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Die Heilung Am Sabbat SDL 182

Jesus war erneut in Jerusalem. Allein und anscheinend in Gedanken und im Gebet versunken, kam er zum Teich. Er sah die armen Leidenden, die auf das warteten, was sie für ihre einzige Heilungschance hielten. Er hätte seine heilende Kraft gerne eingesetzt, um jeden Kranken gesund zu machen, aber es war Sabbat. Unzählige Menschen strömten in den Tempel, um Gottesdienst zu feiern. Jesus wusste, dass solch eine Heilungstat die Feindseligkeit der jüdischen Führer ihm gegenüber so sehr erregen würde, dass sein Wirken ein vorzeitiges Ende fände. SDL 182.3

Doch dann erblickte Jesus einen Menschen in tiefstem Elend. Da lag ein Mann, der seit 38 Jahren ein hilfloser Krüppel war. Seine Krankheit war zum größten Teil die Folge seiner Sünde und wurde deshalb als Strafe Gottes angesehen. Allein und von Freunden verlassen, mit dem Gefühl, von der Gnade Gottes ausgeschlossen zu sein, durchlebte der Leidende lange Jahre tiefster Not. Wenn Menschen, die ihn in seiner Hilflosigkeit bemitleideten, dachten, das Wasser würde sich demnächst bewegen, schleppten sie ihn zu den Hallen. Im entscheidenden Augenblick jedoch hatte er niemanden, der ihm ins Wasser half. Stets sah er, wie sich das Wasser bewegte, aber es gelang ihm nie, weiter zu kommen als bis zum Rand des Teiches. Andere, die stärker waren als er, stürzten sich vor ihm hinein. Er konnte unmöglich gegen eine selbstsüchtig drängende Menge ankommen. Die ständigen Versuche, dieses eine Ziel zu erreichen, seine Angst und die stets wiederkehrenden Enttäuschungen raubten ihm seine letzte Kraft. SDL 183.1

Während der kranke Mann auf seiner Matte lag und ab und zu sein Haupt erhob, um auf den Teich zu blicken, beugte sich ein gütiges, mitleidsvolles Gesicht über ihn. Die Worte »Willst du gesund werden?« (Johannes 5,6) erregten seine Aufmerksamkeit. Hoffnung erfüllte sein Herz. Er spürte, dass er irgendwie Hilfe bekommen würde. Aber der Hoffnungsschimmer erlosch bald wieder. Er dachte daran, wie oft er vergebens versucht hatte, den Teich zu erreichen. Die Aussichten, dass er noch leben würde, wenn sich das Wasser das nächste Mal bewegte, standen schlecht. Erschöpft wandte er sich ab. »Herr, ich kann nicht ... denn ich habe niemanden, der mich in den Teich trägt, wenn sich das Wasser bewegt. Während ich noch versuche hinzugelangen, steigt immer schon ein anderer vor mir hinein.« (Johannes 5,7 NLB) SDL 183.2

Jesus forderte diesen Leidenden nicht auf, an ihn zu glauben, sondern sagte einfach: »Steh auf, nimm deine Matte und geh!« (Johannes 5,8 NLB) Der Mann klammerte sich im Glauben an diese Worte. Neues Leben durchdrang jeden Nerv und jeden Muskel, und eine heilsame Bewegung fuhr durch seine verkrüppelten Glieder. Ohne lange zu fragen, entschloss er sich, der Aufforderung von Christus zu folgen. Alle seine Muskeln gehorchten seinem Willen. Er sprang auf seine Füße und merkte, dass er sich wieder bewegen konnte. SDL 183.3

Jesus hatte ihm keine göttliche Hilfe zugesichert. Der Mann hätte dem Zweifel nachgeben und damit seine einzige Möglichkeit zur Heilung verlieren können. Doch er glaubte den Worten von Jesus. Sobald er danach handelte, erhielt er die notwendige Kraft. SDL 183.4

Durch denselben Glauben können wir geistlich geheilt werden. Die Sünde hat uns vom göttlichen Leben getrennt. Unser Innerstes ist gelähmt. Aus uns selbst heraus können wir genauso wenig ein heiliges Leben führen, wie jener Gelähmte imstande war zu gehen. Viele Menschen werden sich ihrer Hilflosigkeit bewusst und sehnen sich nach einem geistlichen Leben, das sie in Einklang mit Gott bringt. Doch sie streben vergeblich danach. Verzweifelt rufen sie aus: »Was bin ich doch für ein elender Mensch! Wer wird mich von diesem Leben befreien, das von der Sünde beherrscht wird?« (Römer 7,24 NLB) Diese verzagten und sich abmühenden Menschen dürfen aufschauen. Der Erlöser neigt sich über den Menschen, den er mit seinem Blut erkauft hat, und fragt mit unaussprechlicher Güte und Mitleid: »Willst du gesund werden?« (Johannes 5,6) Er lädt dich ein, in Gesundheit und Frieden aufzustehen. Warte nicht, bis du spürst, dass du gesund bist! Glaube seinem Wort, und es wird erfüllt! Übergib deinen Willen an Christus! Entschließe dich, ihm zu dienen! Sobald du auf sein Wort hin handelst, wirst du Kraft erhalten. Welche Sünde oder beherrschende Leidenschaft die Seele und den Leib auch binden mag (weil ihr so lange nachgegeben wurde), Christus kann und möchte dich befreien! Er will dem Menschen, der durch Übertretungen und Sünden tot ist (vgl. Epheser 2,1), Leben verleihen. Er will den Gefangenen, der durch Schwachheit, Unglück und die Ketten der Sünde gebunden ist, frei machen. SDL 183.5

Der Geheilte bückte sich und hob sein Bett auf, das nur aus einer Matte und einer Decke bestand. Er richtete sich mit Freuden auf und schaute sich nach dem Mann um, der ihn geheilt hatte. Doch Jesus war in der Menge verschwunden. Der Mann befürchtete, dass er ihn nicht wieder erkennen würde, sollte er ihm wieder begegnen. Nun machte er sich eiligst davon. Mit sicherem Schritt zog er seines Weges, lobte Gott und freute sich über seine neu gewonnene Kraft. Da begegnete er einigen Pharisäern und erzählte ihnen sofort von seiner Heilung. Doch er war überrascht, mit welcher Kälte sie seiner Geschichte zuhörten. SDL 184.1