In unmittelbarer Nachbarschaft der Israeliten, die sich den Wiederaufbau des Tempels zur Aufgabe gemacht hatten, wohnten die Samariter, eine Mischbevölkerung, die aus Ehen zwischen heidnischen Siedlern aus den Provinzen Assyriens mit dem zurückgelassenen Rest der zehn Stämme in Samaria und Galiläa hervorgegangen war. In späteren Jahren behaupteten die Samariter, den wahren Gott zu verehren, aber in ihrem Inneren und nach ihrem Tun waren sie Götzenanbeter. Sie waren allerdings der Meinung, daß ihre Götzen lediglich dazu da waren, sie an den lebendigen Gott, den Herrscher des Weltalls, zu erinnern; dennoch neigte das Volk dazu, Götzenbilder zu verehren. PK 397.1
Während der Zeit des Wiederaufbaus wurden diese Samariter bekannt als “die Widersacher Judas und Benjamins”. Als sie “hörten, daß die, die aus der Gefangenschaft zurückgekommen waren, dem Herrn, dem Gott Israels, den Tempel bauten, kamen sie zu Serubabel ... und den Sippenhäuptern” und drückten den Wunsch aus, sich an dem Bau zu beteiligen. “Wir wollen mit euch bauen”, schlugen sie vor; “denn auch wir suchen euren Gott und haben ihm geopfert seit der Zeit Asar-Haddons, des Königs von Assur, der uns hierher gebracht hat.” Esra 4,1.2. Aber das Vorrecht, um das sie baten, wurde ihnen verweigert. “Es ziemt sich nicht, daß ihr und wir miteinander das Haus unseres Gottes bauen”, erklärte der Führer der Israeliten. “Wir allein wollen bauen dem Herrn, dem Gott Israels, wie es uns Cyrus, der König von Persien, geboten hat.” Esra 4,3. PK 397.2
Nur ein Rest des Volkes hatte sich für die Rückkehr aus Babylon entschieden. Als sie nun ein Werk begannen, das anscheinend über ihre Kräfte ging, kamen ihre nächsten Nachbarn und boten Hilfe an. Die Samariter verwiesen darauf, daß sie den wahren Gott verehrten und brachten ihren Wunsch zum Ausdruck, an den Vorrechten und Segnungen, die mit dem Tempelgottesdienst verbunden waren, teilzuhaben. “Auch wir suchen euren Gott”, sagten sie. “Wir wollen mit euch bauen.” Doch wenn die jüdischen Führer dieses Hilfsangebot angenommen hätten, wäre damit dem Götzendienst Tür und Tor geöffnet worden. Sie durchschauten die Unaufrichtigkeit der Samariter und erkannten, daß die Hilfe, die sie durch eine Verbindung mit diesen Menschen gewönnen, nichts wäre im Vergleich mit dem Segen, den sie durch die Befolgung der klaren Weisungen des Herrn erwarten konnten. PK 397.3
In Anbetracht der Beziehungen, die Israel mit den umliegenden Völkern unterhalten sollte, hatte der Herr durch Mose erklärt: “Du sollst keinen Bund mit ihnen schließen und keine Gnade gegen sie üben und sollst dich mit ihnen nicht verschwägern ... Denn sie werden eure Söhne mir abtrünnig machen, daß sie andern Göttern dienen; so wird dann des Herrn Zorn entbrennen über euch.” 5.Mose 7,2-4. “Denn du bist ein heiliges Volk dem Herrn, deinem Gott, und der Herr hat dich erwählt, daß du sein Eigentum seist, aus allen Völkern, die auf Erden sind.” 5.Mose 14,2. PK 398.1
Was sich aus einem Bundesverhältnis mit den umliegenden Völkern ergeben würde, war klar vorausgesagt worden. “Der Herr wird dich zerstreuen unter alle Völker von einem Ende der Erde bis ans andere”, hatte Mose verkündet. “Du wirst dort andern Göttern dienen, die du nicht kennst noch deine Väter: Holz und Steinen. Dazu wirst du unter jenen Völkern keine Ruhe haben, und deine Füße werden keine Ruhestatt finden. Denn der Herr wird dir dort ein bebendes Herz geben und erlöschende Augen und eine verzagende Seele, und dein Leben wird immerdar in Gefahr schweben; Nacht und Tag wirst du dich fürchten und deines Lebens nicht sicher sein. Morgens wirst du sagen: Ach daß es Abend wäre! und abends wirst du sagen: Ach daß es Morgen wäre! vor Furcht deines Herzens, die dich schrecken wird, und vor dem, was du mit deinen Augen sehen wirst.” 5.Mose 28,64-67. “Wenn du aber dort den Herrn, deinen Gott, suchen wirst”, lautete die Verheißung, “so wirst du ihn finden, wenn du ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele suchen wirst.” 5.Mose 4,29. PK 398.2
Serubabel und seinen Mitarbeitern waren diese und viele ähnliche Schriftstellen vertraut, und noch vor kurzem, in der Verbannung, hatten sie einen Beweis nach dem andern für ihre Erfüllung erhalten. Nachdem sie die Sünden bereut hatten, die über sie und ihre Väter alle von Mose so klar vorausgesagten Strafgerichte gebracht hatten, und nachdem sie sich von ganzem Herzen zu Gott bekehrt und ihren Bund mit ihm erneuert hatten, war ihnen jetzt erlaubt worden, nach Judäa zurückzukehren, um das wiederaufzurichten, was zerstört worden war. Sollten sie gleich am Beginn ihres Unternehmens ein Bündnis mit Götzendienern eingehen? PK 398.3
“Du sollst keinen Bund mit ihnen schließen”, hatte Gott gesagt. 5.Mose 5,2-4. Alle jene, die sich vor kurzem am Altar vor den Ruinen seines Tempels dem Herrn aufs neue geweiht hatten, erkannten, daß die Trennungslinie zwischen seinem Volk und der Welt stets unmißverständlich klar eingehalten werden muß. Sie weigerten sich, ein Bündnis mit denen einzugehen, die zwar die Forderungen des Gesetzes Gottes kannten, sich seinem Anspruch aber doch nicht fügten. PK 399.1
Die Grundsätze, die im fünften Buch Mose zur Unterweisung Israels dargelegt sind, sollten von Gottes Volk bis zum Ende der Zeit befolgt werden. Wahres Wohlergehen hängt davon ab, ob unser Bund mit Gott noch fortbesteht. Wir können niemals einwilligen, Grundsätze dadurch aufs Spiel zu setzen, daß wir uns mit denen verbinden, die den Herrn nicht fürchten. PK 399.2
Bekenntliche Christen sind beständig in der Gefahr, zu der Auffassung zu gelangen, sie müßten sich bis zu einem gewissen Grad der Welt anpassen, um Einfluß auf Weltmenschen zu gewinnen. Solch ein Verhalten scheint zwar große Vorteile zu bieten, es läuft jedoch immer auf einen geistlichen Verlust hinaus. Gottes Volk muß sich streng vor jedem heimtückischen Einfluß hüten, der bei ihm durch schmeichelhafte Anregungen der Wahrheitsfeinde Eingang sucht. Es besteht aus Pilgern und Fremdlingen in dieser Welt, die auf einem Pfad wandern, von Gefahren umlagert. Kluge Einwände und verlockende Anregungen werden vorgebracht, um sie von ihrer Treuepflicht abzubringen; aber sie dürfen ihnen keine Beachtung schenken. PK 399.3
Nicht die offenen und erklärten Feinde der Sache Gottes sind am meisten zu fürchten. Jene, die wie die Gegner Judas und Benjamins mit süßen Worten und schönen Reden daherkommen und scheinbar eine freundliche Verbindung mit Gottes Kindern suchen, vermögen uns viel gründlicher zu täuschen. Gegen solche Menschen sollte jeder Gläubige auf der Hut sein, damit er nicht unversehens in eine sorgfältig versteckte und meisterlich ausgelegte Schlinge gerät. Besonders heute, wo die Weltgeschichte sich ihrem Ende zuneigt, fordert der Herr seine Kinder zu einer Wachsamkeit auf, die kein Nachlassen kennt. Doch obwohl der Kampf unaufhörlich weitertobt, wird keiner in seinem Ringen alleingelassen. Engel unterstützen und bewahren alle, die demütig vor Gott wandeln. Niemals wird unser Herr jemand im Stich lassen, der ihm vertraut. Während seine Kinder sich ihm nahen, um vor dem Bösen bewahrt zu werden, pflanzt er für sie in Liebe und Erbarmen ein Banner vor dem Feind auf. Er sagt: Rühre sie nicht an! Sie sind mein! In meine Hände habe ich sie gezeichnet. Vgl. Jesaja 49,16. PK 399.4
Das Volk der Samariter war unermüdlich in seinem Widerstand und machte “die Juden mutlos und schreckte sie vom Bauen ab. Und sie dingten Ratgeber gegen sie und hinderten ihr Vorhaben, solange Cyrus, der König von Persien, lebte, bis zur Herrschaft des Darius, des Königs von Persien.” Esra 4,4.5. Durch falsche Gerüchte weckten sie Argwohn in Gemütern, die man leicht mißtrauisch machen konnte. Viele Jahre wurden jedoch die Mächte des Bösen in Schach gehalten, und die Menschen in Judäa konnten in Freiheit ihr Werk fortsetzen. PK 400.1
Während Satan sich bemühte, die höchsten Machthaber im Königreich der Meder und Perser so zu beeinflussen, daß sie sich Gottes Volk gegenüber ungnädig zeigten, wirkten Engel zugunsten der Verbannten. An dieser Auseinandersetzung nahm der ganze Himmel Anteil. Durch den Propheten Daniel wird uns ein Einblick in dieses gewaltige Ringen zwischen den Mächten des Guten und des Bösen gewährt. Drei Wochen lang kämpfte Gabriel mit den dunklen Mächten, um dem Einfluß entgegenzutreten, der den Geist des Cyrus bedrängte. Noch ehe der Kampf beendet war, kam Christus selbst Gabriel zu Hilfe. “Aber der Engelfürst des Königreichs Persien hat mir einundzwanzig Tage widerstanden”, erklärte Gabriel; “und siehe, Michael, einer der Ersten unter den Engelfürsten, kam mir zu Hilfe, und ihm überließ ich den Kampf mit dem Engelfürsten des Königreichs Persien.” Daniel 10,13. PK 400.2
Alles, was Gott für sein Volk tun konnte, war getan. Schließlich war der Sieg errungen; die feindlichen Mächte wurden während der ganzen Lebenszeit des Cyrus und seines Sohnes Kambyses, der etwa siebeneinhalb Jahre regierte, in Schach gehalten. PK 400.3
Dies war eine Zeit wunderbarer Möglichkeiten für die Juden. Die höchsten Gesandten des Himmels wirkten an den Herzen der Könige, und es lag nun beim Volk Gottes, den Erlaß des Cyrus mit größtem Eifer auszuführen. Sie hätten keine Mühe scheuen dürfen, den Tempel und seine Gottesdienste zu erneuern und ihre eigenen judäischen Heime wiederherzustellen. Doch in den Tagen göttlicher Machtbezeugung zeigten sich viele unwillig. Der Widerstand ihrer Feinde war stark und entschlossen, und allmählich verloren die Bauleute den Mut. Einige konnten nicht vergessen, wie bei der Grundsteinlegung viele ihren Mangel an Vertrauen in dieses Unternehmen geäußert hatten. Und als die Samariter dreister wurden, fragten sich viele Juden, ob die Zeit zum Wiederaufbau überhaupt schon gekommen sei. Dieser Zweifel griff bald weit um sich. Viele Arbeiter kehrten entmutigt und niedergeschlagen nach Hause zurück, um den alltäglichen Beschäftigungen des Lebens nachzugehen. PK 401.1
Während der Herrschaft des Kambyses ging die Arbeit am Tempel nur langsam voran. Und während der Regierung des falschen Smerdis (in Esra 4,7 Arthahsastha genannt) veranlaßten die Samariter diesen gewissenlosen Betrüger, ein Gebot zu erlassen, das den Juden den Wiederaufbau ihres Tempels und ihrer Stadt untersagte. PK 401.2
Über ein Jahr lang wurde der Tempelbau vernachlässigt und beinahe aufgegeben. Das Volk wohnte in seinen Häusern und bemühte sich, zu irdischem Wohlstand zu gelangen; doch seine Lage war beklagenswert. Wie es auch arbeitete, das Gedeihen blieb aus. Selbst die Kräfte der Natur schienen sich gegen die Juden verschworen zu haben. Weil sie den Tempel ungebaut liegen ließen, sandte der Herr eine verheerende Dürre über ihren Besitz. Er hatte den Israeliten die Früchte der Felder und Gärten — Korn, Wein und Öl — als Zeichen seiner Gunst geschenkt; weil sie jedoch diese reichlichen Gaben so selbstsüchtig verwendet hatten, wurden ihnen die Segnungen entzogen. PK 401.3
Solche Verhältnisse herrschten während der frühen Regierungszeit des Darius Hystaspes. Sowohl in geistlicher wie in weltlicher Hinsicht befanden sich die Israeliten in einem erbärmlichen Zustand. So lange hatten sie gemurrt und gezweifelt; so lange hatten sie es vorgezogen, ihre persönlichen Interessen vorrangig zu behandeln, während sie gleichgültig auf den in Trümmern liegenden Tempel des Herrn blickten, bis viele aus den Augen verloren hatten, was Gott durch ihre Rückführung nach Judäa beabsichtigt hatte. Diese sagten nun: “Die Zeit ist noch nicht da, daß man des Herrn Haus baue.” Haggai 1,2. PK 401.4
Doch selbst diese dunkle Stunde blieb nicht ohne Hoffnung für diejenigen, die ihr Vertrauen auf Gott setzten. Um der Krise zu begegnen, wurden die Propheten Haggai und Sacharja erweckt. In aufrüttelnden Zeugnissen enthüllten diese erwählten Boten dem Volk die Ursache seiner Schwierigkeiten. Die Propheten erklärten, der Mangel an irdischem Wohlstand sei die Folge davon, daß man versäumt habe, die Belange Gottes vorrangig zu behandeln. Hätten die Israeliten Gott geehrt und ihm dadurch die schuldige Achtung und Höflichkeit erwiesen, daß sie den Bau seines Hauses zu ihrer ersten Pflicht machten, dann hätten sie seine Gegenwart und seinen Segen auf sich gelenkt. PK 402.1
Forschend und fragend wandte sich Haggai an die Entmutigten: “Eure Zeit ist da, daß ihr in getäfelten Häusern wohnt, und dies Haus muß wüst stehen! Nun, so spricht der Herr Zebaoth: Achtet doch darauf, wie es euch geht: Ihr säet viel und bringt wenig ein; ihr eßt und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch und könnt euch doch nicht erwärmen; und wer Geld verdient, der legt’s in einen löchrigen Beutel.” Haggai 1,4-6. PK 402.2
Und dann offenbarte ihnen der Herr in Worten, die sie sicher verstehen mußten, die Ursache ihrer Armut: “Ihr erwartet wohl viel, aber siehe, es wird wenig; und wenn ihr’s schon heimbringt, so blase ich’s weg. Warum das? spricht der Herr Zebaoth. Weil mein Haus so wüst dasteht und ein jeder nur eilt, für sein Haus zu sorgen. Darum hat der Himmel über euch den Tau zurückgehalten und das Erdreich sein Gewächs. Und ich habe die Dürre gerufen über Land und Berge, über Korn, Wein, Öl und über alles, was aus der Erde kommt, auch über Mensch und Vieh und über alle Arbeit der Hände.” Haggai 1,9-11. PK 402.3
“Achtet doch darauf, wie es euch geht!” forderte der Herr sie auf. “Geht hin auf das Gebirge und holt Holz und baut das Haus! Das soll mir angenehm sein, und ich will meine Herrlichkeit erweisen, spricht der Herr.” Haggai 1,7.8. PK 402.4
Das Volk Israel und seine Führer nahmen sich die Botschaft des Rates und des Tadels zu Herzen, die ihnen Haggai vermittelte. Sie spürten, daß Gott wahrhaftig mit ihnen war. Sie wagten es nicht, die an sie ergangene erneute Belehrung zu mißachten, wonach ihr zeitliches und geistliches Wohl von ihrem treuen Gehorsam gegen die Befehle Gottes abhing. Aufgerüttelt durch die Warnungen des Propheten gehorchten “Serubabel ... und Josua ... und alle übrigen vom Volk der Stimme des Herrn, ihres Gottes, und den Worten des Propheten Haggai.” Haggai 1,12. PK 403.1
Sobald Israel sich zu gehorchen entschlossen hatte, folgte den Worten des Tadels eine ermutigende Botschaft: “Da sprach Haggai ...: Ich bin mit euch, spricht der Herr. Und der Herr erweckte den Geist Serubabels ... und den Geist Josuas ... und den Geist aller übrigen vom Volk, daß sie kamen und arbeiteten am Hause des Herrn Zebaoth, ihres Gottes.” Haggai 1,13.14. PK 403.2
Noch vor Ablauf eines Monats nach Wiederaufnahme der Arbeit am Tempel erhielten die Erbauer eine weitere tröstliche Botschaft: “Serubabel, sei getrost”, ermahnte der Herr durch seinen Propheten, “sei getrost, Josua ... Sei getrost, alles Volk im Lande, spricht der Herr, und arbeitet! Denn ich bin mit euch, spricht der Herr Zebaoth.” Haggai 2,4. PK 403.3
Dem am Fuße des Berges Sinai lagernden Israel hatte der Herr verkündigt: “Ich will unter den Kindern Israel wohnen und ihr Gott sein, daß sie erkennen sollen, ich sei der Herr, ihr Gott, der sie aus Ägyptenland führte, damit ich unter ihnen wohne, ich, der Herr, ihr Gott.” 2.Mose 29,45.46. Und jetzt streckte Gott trotz der Tatsache, daß sie wiederholt “widerspenstig” gewesen waren und “seinen heiligen Geist” betrübt hatten (Jesaja 63,10), durch die Botschaften seines Propheten erneut seine Hand zu ihrer Errettung aus. In Anerkennung ihres Zusammenwirkens mit ihm auf sein Ziel hin erneuerte er seine Bundesverheißung, daß sein Geist unter ihnen bleiben solle, und er forderte sie auf: “Fürchtet euch nicht.” Haggai 2,5. PK 403.4
Auch heute sagt der Herr zu seinen Kindern: “Sei getrost ... und arbeitet! Denn ich bin mit euch.” Haggai 2,4. Der Christ hat in dem Herrn immer einen starken Helfer. Wir mögen nicht wissen, wie er uns helfen wird, aber eines wissen wir: Niemals wird er die im Stich lassen, die ihr Vertrauen auf ihn setzen. Könnten die Christen erkennen, wie oft der Herr ihren Weg so gelenkt hat, daß des Feindes Absichten mit ihnen nicht ausgeführt werden konnten, dann wankten sie nicht so beklagenswert dahin. Ihr Glaube würde sich auf Gott stützen, und keine Anfechtung wäre so stark, sie zum Straucheln zu bringen. Sie würden den Herrn als ihre Weisheit und Stärke anerkennen, und er brächte durch sie zur Durchführung, was er sich vorgenommen hatte. PK 403.5
Die ernsten Bitten und Ermutigungen, die Haggai vermittelte, wurden durch Sacharja noch unterstrichen und ergänzt. Ihn hatte Gott berufen, Haggai beizustehen bei der Aufforderung an Israel, dem Befehl, sich aufzumachen und zu bauen, Folge zu leisten. Sacharjas erste Botschaft war eine Zusicherung, daß Gottes Wort niemals trügt, und eine Segensverheißung für alle, die dem sicheren prophetischen Wort Gehör schenkten. PK 404.1
Ihre Felder lagen brach, ihr kümmerlicher Vorrat an Lebensmitteln ging rasch zu Ende, und sie waren von unfreundlichen Völkern umgeben. Dennoch gingen die Israeliten — dem Ruf der Gottesboten folgend — im Glauben voran und arbeiteten fleißig am Wiederaufbau des zerstörten Tempels. Dieses Werk erforderte festes Gottvertrauen. Da das Volk sein Bestes zu tun versuchte und eine Erneuerung der Gnade Gottes in Herz und Leben erstrebte, wurde ihm durch Haggai und Sacharja Botschaft auf Botschaft gesandt mit der Zusicherung, daß sein Glaube reichlich belohnt werden solle und daß das Wort Gottes über den künftigen Ruhm des Tempels, dessen Mauern sie gerade errichteten, nicht trügen werde. Gerade in diesem Gebäude werde, wenn die Zeit erfüllt sei, der von allen Nationen Ersehnte als Lehrer und Erlöser der Menschheit erscheinen. PK 404.2
So wurden die Bauleute mit ihren Schwierigkeiten nicht alleingelassen. “Mit ihnen” waren “die Propheten Gottes, die sie stärkten”. Esra 5,2. Und der Herr der Heerscharen selbst hatte versichert: “Sei getrost ... und arbeitet! Denn ich bin mit euch.” Haggai 2,4. PK 404.3
Weil sie von Herzen bereuten und bereit waren, im Glauben voranzuschreiten, erhielten sie auch die Verheißung irdischen Wohlstandes. Der Herr erklärte: “Von diesem Tage an will ich Segen geben.” Haggai 2,19. PK 404.4
Ihr Führer Serubabel — er war in all den Jahren seit ihrer Rückkehr aus Babylon überaus hart angefochten worden — erhielt eine besonders wertvolle Botschaft. Der Tag werde kommen, so verkündigte der Herr, an dem alle Feinde seines auserwählten Volkes niedergeworfen würden. “Zur selben Zeit, spricht der Herr Zebaoth, will ich dich, Serubabel ... meinen Knecht, nehmen, spricht der Herr, und dich wie einen Siegelring halten; denn ich habe dich erwählt.” Haggai 2,23. Nun vermochte der Statthalter Israels den Sinn der Versuchung zu erkennen, die ihn durch Entmutigung und Ratlosigkeit hindurchgeführt hatte; er konnte in allem die Absicht Gottes begreifen. PK 404.5
Dieses persönliche Wort an Serubabel wurde zur Ermutigung der Kinder Gottes aller Zeiten niedergeschrieben. Gott verfolgt einen Plan, wenn er Prüfungen über seine Kinder schickt. Er führt sie nie anders als so, wie sie es sich selbst wünschten, könnten sie schon am Anfang das Ende sehen und die Herrlichkeit des Planes erkennen, den sie verwirklichen. Alles, was der Herr an Prüfungen und Anfechtungen über sie bringt, geschieht nur, damit sie stark werden, für ihn zu handeln und zu leiden. PK 405.1
Die von Haggai und Sacharja übermittelten Botschaften begeisterten das Volk, jede erdenkliche Anstrengung für den Wiederaufbau des Tempels zu unternehmen. Doch während sie arbeiteten, wurden sie unablässig von den Samaritern und anderen belästigt, die viele Arten der Behinderung ersannen. Bei einer Gelegenheit suchten die Provinzialbeamten des medisch-persischen Reiches Jerusalem auf und erkundigten sich, wer den Wiederaufbau des Gebäudes genehmigt habe. Wenn die Juden damals nicht darauf vertraut hätten, daß der Herr sie führe, hätte diese Nachfrage für sie verhängnisvoll ausgehen können. “Aber das Auge ihres Gottes war über den Ältesten der Juden, so daß ihnen nicht gewehrt wurde, bis man den Bericht an Darius gelangen ließe.” Esra 5,5. Den Beamten antworteten sie so weise, daß diese beschlossen, an Darius Hystaspes, den damaligen Herrscher von Medien-Persien, einen Brief zu schreiben, der seine Aufmerksamkeit auf den ursprünglichen Erlaß des Cyrus lenken sollte. Cyrus hatte befohlen, das Haus Gottes in Jerusalem wieder aufzubauen und die Kosten aus dem Schatz des Königs zu bezahlen. PK 405.2
Darius suchte und fand diesen Erlaß. Daraufhin befahl er jenen, die die Erkundigungen eingezogen hatten, die Fortsetzung des Tempelbaus zu gestatten: “Laßt sie arbeiten am Hause Gottes, damit der Statthalter der Juden und ihre Ältesten das Haus Gottes an seiner früheren Stätte wieder aufbauen.” Esra 6,7. PK 405.3
Darius fuhr fort: “Auch ist von mir befohlen worden, was ihr den Ältesten der Juden darreichen sollt, um das Haus Gottes zu bauen, nämlich daß man aus des Königs Schatz von dem, was einkommt aus der Landschaft jenseits des Euphrat, mit Sorgfalt nehme und gebe den Leuten regelmäßig, was sie bedürfen. Und was sie bedürfen an Stieren, Widdern und Lämmern zum Brandopfer für den Gott des Himmels, an Weizen, Salz, Wein und Öl nach dem Wort der Priester in Jerusalem, das soll man ihnen täglich geben, und es soll nicht lässig geschehen, damit sie opfern zum lieblichen Geruch dem Gott des Himmels und bitten für das Leben des Königs und seiner Söhne.” Esra 6,8-10. PK 406.1
Weiterhin ordnete der König an, daß allen, die den Erlaß irgendwie abänderten, schwere Strafen zuzumessen seien, und er schloß mit der bemerkenswerten Feststellung: “Der Gott aber, der seinen Namen dort wohnen läßt, bringe jeden König um und jedes Volk, das seine Hand ausreckt, diesen Erlaß zu übertreten und das Haus Gottes in Jerusalem zu zerstören. Ich, Darius, habe diesen Befehl gegeben, damit er sorgfältig befolgt werde.” Esra 6,12. So bereitete der Herr den Weg für die Vollendung des Tempels vor. PK 406.2
Ehe diese Verordnung erlassen wurde, hatten die Israeliten schon monatelang im Glauben weitergearbeitet. Darin hatten die Propheten sie dadurch unterstützt, daß sie den Arbeitern durch zeitgemäße Botschaften den göttlichen Plan für Israel vor Augen hielten. Zwei Monate nachdem Haggai seine letzte überlieferte Botschaft ausgerichtet hatte, erhielt Sacharja eine Reihe von Gesichten über das Werk Gottes auf Erden. Diese Botschaften, die als Gleichnisse und Sinnbilder gegeben wurden, kamen zu einer Zeit großer Unsicherheit und Angst und waren von besonderer Bedeutung für die Männer, die im Namen des Gottes Israels vorangingen. Den Führern schien es so, als wolle man soeben die den Juden erteilte Erlaubnis zum Wiederaufbau rückgängig machen. Die Zukunft sah sehr düster aus. Gott erkannte, daß sein Volk unbedingt durch eine Offenbarung seiner unendlichen Barmherzigkeit und Liebe gestärkt und ermuntert werden mußte. PK 406.3
Sacharja hörte den Engel des Herrn im Gesicht fragen: “Herr Zebaoth, wie lange noch willst du dich nicht erbarmen über Jerusalem und über die Städte Judas, über die du zornig bist schon siebzig Jahre? Und der Herr antwortete dem Engel, der mit mir redete, freundliche Worte und tröstliche Worte. Und der Engel, der mit mir redete, sprach zu mir: Predige und sprich: So spricht der Herr Zebaoth: Ich eifere für Jerusalem und Zion mit großem Eifer und bin sehr zornig über die stolzen Völker; denn ich war nur ein wenig zornig, sie aber halfen zum Verderben. Darum spricht der Herr: Ich will mich wieder Jerusalem zuwenden mit Barmherzigkeit, und mein Haus soll darin wieder aufgebaut werden ... und die Meßschnur soll über Jerusalem gespannt werden.” Sacharja 1,12-16. PK 406.4
Daraufhin wurde der Prophet angewiesen vorauszusagen: “So spricht der Herr Zebaoth: Es sollen meine Städte wieder Überfluß haben an Gutem, und der Herr wird Zion wieder trösten und wird Jerusalem wieder erwählen.” Sacharja 1,17. PK 407.1
Dann schaute Sacharja die Mächte, “die Juda, das ist Israel, und Jerusalem zerstreut haben”, sinnbildlich dargestellt durch vier Hörner. Unmittelbar darauf erblickte er vier Schmiede. Sie verkörperten die Werkleute, die der Herr bei der Wiederherstellung seines Volkes und seines Bethauses benutzte. Sacharja 2,1-4. PK 407.2
“Und ich hob meine Augen auf und sah”, erklärte Sacharja, “und siehe, ein Mann hatte eine Meßschnur in der Hand. Und ich sprach: Wo gehst du hin? Er sprach zu mir: Jerusalem auszumessen und zu sehen, wie lang und breit es werden soll. Und siehe, der Engel, der mit mir redete, stand da, und ein anderer Engel ging heraus ihm entgegen und sprach zu ihm: Lauf hin und sage diesem jungen Mann: Jerusalem soll ohne Mauern bewohnt werden wegen der großen Menge der Menschen und des Viehs, die darin sein wird. Doch ich will, spricht der Herr, eine feurige Mauer rings um sie her sein und will mich herrlich darin erweisen.” Sacharja 2,5-9. PK 407.3
Gott hatte befohlen, daß Jerusalem wiederaufgebaut werden sollte. Das Gesicht über die Vermessung der Stadt bildete eine Zusicherung, daß er seinen betrübten Kindern Trost und Kraft spenden und an ihnen die Verheißungen seines ewigen Bundes erfüllen werde. Er versprach, seine schützende Fürsorge werde wie “eine feurige Mauer rings um sie her” sein. Seine Herrlichkeit solle durch sie allen Menschenkindern offenbart werden. Was er für sein Volk vollbringe, solle in aller Welt bekannt werden. “Jauchze und rühme, du Tochter Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir!” Jesaja 12,6. PK 407.4