Bedrückt kehrte Lot nach Hause zurück und berichtete von seinem Misserfolg. Darauf geboten ihm die Engel, mit seiner Frau und den beiden Töchtern, die noch bei ihnen lebten, die Stadt zu verlassen. Aber Lot zögerte. Wohl musste er täglich Gewalttaten mit ansehen und war auch darüber betrübt, aber trotzdem besaß er keine rechte Vorstellung von den entwürdigenden und abscheulichen Schandtaten, die in dieser lasterhaften Stadt verübt wurden. Er begriff nicht, dass hier die schreckliche Notwendigkeit vorlag, der Sünde durch ein Gottesgericht Einhalt zu gebieten. Einige seiner Kinder hingen an Sodom, und seine Frau weigerte sich, ohne sie zu gehen. Der Gedanke, diejenigen zurücklassen zu müssen, die ihm das Liebste auf Erden waren, erschien Lot unerträglich. Außerdem fiel es ihm schwer, sein luxuriöses Zuhause und all den Reichtum, den er sich im Laufe seines Lebens erarbeitet hatte, aufzugeben. Sollte er wirklich als mittelloser Wanderer fortziehen? Von Kummer betäubt, zögerte er noch immer und konnte sich nicht zum Aufbruch entschließen. Wären da nicht die Engel gewesen, wären sie alle mit Sodom untergegangen. Doch die himmlischen Boten fassten ihn, seine Frau und die Töchter an der Hand und führten sie aus der Stadt hinaus. WAB 143.2
Dort wurden sie von den Engeln verlassen, die hierauf in die Stadt zurückkehrten, um ihr Vernichtungswerk auszuführen. Ein weiterer Engel kam auf Lot zu - jener, mit dem Abraham verhandelt hatte. In allen Städten der Ebene hatte er nicht einmal zehn gerechte Personen gefunden. Doch als Antwort auf Abrahams Bitten wurde wenigstens der einzige Gottesfürchtige dem Verderben entrissen. Dieser Engel befahl Lot mit einer Heftigkeit, die ihn überraschte: »Rette dein Leben und sieh nicht hinter dich, bleib auch nicht stehen in dieser ganzen Gegend. Auf das Gebirge rette dich, damit du nicht umkommst!” (1. Mose 19,17) Weiteres Zaudern oder eine Verzögerung wäre nun verhängnisvoll! Ein einziger Blick auf die dem Untergang geweihte Stadt oder ein kurzer Augenblick des Bedauerns, ein so schönes Zuhause verlassen zu müssen, hätte sie das Leben gekostet. Der Sturm des Gottesgerichts wartete nur ab, bis die armen Flüchtlinge in Sicherheit waren. WAB 144.1
Lot war bestürzt und erschüttert und flehte: »Aber ich schaffe es nicht mehr bis ins Gebirge, bevor das Unglück über die Stadt hereinbricht und mich in den Tod reißt.« (1. Mose 19,19 NLB) Das Leben in dieser gottlosen Stadt inmitten von Ungläubigen hatte sein Vertrauen verkümmern lassen. Obwohl der Fürst des Lebens neben ihm stand, der ihm bis dahin so viel Fürsorge und Liebe bewiesen hatte, bat Lot um sein Leben, als ob Gott ihn nicht auch weiterhin bewahren würde. Er hätte sich dem Boten des Himmels voll und ganz anvertrauen sollen und seinen Willen und sein Leben ohne Fragen oder Zweifel in die Hände des Herrn legen sollen. Aber wie viele andere wollte er seine Zukunft lieber selbst planen: »Jenes Dorf ist nahe genug, um dorthin zu fliehen. Es ist doch nur klein. Ich will mich dort in Sicherheit bringen. Ist es nicht klein genug, damit ich in ihm am Leben bleiben kann?” (1. Mose 19,20 NLB) Die hier erwähnte Stadt war Bela, die später Zoar genannt wurde und nicht weit von Sodom entfernt lag. Sie war ebenso verdorben und dem Untergang geweiht. Aber Lot bat, sie zu verschonen und ihm doch diese kleine Bitte zu erfüllen. Dieser Wunsch wurde ihm auch gewährt. Der Herr versicherte ihm: »Ich will auch diese Bitte erfüllen und dieses Dorf nicht zerstören.« (1. Mose 19,21 NLB) Wie groß ist doch Gottes Barmherzigkeit seinen irrenden Geschöpfen gegenüber! WAB 144.2
Noch einmal wurde Lot dringend aufgefordert, sich zu beeilen, denn der Feuersturm würde nicht länger aufgeschoben werden. Doch eine von den Flüchtenden wagte es, einen Blick zurück auf die untergehende Stadt zu werfen. Lots Frau wurde zur Salzsäule - zu einem Mahnmal des göttlichen Gerichts. Hätte Lot nicht so lange gezögert, der Warnung des Engels zu folgen, und wäre er eilends auf die Berge geflüchtet, ohne Bitten und Einwände vorzubringen, hätte auch seine Frau dem Tod entrinnen können. Durch sein Beispiel hätte er sie beeinflussen und vor dem Vergehen, das ihren Untergang besiegelte, bewahren können. Seine Unschlüssigkeit aber und sein Zögern veranlassten sie, Gottes Warnung auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Ebene lag schon hinter ihr, aber mit ihrem Herzen war sie noch in Sodom und ging auch mit der Stadt zugrunde. Sie hatte sich innerlich gegen Gott aufgelehnt, weil ihre Kinder und ihre Habe dem Untergang preisgegeben wurden. Obwohl sie das große Glück hatte, aus der Stadt herausgerufen zu werden, fühlte sie sich hart behandelt, weil sie ihren in jahrelanger Arbeit angesammelten Reichtum zurücklassen musste. Anstatt dankbar ihre eigene Rettung anzunehmen, schaute sie vermessen zurück. Sie wünschte sich das Leben derjenigen, die Gottes Warnung verworfen hatten. Ihr Vergehen bewies, dass sie des Lebens unwürdig war, für dessen Bewahrung sie so wenig Dankbarkeit empfand. WAB 144.3
Wir sollten uns hüten, Gottes gnadenvolle Vorkehrungen, die er zu unserer Erlösung getroffen hat, geringzuschätzen. Man hört Christen sagen: Ich lege keinen Wert darauf, errettet zu werden, wenn nicht auch mein Mann und meine Kinder selig werden. Sie meinen, der Himmel könne für sie ohne die Anwesenheit ihrer Lieben kein Himmel sein. Haben aber diejenigen, die solche Empfindungen hegen, das richtige Verständnis von ihrer eigenen Beziehung zu Gott, und zwar im Hinblick auf seine große Güte und Gnade, die er ihnen erweist? Haben sie vergessen, dass sie durch die stärksten Bande wie Liebe, Ehrfurcht und Treue verpflichtet sind, ihrem Schöpfer und Erlöser zu dienen? Gott lädt in seiner Gnade alle ein. Sollten wir uns deshalb von ihm abwenden, weil viele unserer Freunde die flehende Liebe des Sohnes Gottes ausschlagen? Die Erlösung ist etwas Wertvolles, denn Christus hat einen unermesslichen Preis dafür bezahlt. Niemand, der dieses große Opfer und den Wert eines Menschen zu schätzen weiß, wird die ihm angebotene Gnade Gottes verschmähen, nur weil andere das tun. Gerade die Tatsache, dass andere seine gerechten Forderungen missachten, müsste uns noch mehr dazu anspornen, Gott zu verehren und alle Menschen unserer Umgebung dafür zu gewinnen, seine Liebe anzunehmen. WAB 145.1