Wie kann unter diesen Umständen das Evangelium eine Botschaft des Friedens genannt werden? Als Jesaja die Geburt des Messias vorhersagte, gab er ihm den Titel »Friedefürst”. Als die Engel den Hirten verkündigten, dass Christus geboren sei, sangen sie über den Fluren Bethlehems: »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.« (Lukas 2,14) Zwischen diesen prophetischen Aussagen und den Worten Christi »ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert” (Matthäus 10,34), scheint ein Widerspruch zu bestehen. Doch richtig verstanden, stimmen beide Aussagen völlig überein. Das Evangelium ist eine Botschaft des Friedens. Das Christentum verbreitet, wenn es angenommen und ausgelebt wird, Frieden, Eintracht und Freude über die ganze Erde. Die Religion Christi wird alle in inniger Gemeinschaft miteinander verbinden, die ihre Lehren annehmen. Es war Jesu Aufgabe, die Menschen mit Gott und untereinander zu versöhnen. Im Allgemeinen befindet sich die Welt aber unter der Herrschaft Satans, des bittersten Feindes Jesu. Das Evangelium zeigt ihr Lebensgrundsätze, die ihren Gewohnheiten und Wünschen völlig zuwiderlaufen, und dagegen lehnt sie sich auf. Sie hasst die Reinheit, die ihre Sünden offenbart und verurteilt, und sie verfolgt und vernichtet alle, die ihr jene gerechten und heiligen Ansprüche vor Augen halten. In diesem Sinn wird das Evangelium ein Schwert genannt, weil die ewig gültigen Wahrheiten Hass und Streit erzeugen. VSL 45.3
Das geheimnisvolle Wirken Gottes, der zulässt, dass der Gerechte von der Hand des Gottlosen Verfolgung erleidet, hat viele, die im Glauben schwach sind, schon in größte Verlegenheit gebracht. Manche sind sogar bereit, ihr Vertrauen auf Gott wegzuwerfen, weil er zulässt, dass es den niederträchtigsten Menschen gut geht, während die Besten und Reinsten durch grausame Mächte geplagt und gequält werden. Wie ist es möglich, wird gefragt, dass der Gerechte und Barmherzige, dessen Macht unendlich ist, solche Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen duldet? Dies ist eine Frage, die uns nicht quälen muss. Gott hat uns ausreichende Beweise seiner Liebe geliefert, und wir sollen nicht an seiner Güte zweifeln, wenn wir sein Wirken nicht verstehen können. Christus sagte zu seinen Jüngern, als er die Zweifel voraussah, die sie in den Tagen der Prüfung und der Finsternis plagen würden: »Gedenkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen.« (Johannes 15,20) Jesus hat mehr für uns gelitten, als irgendeiner seiner Nachfolger durch die Grausamkeit gottloser Menschen jemals zu leiden vermag. Wer berufen ist, Qualen und den Märtyrertod zu erdulden, folgt nur den Fußstapfen des treuen Gottessohnes. VSL 46.1
»Der Herr verzögert nicht die Verheißung.” (2. Petrus 3,9) Er vergisst oder vernachlässigt seine Kinder nicht. Er gestattet aber den Gottlosen, ihren wahren Charakter zu offenbaren, damit keiner, der seinem Willen folgen will, von ihnen getäuscht werden kann. Wiederum lässt er die Gerechten durch den Feuerofen der Trübsal gehen, damit sie selbst gereinigt werden und ihr Beispiel andere von der Realität des Glaubens und der Kraft Gottes überzeugt und ihr treuer Wandel auch den Gottlosen und Ungläubigen das Urteil spricht. VSL 46.2
Gott gestattet den Übeltätern, dass es ihnen gut geht und ihre Feindschaft gegen ihn offenkundig wird. Wenn aber das Maß ihrer Ungerechtigkeit voll ist, werden alle Menschen in der vollständigen Vernichtung der Gottlosen die Gerechtigkeit und Gnade Gottes erkennen. Der Tag seiner Vergeltung nähert sich rasch, an dem alle, die sein Gesetz übertreten und sein Volk unterdrückt haben, die gerechte Strafe für ihre Taten erhalten, und jede Gräueltat, jede Ungerechtigkeit am Volk Gottes so bestraft wird, als ob sie an Christus selbst begangen worden wäre. VSL 46.3
Es gibt eine andere und wichtigere Frage, auf die sich die Kirchen unserer Tage konzentrieren sollten. Der Apostel Paulus sagt: »Alle, die fromm leben wollen in Christus Jesus, müssen Verfolgung leiden.” (2. Timotheus 3,12) Weshalb ist es dann aber so, dass Verfolgung offenbar mehrheitlich abgeflaut ist? Der einzige Grund liegt darin, dass sich die Kirche der Welt angepasst hat und deshalb keinen Widerstand mehr erregt. Die Religion unserer Tage hat nicht den reinen und heiligen Charakter, der den christlichen Glauben in den Tagen Jesu und seiner Apostel auszeichnete. Weil man mit der Sünde gemeinsame Sache macht, die großen Wahrheiten des Wortes Gottes gleichgültig betrachtet und wenig lebendiger Glaube in der Gemeinde vorhanden ist, ist das Christentum in der Welt anscheinend so beliebt. Lassen wir den Glauben und die Kraft der ersten Christengemeinde neu aufleben, dann wird auch der Geist der Verfolgung wieder lebendig und das Feuer der Verfolgung neu entfacht werden. VSL 47.1