Der Herr wollte ein unangebrachtes Verlangen nach Besitz und Macht unterbinden. Ständiges Anhäufen von Reichtum bei der einen Bevölkerungsschicht und Absinken in Armut und Erniedrigung bei der anderen führt zu großen Missständen. Ohne eine gewisse Einschränkung würde die Macht der Reichen zu einem Alleinanspruch werden. Die Armen dagegen - obwohl sie in jeder Hinsicht in Gottes Augen gleich wertvoll sind - würden im Vergleich mit ihren besser gestellten Volksgenossen als minderwertig betrachtet und behandelt werden. Das Gefühl dieser Unterdrückung würde den Zorn der ärmeren Schichten erregen. Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung würde sie überkommen, und das wiederum würde zur Entsittlichung der Gesellschaft führen. Damit wären dem Verbrechen aller Art Tür und Tor geöffnet. Die Bestimmungen, die Gott einführte, waren dazu da, die soziale Gleichheit zu fördern. Im Sabbat- und im Jobeljahr sollte weithin das zurechtgerückt werden, was in der Zwischenzeit im gesellschaftlichen und politischen Leben des Volkes falsch gelaufen war. WAB 516.5
Diese Anordnungen sollten den Reichen nicht weniger zum Segen sein als den Armen. Sie sollten die Habgier und die Neigung zur Überheblichkeit überwinden helfen und eine edle Gesinnung der Wohltätigkeit fördern. Durch die Förderung von Wohlwollen und Vertrauen zwischen allen Bevölkerungsschichten würden sie die soziale Ordnung und den Bestand der Regierung gewährleisten. Wir sind alle in das große Netz der Menschheit hineinverflochten. Was immer wir tun können, um anderen zu nützen und ihnen Auftrieb zu geben, wird als Segen auf uns zurückwirken. Das Gesetz gegenseitiger Abhängigkeit betrifft alle Schichten der Gesellschaft. Die Ärmeren sind von den Reicheren genauso abhängig wie diese von den Ärmeren. Während die einen ihren Anteil an den Segnungen, die Gott ihren wohlhabenderen Nachbarn zuteilwerden ließ, beanspruchen, brauchen die anderen die verlässliche geistige und körperliche Arbeitsleistung, die das Kapital der Ärmeren ist. WAB 517.1
Den Israeliten wurden reichliche Segnungen versprochen, wenn sie die Anweisungen des Herrn befolgten. »So will ich euch Regen geben zur rechten Zeit, und das Land soll sein Gewächs geben und die Bäume auf dem Felde ihre Früchte bringen. Und die Dreschzeit soll reichen bis zur Weinernte, und die Weinernte soll reichen bis zur Zeit der Saat. Und ihr sollt Brot die Fülle haben und sollt sicher in eurem Land wohnen. Ich will Frieden geben in eurem Land, dass ihr schlaft und euch niemand aufschrecke. Ich will die wilden Tiere aus eurem Land wegschaffen, und kein Schwert soll durch euer Land gehen ... Und ich will unter euch wandeln und will euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein ... Werdet ihr mir aber nicht gehorchen und nicht alle diese Gebote tun ... und werdet ihr meinen Bund brechen, so will auch ich euch dieses tun: ... Ihr sollt umsonst euren Samen säen, und eure Feinde sollen ihn essen. Und ich will mein Antlitz gegen euch richten, und ihr sollt geschlagen werden vor euren Feinden, und die euch hassen, sollen über euch herrschen, und ihr sollt fliehen, ohne dass euch einer jagt.” (3. Mose 26,4-6.12.14-17) WAB 517.2
Viele fordern mit großem Nachdruck, dass jeder den gleichen Anteil an den irdischen Segnungen Gottes hat. Doch das entsprach nicht der Absicht des Schöpfers. Die Ungleichheit der Verhältnisse ist eines der Mittel, mit denen Gott den Charakter prüft und entwickeln hilft. Es ist seine Absicht, dass sich diejenigen, die über irdischen Besitz verfügen, nur als Verwalter seiner Güter betrachten. Ihnen sind Mittel anvertraut, die zum Wohl der Leidenden und Bedürftigen eingesetzt werden sollen. WAB 517.3
Christus hat gesagt, dass wir allezeit Arme unter uns haben werden (vgl. Matthäus 26,11a), und er verbindet seine Interessen mit denen der leidenden Menschen. Unser Erlöser ist voller Mitgefühl mit den Ärmsten und Niedrigsten seiner irdischen Kinder. Er sagt uns, dass sie seine Vertreter auf Erden sind. Er hat sie unter uns gestellt, damit die Liebe, die er für Leidende und Bedrückte empfindet, auch in uns geweckt wird. Das Mitleid und die Wohltaten, die wir ihnen erweisen, sieht Christus als ihm erwiesen an. Aber er betrachtet auch jede Art von Grausamkeit oder Vernachlässigung als ihm zugefügt (vgl. Matthäus 25,35-40). WAB 518.1
Wenn die Gesetze, die Gott zum Wohl der Armen gegeben hat, beständig Anwendung gefunden hätten, sähe der heutige Zustand unserer Welt ganz anders aus - moralisch, geistlich und materiell! Dann würden Selbstsucht und Überheblichkeit nicht in einem solchen Ausmaß wie heute zutage treten, sondern jedem würde das Glück und Wohlergehen seines Nächsten am Herzen liegen, und eine so weit verbreitete Armut, wie sie in vielen Ländern heute herrscht, gäbe es nicht. WAB 518.2
Die Grundsätze, die in den Anordnungen Gottes zum Ausdruck kommen, hätten die schrecklichen Missstände verhindert, die in allen Zeitaltern aus der Unterdrückung der Armen durch die Reichen und aus dem Argwohn und dem Hass der Armen gegenüber den Reichen entstanden sind. Sie würden einerseits die Aufhäufung von großen Reichtümern und den Genuss von grenzenlosem Luxus und andererseits die daraus folgende Unwissenheit und Erniedrigung Zehntausender verhindern, deren schlecht bezahlte Arbeit erforderlich ist, um solch gewaltige Vermögen anzuhäufen. Die Anwendung dieser Richtlinien würde eine friedliche Lösung vieler Probleme herbeiführen, die heute die Welt mit Gesetzlosigkeit und Blutvergießen zu erfüllen drohen. WAB 518.3