Die Pflicht ist die Zwillingsschwester der Liebe. Beide gehören zusammen. Kinder werden halsstarrig, eigenwillig, verstockt, egoistisch und ungehorsam, wenn man ihnen nur Liebe entgegenbringt und dabei die notwendigen Pflichten vernachlässigt. Und wenn die strenge Pflicht ohne die mildernde und gewinnende Liebe für sich allein stehen muß, gibt es ein ähnliches Bild. Um Kinder richtig erziehen zu können, müssen Pflicht und Liebe zusammenwirken. Sch1 295.1
Schon im Alten Testament wurden den Priestern Richtlinien gegeben: “Sie sollen mein Volk lehren, daß sie wissen Unterschied zu halten zwischen Heiligem und Unheiligem und zwischen Reinem und Unreinem. Und wo eine Sache vor sie kommt, sollen sie stehen und richten und nach meinen Rechten sprechen.” Hesekiel 44,23.24. “Wenn ich nun zu dem Gottlosen sage: Du Gottloser mußt des Todes sterben! und du sagst ihm solches nicht, daß sich der Gottlose warnen lasse vor seinem Wesen, so wird wohl der Gottlose um seines gottlosen Wesens willen sterben; aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern. Warnest du aber den Gottlosen vor seinem Wesen, daß er sich davon bekehre, und er will sich nicht von seinem Wesen bekehren, so wird er um seiner Sünde willen sterben, und du hast deine Seele errettet.” Hesekiel 3,8.9. Sch1 295.2
Hier ist die Pflicht der Diener Gottes deutlich herausgestellt. Sie können von der gewissenhaften Erfüllung ihrer Aufgabe, die Sünden und das Unrecht des Volkes Gottes zu rügen, nicht entbunden werden, obgleich dies ein unerfreulicher Auftrag ist, dessen Spruch der Schuldige nicht gerade mit Wohlgefallen empfangen wird. In den meisten Fällen beachtete jedoch der Zurechtgewiesene den Tadel und nähme die Warnung an, wenn nicht andere Menschen dazwischenträten. Diese ergreifen Partei für den Zurechtgewiesenen, bedauern ihn und meinen, sie müßten ihm beispringen. Sie erkennen nicht, daß der Herr dem Übeltäter zürnt, weil das Werk Gottes geschädigt und sein Name geschmäht wurde. Sch1 295.3
Durch den falschen Weg, den der Schuldige einschlägt, werden Menschen der Wahrheit entfremdet und erleiden Schiffbruch am Glauben. Der Diener Gottes aber, dessen Durchblick und Urteilsfähigkeit durch ungute Einflüsse getrübt sind, schlägt sich gern auf die Seite des Missetäters, der erheblichen Schaden angerichtet hat, statt auf die Seite der Menschen, die Unrecht und Sünde tadeln. Handelt er in dieser Weise, spricht er zu dem Sünder: “Beunruhige dich nicht, und sei nicht niedergeschlagen; im großen ganzen hast du doch recht!” Wer aber so spricht, sagt damit nichts anderes als: “Es ist gut um dich bestellt.” Sch1 295.4
Gott erwartet von seinen Dienern, daß sie im Licht wandeln und ihre Augen nicht vor dem Wirken Satans verschließen. Sie sollten vorbereitet sein, die durch Satans Arglist Gefährdeten zu warnen und zu tadeln. Satan arbeitet mit allen Mitteln, um Vorteile zu gewinnen. Er ruht nicht und verfolgt zäh sein Ziel. In seinem Kampf gegen die Wahrheit und die Interessen des Reiches Gottes handelt er sehr aufmerksam und geschickt, um aus jeder Situation Nutzen zu ziehen und sie zu seinen Gunsten zu wenden. Sch1 296.1
Es ist eine betrübliche Tatsache, daß sich Gottes Diener der Tücken Satans nicht halb so bewußt sind, wie es notwendig wäre. Statt dem Teufel zu widerstehen und seinem Einfluß zu entfliehen, neigen viele Menschen dazu, mit den Mächten der Finsternis einen Kompromiß zu schließen. Sch1 296.2