Mit diesem Lichtblick in der Dunkelheit setzten der König und seine Begleiter ihren Weg fort, den Osthang des Ölbergs hinunter, durch felsige, trostlose Einöden und Bergschluchten auf dem steinigen, abschüssigen Weg zum Jordan hin. »Als König David an Bahurim vorüberzog, kam aus dem Dorf ein Mann heraus und verfluchte sie. Es war Schimi, der Sohn Geras, aus der Sippe Sauls. Er bewarf David und seine Leute mit Steinen, obwohl alle Krieger den König umgaben. ›Fort mit dir, du Mörder, du Übeltäter!‹, schrie er fluchend. ›Der Herr bestraft dich dafür, dass du Saul und seine Familie ermordet hast. Du hast ihm den Thron gestohlen und jetzt hat der Herr ihn deinem Sohn Absalom gegeben. Nun trifft dich das Unglück, und du hast es verdient, du Mörder!‹« (2. Samuel 16,5-8 NLB) WAB 716.3
Solange es David gut gegangen war, hatte Schimi weder durch Worte noch durch Taten zu erkennen gegeben, dass er kein ergebener Untertan war. Als sich aber der König im Elend befand, offenbarte dieser Benjaminit seine wahre Gesinnung. Während David den Thron innehatte, zollte er ihm die nötige Ehre, aber in seiner Erniedrigung fluchte er ihm. Er war falsch und egoistisch und unterstellte anderen seine Charaktereigenschaften. Von Satan beeinflusst ließ er seinen Hass nun an demjenigen aus, den Gott heimgesucht hatte. Der Geist, der einen veranlasst, über jemand im Elend zu triumphieren, ihn zu verunglimpfen oder zu kränken, ist der Geist Satans. WAB 717.1
Schimis Anschuldigungen gegen David waren völlig unberechtigt, und dadurch verleumdete er ihn böswillig und grundlos. David hatte weder Saul noch dessen Familie Unrecht getan. Als Saul völlig in seiner Gewalt war und er ihn hätte töten können, hatte er nur einen Zipfel von seinem Umhang abgeschnitten - und selbst dabei hatte er sich vorgeworfen, dem Gesalbten des Herrn gegenüber respektlos gehandelt zu haben. WAB 717.2
Sogar als David von Saul wie ein wildes Tier gejagt wurde, hatte er seine Achtung vor dem menschlichen Leben eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Während er sich in der Höhle Adullam verborgen hielt, wanderten eines Tages seine Gedanken zurück in die unbekümmerte Freiheit seiner Jugendjahre, und er rief aus: »Wer will mir Wasser zu trinken holen aus dem Brunnen am Tor in Bethlehem?« (2. Samuel 23,15) Bethlehem war zu jener Zeit in den Händen der Philister. Drei seiner Krieger durchbrachen daraufhin die Lagerwache, um ihrem Herrn Wasser aus Bethlehem zu bringen. David wollte es aber nicht trinken. »Der Herr bewahre mich davor, es zu trinken«, rief er. »Dieses Wasser ist so kostbar wie das Blut dieser Männer, die dafür ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben.« (2. Samuel 23,17 NLB) Ehrerbietig goss er das Wasser aus als Opfergabe für Gott. David war ein Mann des Krieges gewesen, der über weite Strecken seines Lebens von Gewalt umgeben war. Aber nicht viele, die durch solch traumatische Situationen gegangen sind, wurden von dem verhärtenden und demoralisierenden Einfluss dieser Erlebnisse so wenig beeinträchtigt, wie David. WAB 717.3
Davids Neffe Abischai, einer seiner tapfersten Hauptleute, konnte Schi- mis Schmähworte nicht mehr länger mit anhören. »Warum darf dieser tote Hund meinen Herrn, den König, verfluchen?«, rief er empört. »Lass mich ihm den Kopf abschlagen!” (2. Samuel 16,9 NLB) Aber der König verbot es ihm mit den Worten: »Mein eigener Sohn will mich töten, hätte da nicht dieser Mann aus dem Stamm Benjamin sehr viel mehr Grund dazu? Deshalb lasst ihn in Ruhe, er soll mich verfluchen, denn der Herr hat es ihm aufgetragen. Vielleicht wird der Herr ja mein Elend sehen und wird mich segnen, statt die Flüche wahr werden zu lassen.” (2. Samuel 16,11.12 NLB) WAB 717.4