Aber selbst dieses knappe Entrinnen brachte Simson nicht von seinem verkehrten Weg ab. Zwar wagte er sich nicht wieder mitten unter die Philister, aber er suchte weiterhin seine sinnlichen Freuden, die ihn schließlich ins Verderben führten. Bald »gewann er eine Frau im Tal Sorek lieb”, unweit von seinem Geburtsort; »ihr Name war Delila«, die Verzehrerin (Richter 16,4 Elb.). Das Tal Sorek war für seine Weinberge berühmt. Auch diese bedeuteten für den wankelmütigen Nasiräer eine Versuchung. Er hatte sich bereits dem Weingenuss hingegeben und somit ein weiteres Band zerrissen, das ihn an die Reinheit und an Gott gebunden hatte. Die Philister beobachteten das Treiben ihres Feindes sehr genau. Da er sich durch seine neue Bindung weiter erniedrigte, beschlossen sie, ihn durch Delila völlig zugrunde zu richten. WAB 548.2
Eine Abordnung führender Männer aus allen Gebieten der Philister wurde ins Tal Sorek gesandt. Sie wagten ihn nicht anzugreifen, solange er im Besitz seiner großen Stärke war, wollten aber - falls möglich - das Geheimnis seiner Kraft erfahren. Deshalb bestachen sie Delila, um es ausfindig zu machen. Sie sollte es ihnen verraten. WAB 549.1
Als die Verräterin Simson mit ihren Fragen bearbeitete, täuschte er sie mit der Erklärung, er werde schwach wie andere Menschen, wenn man ihn auf bestimmte Weise behandle. Als sie dies ausprobierte, wurde der Betrug aufgedeckt. Da warf sie ihm Unwahrhaftigkeit vor und sagte: »Wie kannst du sagen, dass du mich liebst, wenn du mir nicht vertraust? Du hast mich jetzt drei Mal getäuscht und mir noch immer nicht gesagt, was dich so stark macht.« (Richter 16,15 NLB) Dreimal erhielt Simson den eindeutigen Beweis, dass die Philister mit seiner Liebhaberin im Bunde waren, um ihn zu vernichten. Aber jedes Mal, wenn ihr Plan misslang, tat sie die Sache als Scherz ab, und er verdrängte unbedacht seine Angst. WAB 549.2
Tag für Tag bedrängte ihn Delila, bis »er es nicht mehr aushielt« (Richter 16,16 NLB), doch eine geheimnisvolle Kraft hielt ihn an ihrer Seite. Schließlich wurde er überwunden und verriet sein Geheimnis: »Noch nie in meinem Leben sind mir die Haare geschnitten worden. Seit meiner Geburt bin ich dem Herrn geweiht. Wenn man mir die Haare abschneidet, verliere ich meine Kraft und bin nicht stärker als irgendein anderer Mensch.” (Richter 16,17 GNB) Sofort sandte sie einen Boten zu den Fürsten der Philister und forderte sie dringend auf, unverzüglich zu ihr zu kommen. Während der Krieger schlief, schnitt man ihm die schwere Menge seines Haares ab. Dann rief sie, wie sie es schon dreimal getan hatte: »Philister über dir, Simson!” (Richter 16,20a) Als er plötzlich erwachte, wollte er seine Kraft wie früher anwenden und sie vernichten. Aber die kraftlos gewordenen Arme versagten den Dienst, und er begriff, »dass der Herr von ihm gewichen war” (Richter 16,20b). Als er geschoren war, fing Delila an, ihn zu ärgern und ihm Schmerzen zuzufügen, um seine Kraft auf die Probe zu stellen, denn die Philister trauten sich nicht an ihn heran, ehe sie nicht restlos überzeugt waren, dass ihn seine Stärke verlassen hatte. Dann ergriffen sie ihn, stachen ihm beide Augen aus und nahmen ihn mit nach Gaza. Hier wurde er im Gefängnis mit Ketten gebunden und zu schwerer Arbeit gezwungen. WAB 549.3