In Jesajas Tagen rief selbst Götzendienst kein Befremden mehr hervor. Frevelhafte Gewohnheiten waren unter allen Bevölkerungsschichten so weit verbreitet, daß die wenigen, die Gott die Treue hielten, oft versucht waren, den Mut zu verlieren und sich der Enttäuschung und Verzweiflung auszuliefern ... En 120.1
Solche Gedanken bedrängten Jesaja, als er im Säulengang des Tempels stand. Plötzlich schien es ihm, als würden das Tor und der innere Vorhang des Tempels emporgehoben oder entfernt, so daß er in das Allerheiligste, in das selbst er als Prophet seinen Fuß nicht setzen durfte, hineinschauen konnte. Vor sich sah er in einer Vision den Herrn, der auf einem hohen und erhabenen Throne saß, während der Saum seiner Herrlichkeit den Tempel füllte. Auf jeder Seite des Thrones schwebten Seraphim. Ihre Gesichter verhüllten sie in Anbetung, während sie vor ihrem Schöpfer dienten und sich in dem feierlichen Gebet vereinigten: “Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!” Jesaja 6,3. Das riefen sie, bis die Säulen, die Pfeiler und das Zedernholztor von dem Schall zu erzittern schienen und das Haus von ihrem Lobpreis erfüllt wurde. Propheten und Könige 217.218. En 120.2
Eine unbeschreibliche Herrlichkeit umgab die Gestalt auf dem Thron, und seine Begleiter füllten den Tempel ... Auf jeder Seite des Gnadenthrons befanden sich Cherubim, die dort als Ehrengarde für den großen König postiert waren, und sie waren mit Licht bekleidet und widerstrahlten die Herrlichkeit Gottes, in dessen Gegenwart sie sich befanden. Und als sie voll Hingabe und Ernst ihre Loblieder sangen, erzitterten die Säulen des Tores wie bei einem Erdbeben. Diese heiligen Wesen sangen das Lob Gottes mit Lippen, die nie durch Sünde verunreinigt waren. Der Unterschied zwischen dem schwachen Lob Gottes, das Jesaja gewöhnt war, und dem inbrünstigen Lob der Seraphim erstaunte und beschämte den Propheten. Für einen Augenblick war es ihm gewährt, den vollkommen reinen Charakter und die Größe Gottes zu erleben und zu erkennen. En 120.3
Während er dem Gesang der Engel zuhörte, als sie ausriefen: “Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen, und die ganze Erde ist erfüllt von seiner Herrlichkeit”, sah er in einer Vision die Herrlichkeit Gottes, seine unendliche Macht und die unübertreffliche Majestät des Herrn, und das hinterließ einen unauslöschlichen Eindruck in seiner Seele. In den Strahlen dieses unvergleichlichen Lichtes, das ihm so viel von Gottes Wesen offenbarte, wie er ertragen konnte, sah er seine eigene innere Beschmutzung mit solcher Klarheit, daß ihm jedes Wort, das er aussprach unrein erschien. The Review and Herald, 16. Oktober 1888. En 121.1
Die Seraphim hielten sich in der Gegenwart Jesu auf, aber sie bedeckten ihre Gesichter und ihre Füße mit ihren Flügeln. Sie sahen die Schönheit des Königs und bedeckten sich selbst. Als Jesaja die Herrlichkeit Gottes sah, war er seelisch niedergeschmettert. Aufgrund seiner Vision, die er aus Gnaden erfahren durfte, fühlte er sich völlig wertlos. Wenn die Sonne der Gerechtigkeit Menschenherzen ausleuchtet, werden die Auswirkungen immer so sein ... Je mehr die Herrlichkeit Christi in einem Menschenleben offenbar wird, desto weniger wird dieser Mensch sich selbst verherrlichen, denn dann werden die versteckten Belastungen seiner Seele erkennbar und alle Selbstverherrlichung wird verschwinden. Das Ich wird begraben und Christus wird leben. Bible Echo, 3. Dezember 1894. En 121.2
Dieser Anblick bot sich Jesaja, als er zum Prophetenamt berufen wurde. Er ließ sich aber nicht entmutigen; denn noch immer klang das Lied der Engel, die den Thron Gottes umgaben, in seinen Ohren: “Alle Lande sind seiner Ehre voll!” Jesaja 6,3. Sein Glaube wurde dadurch gestärkt, daß er die herrlichen Siege der Gemeinde Gottes schauen durfte: “Das Land wird voll Erkenntnis des Herrn sein, wie das Wasser das Meer bedeckt.” Jesaja 11,9. Propheten und Könige 262. En 121.3