Paulus war sorgsam darauf bedacht, den durch ihn Bekehrten die klare Lehre der Heiligen Schrift über die Förderung des Werkes Gottes darzulegen. Auch er beanspruchte als Prediger des Evangeliums für sich “das Recht ... alle Handarbeit beiseite zu lassen und allein von der Arbeit für das Reich Gottes zu leben”. 1.Korinther 9,6 (Bruns). Trotzdem geschah es zuweilen, daß er während seines Verkündigungsdienstes in den großen Zentren der Zivilisation seinen Lebensunterhalt selbst verdiente. WA 345.1
Bei den Juden galt körperliche Arbeit nicht als außergewöhnlich oder gar entwürdigend. Mose hatte die Hebräer unterwiesen, ihre Kinder zum Fleiß zu erziehen. Als Sünde galt, die Jugend heranwachsen zu lassen, ohne sie zu körperlicher Arbeit anzuleiten. Selbst wenn das Kind zu einem geistlichen Amt herangebildet werden sollte, hielt man die Kenntnis der Dinge des praktischen Lebens für notwendig. Jeder junge Mann mußte, ob seine Eltern begütert waren oder nicht, ein Handwerk erlernen. Versäumten die Eltern, für eine derartige Ausbildung ihrer Kinder zu sorgen, so sah man darin ein Abweichen von der Anweisung des Herrn. In Übereinstimmung mit diesem Brauch hatte auch Paulus frühzeitig das Handwerk eines Zeltmachers erlernt. WA 345.2
Ehe Paulus ein Jünger Jesu wurde, hatte er eine angesehene Stellung innegehabt und war für seinen Unterhalt nicht abhängig von seiner Hände Arbeit. Später jedoch, als er all seine Mittel zur Förderung des Werkes Christi verbraucht hatte, wandte er sich zeitweise wieder seinem Handwerk zu, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Besonders tat er dies an Orten, wo seine Beweggründe hätten mißverstanden werden können. WA 345.3
Erstmals lesen wir anläßlich seines Wirkens in Thessalonich, daß Paulus in jener Zeit, da er das Wort predigte, seinen Lebensunterhalt durch seiner Hände Arbeit erwarb. In seinem ersten Brief an die dortige Gemeinde erinnerte er die Gläubigen daran, daß er sich auch hätte “wichtig machen können als Christi Apostel”, und fügte hinzu: “Ihr erinnert euch doch, liebe Brüder, unsrer Arbeit und unsrer Mühe; denn Tag und Nacht arbeiten wir, daß wir niemand unter euch beschwerlich wären, und predigten unter euch das Evangelium Gottes.” 1.Thessalonicher 2,7.9. In seinem zweiten Schreiben an sie erklärte er, daß sowohl seine Mitarbeiter wie auch er, als sie unter ihnen weilten, “nicht umsonst Brot von jemand genommen, sondern mit Arbeit und Mühe haben wir Tag und Nacht gewirkt, auf daß wir nicht jemand unter euch beschwerlich waren; nicht darum, daß wir dazu nicht das Recht hätten, sondern damit wir uns selbst euch zum Vorbilde gäben, uns nachzufolgen.” 2.Thessalonicher 3,8.9. WA 346.1
In Thessalonich war er Leuten begegnet, die sich weigerten, mit ihren Händen zu arbeiten. Von ihnen schrieb er später: “Etliche unter euch wandeln unordentlich und arbeiten nichts, sondern treiben unnütze Dinge. Solchen aber gebieten wir und ermahnen sie in dem Herrn Jesus Christus, daß sie mit stillem Wesen arbeiten und ihr eigen Brot essen.” 2.Thessalonicher 3,11.12. Während seines Aufenthaltes in Thessalonich war Paulus besonders darauf bedacht gewesen, solchen Leuten ein gutes Beispiel zu geben. “Schon als wir bei euch waren”, schrieb er, “geboten wir euch: ‘wenn jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen’.” 2.Thessalonicher 3,10. WA 346.2
Zu allen Zeiten hat Satan versucht, die Bemühungen der Knechte Gottes dadurch zu beeinträchtigen, daß er in der Gemeinde den Geist der Schwärmerei erweckte. So war es in den Tagen des Paulus und auch in späteren Jahrhunderten, beispielsweise in der Zeit der Reformation. Wiklif, Luther und viele andere, die durch ihren Einfluß und ihren Glauben der Welt zum Segen wurden, mußten gegen die Ränke kämpfen, mit denen der Feind versucht, übereifrige, unausgeglichene, ungeheiligte Gemüter zu fanatisieren. Irregeleitete Seelen verbreiteten die Lehre, die Erlangung wahrer Heiligkeit mache das Gemüt über alle irdischen Gedanken erhaben und bringe den Menschen dahin, sich der Arbeit gänzlich zu enthalten. Andere behaupteten aufgrund extremer Ansichten über gewisse Schriftstellen, Arbeit sei Sünde. Christen hätten sich weder über ihr noch über ihrer Familien zeitliches Wohl irgendwelche Gedanken zu machen, sondern sollten ihr Leben uneingeschränkt geistlichen Dingen widmen. Die Lehre und das Beispiel des Apostels Paulus tadeln derartig überspannte Ansichten. WA 346.3
Paulus war auch in Thessalonich für seinen Lebensunterhalt nicht nur auf seiner Hände Arbeit angewiesen. Als er später auf seine Erfahrungen in dieser Stadt hinwies, schrieb er an die Gläubigen zu Philippi seinen Dank für die Gaben, die er damals empfangen hatte: “Auch nach Thessalonich sandtet ihr für meinen Bedarf einmal und danach noch einmal.” Philipper 4,16. Obwohl er diese Hilfe annahm, hatte er den Thessalonichern darüber hinaus ein Vorbild an Fleiß sein wollen; einmal, damit ihn niemand berechtigt der Habsucht beschuldigen könne, zum andern wollte er diejenigen, die fanatische Ansichten über die körperliche Arbeit vertraten, durch seine Handlungsweise tadeln. WA 347.1
Als Paulus zum ersten Male Korinth besuchte, sah er sich unter Leute versetzt, die den Beweggründen Fremder mißtrauten. Die Griechen an der Küste waren tüchtige Handelsleute. Sie hatten sich lange in Geschäftspraktiken geübt und waren zu der Auffassung gekommen, Gewinn sei gleichbedeutend mit Gottseligkeit, und Geldverdienen sei zu empfehlen, ganz gleich, ob es auf ehrliche oder unehrliche Weise geschehe. Da Paulus ihre Eigentümlichkeiten kannte, wollte er ihnen auch keine Gelegenheit bieten, zu behaupten, er predige das Evangelium, um sich zu bereichern. Von den Gläubigen zu Korinth hätte er Unterstützung beanspruchen können, aber er machte von diesem Recht keinen Gebrauch. Seine Nützlichkeit und sein Erfolg als Prediger sollten nicht durch den ungerechtfertigten Verdacht beeinträchtigt werden, er verkündige das Evangelium um des Gewinnes willen. Gern wollte er jede Veranlassung zu irgendwelchen Mißverständnissen vermeiden, damit seine Botschaft nichts an Kraft verlöre. WA 347.2
Bald nach seiner Ankunft in Korinth traf Paulus “einen Juden mit Namen Aquila, von Geburt aus Pontus, welcher samt seiner Frau Priscilla kürzlich aus Italien gekommen war”. Sie übten den gleichen Beruf aus. Durch den Erlaß des Kaisers Claudius verbannt, der alle Juden zwang, Rom zu verlassen, waren Aquila und Priscilla nach Korinth gekommen, wo sie sich als Zeltmacher niederließen. Paulus zog Erkundigungen über sie ein, und als er erfuhr, daß sie Gott fürchteten und darauf bedacht waren, die schlechten Einflüsse um sich herum zu meiden, suchte er sie auf, “blieb ... bei ihnen und arbeitete mit ihnen ... Und er lehrte in der Synagoge an allen Sabbaten und überzeugte Juden und Griechen.” Apostelgeschichte 18,2-4. WA 348.1
Silas und Timotheus trafen Paulus in Korinth. Diese Glaubensbrüder brachten von den Gemeinden aus Mazedonien Geldmittel für die Unterstützung der Arbeit. WA 348.2
In seinem zweiten Brief an die Gläubigen zu Korinth, den er schrieb, nachdem er dort eine starke Gemeinde ins Leben gerufen hatte, blickte er darauf zurück, wie er unter ihnen gelebt hatte. “Habe ich gesündigt”, so fragte er, “als ich mich erniedrigt habe, auf daß ihr erhöht würdet? Denn ich habe euch das Evangelium Gottes umsonst verkündigt. Andere Gemeinden habe ich beraubt und Geld von ihnen genommen, um euch dienen zu können. Als ich bei euch anwesend war und Mangel hatte, war ich niemand beschwerlich. Denn meinen Mangel füllten die Brüder aus, die aus Mazedonien kamen. So habe ich mich in allen Stücken euch unbeschwerlich gehalten und will auch ferner mich so halten. So gewiß die Wahrheit Christi in mir ist, so soll mir dieser Ruhm in den Ländern Achajas nicht verwehrt werden.” 2.Korinther 11,7-10. WA 348.3
Als Grund, warum Paulus sich in Korinth so verhalten habe, erklärt er: “Damit ich die Ursache abschneide denen, die Ursache suchen, sich rühmen zu können.” 2.Korinther 11,12. Neben seiner Arbeit als Zeltmacher hatte Paulus auch den Dienst der Evangeliumsverkündigung treu versehen. Er selbst sagte über seine Arbeit: “Es sind ja eines Apostels Zeichen unter euch geschehen in aller Geduld mit Zeichen und mit Wundern und mit Taten.” Und er fügte hinzu: “Was it’s, worin ihr zu kurz gekommen seid hinter anderen Gemeinden, außer daß ich selbst euch nicht habe beschwert? Vergebet mir dieses Unrecht! Siehe, ich bin jetzt bereit zum dritten Mal zu euch zu kommen, und will euch nicht beschweren; denn ich suche nicht das Eure, sondern euch ... Ich aber will gerne hingeben und hingegeben werden für eure Seelen.” 2.Korinther 12,12-15. WA 349.1
Während der langen Zeit seines Predigtdienstes in Ephesus, wo er drei Jahre hindurch in der Umgegend stark evangelistisch wirkte, übte Paulus ebenfalls seinen Handwerksberuf aus. In Ephesus wie auch in Korinth hatte der Apostel die Freude, mit Aquila und Priscilla zusammen zu sein, die ihn bei seiner Rückkehr nach Asien am Ende seiner zweiten Missionsreise begleitet hatten. WA 349.2
Einige erhoben Einspruch dagegen, daß Paulus mit seinen Händen arbeitete. Sie erklärten, dies vereinbare sich nicht mit dem Dienst eines Predigers. Warum sollte Paulus, einer der angesehensten Evangelisten, Erwerbsarbeit mit der Verkündigung des Wortes verbinden? War der Arbeiter nicht seines Lohnes wert? Warum sollte der Apostel mit der Anfertigung von Zelten unnötig Zeit vergeuden, die er höchstwahrscheinlich besser verwenden konnte? WA 349.3
Paulus aber sah die so genutzte Zeit nicht als verschwendet an. Auch als er mit Aquila arbeitete, hielt er enge Verbindung mit dem großen Lehrer und ließ keine Gelegenheit ungenutzt, für den Heiland zu zeugen und denen Hilfe zu leisten, die sie benötigten. Ihn verlangte stets nach geistlicher Erkenntnis. Er unterwies seine Mitarbeiter in geistlichen Dingen und war ihnen gleichzeitig ein Vorbild in Fleiß und Gründlichkeit. Als behender, geschickter Arbeiter war er fleißig in seinem Beruf “feurig im Geist, dem Herrn zu dienen bereit”. Römer 12,11 (Menge). Durch sein Handwerk fand er Zugang zu einer Klasse von Menschen, die er sonst nicht hätte erreichen können. Seinen Gefährten zeigte er, daß Geschicklichkeit in den gewöhnlichen Handfertigkeiten auch eine Gabe Gottes ist, der nicht nur die Gabe verleiht, sondern auch die Weisheit, sie richtig anzuwenden. Er lehrte, daß man selbst durch seine alltägliche Arbeit Gott ehren müsse. Seine durch die berufliche Anstrengung hart gewordenen Hände taten der Macht seiner zu Herzen gehenden Ansprachen, die er als Prediger Christi hielt, keinen Abbruch. WA 350.1
Zuweilen arbeitete Paulus Tag und Nacht, nicht nur um seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern auch um seinen Mitarbeitern beizustehen. Er teilte seinen Verdienst mit Lukas und half auch Timotheus. Oft litt er Hunger, um die Bedürfnisse anderer zu erleichtern. Er führte ein selbstloses Leben. So konnte er zum Abschluß seines Predigtdienstes vor den Ältesten von Ephesus, mit denen er noch einmal in Milet zusammen war, seine schwieligen Hände aufheben und in seiner Abschiedsrede sagen: “Ich habe von niemand unter euch Silber oder Gold oder Kleidung begehrt. Denn ihr wisset selber, daß mir diese Hände zum Unterhalt gedient haben für mich und die, die mit mir gewesen sind. Ich habe euch in allen Stücken gezeigt, daß man so arbeiten und sich der Schwachen annehmen müsse und gedenken an das Wort des Herrn Jesus, da er gesagt hat: ‘Geben ist seliger als nehmen.’” Apostelgeschichte 20,33-35. WA 350.2
Wenn Gottes Diener meinen, sie hätten um des Werkes Christi willen Beschwerden und Entbehrungen zu erdulden, dann sollten sie im Geiste der Werkstatt, in der Paulus arbeitete, einen Besuch abstatten. Dabei sollten sie nicht vergessen, daß dieser Auserwählte Gottes, der Zelttuch zuschnitt, für sein tägliches Brot arbeitete, das er sich eigentlich bereits durch sein Wirken als Apostel rechtmäßig verdient hatte. WA 351.1
Arbeit ist ein Segen und kein Fluch. Der Geist der Trägheit hingegen richtet wahre Frömmigkeit zugrunde und betrübt den Geist Gottes. Ein stehendes Gewässer ist widerwärtig, aber ein reiner, fließender Strom verbreitet Gesundheit und Frohsinn über das Land. Paulus wußte, daß alle, die körperliche Arbeit geringschätzen, bald schwach werden. Er wollte die jungen Prediger lehren, daß sie durch die Arbeit mit ihren Händen, durch den Gebrauch ihrer Muskeln und Sehnen stark genug wurden, auch Mühsale und Entbehrungen zu ertragen, die im Evangeliumswerk auf sie warten. Er war sich bewußt, daß seinen Lehren Leben und Kraft fehlen würde, wenn er seinem Körper nicht die notwendige Bewegung verschaffte. WA 351.2
Träge Menschen müssen auf die wertvolle Erfahrung verzichten, die durch die gewissenhafte Erfüllung der Alltagspflichten gewonnen wird. Nicht einige wenige, sondern Tausende leben nur, um die Segnungen zu genießen, die Gott ihnen in seiner Güte gewährt. Sie vergessen völlig, dem Herrn für die ihnen anvertrauten Güter Dankopfer darzubringen, und denken nicht daran, daß sie durch den klugen Gebrauch der ihnen verliehenen Gaben nicht nur Nutznießer, sondern auch Schaffende sein sollen. Verstünden sie die Aufgabe, die Gott ihnen als seinen Mitarbeitern stellt, wichen sie der Verantwortung nicht aus. WA 351.3
Die Verwendungsfähigkeit junger Leute, die sich von Gott zum Predigtamt berufen fühlen, hängt weitgehend davon ab, wie sie ihre Arbeit angreifen. Diejenigen, die Gott zum Predigtamt erwählt hat, werden den Beweis ihrer hohen Berufung erbringen und jede Gelegenheit nutzen, sich zu fähigen Mitarbeitern heranzubilden. Sie werden sich um Erfahrungen bemühen, durch die sie angeleitet werden, wie sie Planen, organisieren und durchführen können. Wissen sie die Heiligkeit ihrer Berufung zu würdigen, so werden sie durch Selbstzucht ihrem Meister immer ähnlicher und offenbaren dessen Güte, Liebe und Wahrheit. Und wenn sie bewiesen haben, daß sie fleißig mit den anvertrauten Pfunden wuchern, sollte die Gemeinde ihnen verständnisvoll helfen. WA 352.1
Nicht alle, die sich zu Predigern berufen fühlen, sollten in dem Gedanken bestärkt werden, sofort für sich und ihre Familien von der Gemeinde fortlaufend finanziellen Unterhalt zu erwarten. Die Gefahr liegt nahe, daß manche in ihrer Unerfahrenheit durch Schmeichelei und unweise Ermutigung dazu verleitet werden, mit einer vollen Unterstützung zu rechnen, ohne sich selbst ernsthaft einzusetzen. Mittel, die der Förderung des Werkes Gottes geweiht werden, sollten nicht von Männern verbraucht werden, die nur um ihrer Versorgung willen Prediger werden und so ihr selbstsüchtiges Verlangen nach einem bequemen Leben befriedigen. WA 352.2
Junge Männer, die ihre Gaben im Predigtamt einsetzen möchten, werden in dem Beispiel, das Paulus in Thessalonich, Korinth, Ephesus und an andern Orten gab, eine beherzigenswerte Lehre finden. Obgleich ein gewandter Redner und von Gott für ein besonderes Werk erwählt, war er niemals zum Arbeiten zu stolz und wurde auch niemals müde, für die Sache, die er liebte, Opfer zu bringen. “Bis auf diese Stunde”, so schrieb er an die Korinther, “leiden wir Hunger und Durst und Blöße und werden geschlagen und haben keine sichere Stätte und arbeiten und wirken mit unseren eigenen Händen. Man schilt uns, so segnen wir; man verfolgt uns, so dulden wir’s.” 1.Korinther 4,11.12. WA 352.3
Paulus, einer der größten Lehrer auf der Erde, erfüllte die höchsten wie die geringsten Pflichten gleicherweise freudig. Wenn es der Dienst für seinen Herrn erforderte, arbeitete er willig in seinem Handwerk. Andererseits war er stets bereit, seine weltliche Arbeit beiseitezulegen, um dem Widerstand der Feinde des Evangeliums entgegenzutreten oder eine besondere Gelegenheit wahrzunehmen, Menschen für Christus zu gewinnen. Sein Eifer und Fleiß sind ein Vorwurf für die Trägheit und das Verlangen nach Bequemlichkeit. WA 353.1
Durch sein Beispiel widerlegte Paulus die Auffassung, die damals in der Gemeinde Einfluß zu gewinnen begann, nämlich daß das Evangelium nur von denen erfolgreich verkündigt werden könne, die von dem Zwang körperlicher Arbeit befreit seien. Er veranschaulichte ihnen ganz praktisch, was an vielen Orten, wo das Evangelium noch unbekannt war, von geheiligten Gemeindegliedern getan werden konnte. Sein Beispiel erweckte in vielen einfachen Arbeitern das Verlangen, zur Förderung der Sache Gottes zu tun, was in ihren Kräften stand, während sie gleichzeitig durch ihre tägliche Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienten. So waren Aquila und Priscilla zwar nicht dazu berufen, ihre volle Zeit in den Dienst des Evangeliums zu stellen, und doch gebrauchte Gott diese demütigen Arbeiter, um Apollos den Weg der Wahrheit gründlicher zu zeigen. Der Herr benutzt Werkzeuge unterschiedlicher Art, um sein Vorhaben auszuführen. Während einige besonders Begabte ausersehen sind, ihre volle Kraft einzusetzen, um das Evangelium zu lehren und zu predigen, werden viele andere berufen, einen wichtigen Anteil an der Seelenrettung zu haben, obwohl ihnen nie die Hände zur Einsegnung aufgelegt worden sind. WA 353.2
Ein weites Arbeitsfeld steht den Evangeliumsarbeitern offen, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Viele können neben irgendeiner körperlichen Arbeit, auf die sie nur einen Teil ihrer Zeit verwenden, wertvolle Erfahrungen im Verkündigungsdienst sammeln und sich so zu brauchbaren Arbeitern entwickeln, die wichtige Aufgaben in bedürftigen Gebieten übernehmen können. WA 354.1
Der opferwillige Knecht Gottes, der unermüdlich im Dienst am Wort und in der Lehre arbeitet, trägt eine schwere Last auf seinem Herzen. Er mißt seine Arbeit nicht nach Stunden und läßt sich in seinem Wirken weder von der Höhe des Lohnes beeinflussen noch sich durch ungünstige Verhältnisse von seiner Pflicht abbringen. Er hat seinen Auftrag vom Himmel empfangen, und von dorther erwartet er auch seinen Lohn, wenn er das ihm anvertraute Werk vollbracht hat. WA 354.2
Es ist Gottes Wille, daß solche Arbeiter von unnötigen Sorgen frei seien, damit sie uneingeschränkt der Aufforderung nachkommen können, die Paulus an Timotheus richtete: “Danach ringe, in dieser Richtung lebe, damit deine Fortschritte allen kund werden!” 1.Timotheus 4,15 (Pfäfflin). Zwar sollen sie auch darauf achten, sich genügend Bewegung zu verschaffen, um Geist und Körper kräftig zu erhalten; dennoch ist es nicht Gottes Wille, daß sie sich gezwungen sehen, einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit mit weltlicher Arbeit zu verbringen. WA 354.3
Obwohl diese Arbeiter gern bereit wären, für das Evangelium Opfer zu bringen und sich sogar selbst opfern zu lassen, sind sie nicht frei von Versuchungen. Werden sie von Sorgen heimgesucht und mit Unruhe beschwert, weil die Gemeinde versäumt, ihnen die erforderliche finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, dann sind manche den heftigen Angriffen des Versuchers ausgesetzt. Wenn sie sehen, daß ihre Arbeit kaum geachtet wird, überkommt sie Niedergeschlagenheit. Wohl schauen sie vorwärts auf die Zeit des Gerichts, wenn ihnen der gerechte Lohn zuteil werden wird, und richten sich daran auf; aber ihre Familien brauchen schon jetzt Nahrung und Kleidung. Gern würden sie mit ihren Händen arbeiten, wüßten sie, daß sie der Verpflichtung des ihnen von Gott erteilten Auftrags enthoben werden könnten. So aber müssen sie sich sagen, daß ihre Zeit dem Herrn gehört, ungeachtet der Kurzsichtigkeit derer, von denen sie ausreichend mit Mitteln versorgt werden sollten. Sie erheben sich über die Versuchung, sich in geschäftliche Unternehmungen einzulassen, durch die sie bald ihrem Mangel entrückt wären, und fahren fort, an der Förderung der Sache mitzuarbeiten, die ihnen mehr am Herzen liegt als selbst ihr Leben. Gerade deshalb mögen sie sich gezwungen sehen, dem Beispiel des Apostels Paulus folgend, sich zeitweilig einer handwerklichen Tätigkeit zuzuwenden und nebenbei weiterhin ihrer seelsorgerischen Tätigkeit nachzugehen. Dies tun sie aber nicht um ihres persönlichen Vorteils willen, sondern um das Wohl der Sache Gottes auf Erden zu fördern. WA 354.4
Es gibt Zeiten, in denen es dem Diener Gottes unmöglich erscheint, das Werk zu vollbringen, das unbedingt getan werden muß, weil es ihm an Mitteln fehlt, um wirkungsvoll und gründlich arbeiten zu können. Manche fürchten dann, daß die ihnen zur Verfügung stehenden Hilfsmittel nicht ausreichen, um alles zu tun, was sie für ihre Pflicht halten. Gehen sie aber im Glauben voran, wird Gottes Heil offenbart, und eine Blütezeit wird ihren Bemühungen folgen. Er, der seinen Nachfolgern geboten hat, in alle Welt zu gehen, wird jeden Arbeiter versorgen, der — gehorsam dem göttlichen Befehl — Christi Botschaft zu verkündigen sucht. WA 355.1
Beim Aufbau seines Werkes macht der Herr seinen Knechten nicht immer alles klar. Manchmal stellt er das Vertrauen seiner Kinder dadurch auf die Probe, daß er Verhältnisse eintreten läßt, die sie zwingen, im Glauben voranzugehen. Oft bringt er sie in schwierige, unangenehme Lagen und heißt sie vorwärtsgehen, während sie ihre Füße bereits in die Fluten des Jordans hineinzusetzen scheinen. Wenn aber in solchen Zeiten seine Diener im ernsten Glauben ihre Gebete zu ihm emporsenden, dann weist Gott ihnen auch einen Weg und führt sie in einen weiten Raum. WA 355.2
Erkennen Gottes Boten ihre Verantwortlichkeit gegenüber den bedürftigen Teilen im Weinberge des Herrn und wirken sie im Geiste des Meisters unermüdlich für die Bekehrung von Menschen, dann werden Engel vor ihnen her den Weg bereiten, und es werden sich auch die notwendigen Mittel zur Förderung des Werkes finden. Alle, die das Licht empfangen haben, werden reichlich zur Unterstützung des Werkes beitragen, das auch um ihretwillen geschehen ist. Freigebig werden sie jedem Ruf um Hilfe nachkommen, und der Geist Gottes wird ihre Herzen bewegen, des Herrn Werk nicht nur in der Heimat, sondern auch in fremden Ländern zu unterstützen. So wird zugleich den Arbeitskräften an anderen Orten Stärkung zuteil werden, und das Werk des Herrn wird in der von ihm vorgesehenen Weise vorangehen. WA 356.1