtut, verschmäht die ihm innewohnende Kraft, die bösen Triebe und die Lebensgier des natürlichen Herzens zu zügeln. Die Menschen verlassen sich auf ihre eigenen Maßstäbe und Kräfte und ernten den Tod.BRG 29.1
Hier liegt außerdem die Hauptursache geistiger Schwäche und Unfähigkeit. Wer sich von Gottes Wort abwendet und sein Denken von den Schriften ungläubiger Menschen prägen lässt, der verkümmert geistig und wird anspruchslos, weil er den Bezug zu den tiefen und umfassenden Grundsätzen der ewigen Wahrheit verliert. Das Fassungsvermögen des Verstandes passt sich dem an, womit er sich vorzugsweise beschäftigt; sind es vergängliche Dinge, so wird er geschwächt und mit der Zeit unfähig, größere geistliche Zusammenhänge zu erfassen.BRG 29.2
Deshalb ist eine solche Erziehung falsch. Jeder Lehrer sollte es sich zur Aufgabe machen, seinen Schülern die großartigen Wahrheiten des Wortes Gottes nahe zu bringen. Das ist die einzige Erziehung, die lebenstüchtig macht für Zeit und Ewigkeit. Sie wird auch durchaus nicht dem wissenschaftlichen Denken im Wege stehen oder einen niedrigen Bildungsstand zur Folge haben.BRG 29.3
Die Erkenntnis Gottes ist ja so hoch wie der Himmel und so weit wie das All. Nichts veredelt den Menschen so sehr, und nichts ist so anregend für ihn wie die Beschäftigung mit allem, was das ewige Leben berührt. Gerade für junge Leute ist es deshalb gut, wenn sie sich bemühen, die göttlichen Wahrheiten zu verstehen. Ihr geistiges Fassungsvermögen wird dabei wachsen und stark werden. Alle, die Gottes Wort fleißig lesen und ihr Leben danach gestalten, werden ihren geistigen Horizont erweitern und wertvolle Erkenntnis gewinnen, die unvergänglich ist.BRG 29.4
Durch das Studium der Bibel wird uns Bildung vermittelt; wir verstehen dann aus eigener Erfahrung den Erlösungsplan. Auf diese Weise entsteht in uns wieder das Ebenbild Gottes; unser Denken wird stark genug, Versuchungen abzuwehren, und schon der junge Mensch wird so befähigt, mit Christus in dem Gnadenwerk für die Welt zu arbeiten. So werden wir alle Mitglieder der himmlischen Familie und darauf vorbereitet, einmal am Erbteil der Heiligen in Gottes Licht teilzuhaben.BRG 30.1
Ein Lehrer der göttlichen Wahrheit kann allerdings nur das vermitteln, was er selbst aus eigener Erfahrung weiß. “Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen.” Lukas 8,5. Christus konnte die reine Wahrheit lehren, weil er selbst die Wahrheit ist. Sein Denken, Wesen und Lebensstil kamen in seiner Verkündigung zum Ausdruck.BRG 30.2
So soll es auch bei seinen Mitarbeitern sein: Wer das Wort Gottes weitergeben will, muss es sich durch persönliche Erfahrung zu Eigen machen und wissen, was es bedeutet, dass Christus in die Welt gekommen ist, um uns Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung zu schenken. 1.Korinther 1,30. Nie dürfen wir das Wort Gottes als eine Möglichkeit unter vielen darstellen, vielmehr sollten wir mit dem Apostel Petrus bekennen: “Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unsers Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.” 2.Petrus 1,16.BRG 30.3
Jeder Prediger und jeder Lehrer Christi sollte mit dem Lieblingsjünger Johannes bekennen können: “Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unsern Augen, was wir betrachtet haben und unsre Hände betastet haben, vom Wort des Lebens — und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und uns erschienen ist.” 1.Johannes 1,1.2.BRG 30.4