In seinem Leben und seinen Lehren hat Christus ein vollkommenes Beispiel selbstlosen Dienens gegeben, das seinen Ursprung in Gott hat. Gott lebt nicht sich selbst. Die Erschaffung der Welt, die Erhaltung aller Dinge beweist, daß er ständig andern dient. “Er läßt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte.” Matthäus 5,45. Diese Gedanken des Dienens übertrug der Vater auf den Sohn. Jesus wurde an die Spitze der Menschheit gestellt, um durch sein Beispiel zu lehren, was dienen heißt. Sein ganzes Leben stand unter dem Gesetz des Dienens. Er diente und half allen. WA 357.1
Immer wieder versuchte Jesus diesen Grundsatz unter seinen Jüngern aufzurichten. Als Jakobus und Johannes um Bevorzugung baten, sagte er: “Wer groß sein will unter euch, der sei euer Diener, und wer der Erste sein will unter euch, sei euer Knecht; gleichwie des Menschen Sohn ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.” Matthäus 20,26-28. WA 357.2
Seit seiner Himmelfahrt hat Christus sein Werk auf der Erde durch auserwählte Botschafter vorangetragen. Durch sie redet er zu den Menschenkindern und hilft ihnen in ihren Nöten. Das Haupt der Gemeinde versieht sein Werk mit Hilfe von Menschen, die Gott dazu berufen hat, stellvertretend für ihn zu handeln. WA 357.3
Die Stellung derer, die von Gott berufen sind, in Wort und Lehre für den Aufbau seiner Gemeinde zu wirken, ist hochverantwortungsvoll. An Christi Statt sollen sie Männer und Frauen bitten, sich mit Gott versöhnen zu lassen. Diesen Auftrag können sie nur ausführen, wenn sie Kraft von oben empfangen. WA 358.1
Christi Diener sind die geistlichen Hüter des Volkes, das ihrer Fürsorge anvertraut ist. Ihre Tätigkeit gleicht der eines Wächters. In alten Zeiten wurden oftmals Wachen an günstigen Stellen der Stadtmauer aufgestellt. Von dort aus konnten sie alle wichtigen Punkte übersehen und beim Herannahen eines Feindes warnen. Von ihrer Treue hing die Sicherheit aller Einwohner ab. Die Wächter mußten sich in bestimmten Zeitabständen gegenseitig anrufen, um sich zu vergewissern, daß alle wachten und keinem ein Unglück zugestoßen war. Der ermunternde oder warnende Anruf wurde von einem zum andern weitergegeben, bis er die Runde um die Stadt gemacht hatte. WA 358.2
Der Herr ruft jedem Prediger zu: “Du Menschenkind, ich habe dich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel. Wenn du etwas aus meinem Munde hörst, sollst du sie in meinem Namen warnen. Wenn ich nun zu dem Gottlosen sage: Du Gottloser mußt des Todes sterben! und du sagst ihm das nicht, um den Gottlosen vor seinem Wege zu warnen, so wird er, der Gottlose, um seiner Sünde willen sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern. Warnst du aber den Gottlosen vor seinem Wege, daß er von ihm umkehre, und er will von seinem Wege nicht umkehren, so wird er um seiner Sünde willen sterben, aber du hast dein Leben errettet.” Hesekiel 33,7-9. WA 358.3
Die Worte des Propheten verdeutlichen die ernste Verantwortung derer, die zu Hütern der Gottesgemeinde, zu Haushaltern der Geheimnisse Gottes berufen sind. Als Wächter auf den Mauern Zions haben sie beim Herannahen des Feindes den warnenden Ruf erschallen zu lassen. Wenn Gottes Diener nicht treu ihre Pflicht erfüllen, kommen Menschen in Gefahr, der Versuchung zu erliegen und verlorenzugehen. Erlahmt ihr geistliches Erkennungsvermögen aus irgendeinem Grunde, so daß sie unfähig werden, die Gefahr zu erkennen, und Menschen durch ihre Nachlässigkeit umkommen, wird Gott das Blut derer, die verlorengehen, von ihren Händen fordern. WA 358.4
Die Wächter auf den Mauern Zions dürfen mit Gott in enger Verbindung leben und für die Eindrücke des Heiligen Geistes empfänglich sein. Auf diese Weise kann Gott durch sie wirken, er kann Männer und Frauen auf drohende Gefahren aufmerksam machen und ihnen den sicheren Bergungsort zeigen. Gewissenhaft sollen sie ihre Mitmenschen vor den Folgen der Übertretung warnen und auf das Wohl der Gemeinde bedacht sein. Niemals dürfen sie in ihrer Wachsamkeit nachlassen. Ihr Dienst erfordert den Einsatz ihrer ganzen Kraft. Einer Posaune gleich sollen sie ihre Stimme erheben und nie einen unsicheren, zittrigen Ton hervorbringen. Sie sollen nicht um Lohnes willen arbeiten sondern weil sie nicht anders können und sie sich bewußt sind, daß sie ein “Wehe!” trifft, wenn sie es unterlassen, das Evangelium zu predigen. Von Gott erwählt, mit heiligem Blut versiegelt, sollen sie Männer und Frauen vor dem bevorstehenden Untergang erretten. WA 359.1
Der Prediger, der Christi Mitarbeiter ist, wird ein klares Verständnis dafür haben, wie heilig seine Arbeit ist und welcher Mühe und Aufopferung es bedarf, um sie erfolgreich auszuführen. Er nimmt auf eigene Bequemlichkeit oder eigenes Behagen keine Rücksicht. Bei seiner Suche nach dem verlorenen Schaf vergißt er sich selbst und merkt überhaupt nicht, daß er müde und hungrig ist und daß ihn friert. Er hat nur die eine Aufgabe vor Augen: das Verlorene zu retten. WA 359.2
Wer unter dem blutbefleckten Banner Immanuels dient, hat ein Werk zu tun, das heldenhafte Anstrengung und geduldiges Ausharren erfordert. Doch der Kämpfer unterm Kreuz steht unverzagt in vorderster Front. Führt der Feind harte Angriffe gegen ihn, so nimmt er Zuflucht zum Bollwerk der Hilfe; sobald er dem Herrn die Verheißungen seines Wortes vorhält, wird er für die Pflichten der Stunde gestärkt. Er erkennt dabei, wie nötig er der Kraft von oben bedarf. Deshalb verleiten die Siege, die er erringt, ihn auch nicht dazu, sich selbst zu überheben. Sie veranlassen ihn vielmehr, sich immer fester an den Allmächtigen zu klammern. Verläßt er sich aber auf dessen Kraft, ist er imstande, die Heilsbotschaft so eindringlich zu verkünden, daß die Gemüter von ihr bewegt werden. WA 359.3
Wer Gottes Wort lehrt, muß selbst durch Forschen in der Schrift und durch Gebet in einer bewußten ständigen Verbindung mit Gott stehen; denn hier liegt die Quelle seiner Kraft. In der Gemeinschaft mit Gott wird dem Prediger eine Kraft zuteil, die mächtiger ist als der Einfluß seiner Predigt. Diese Kraft darf er sich durch nichts rauben lassen. Mit anhaltendem Ernst muß er Gott um zweierlei bitten: einmal, ihn mit Kraft auszurüsten, damit er seinen Pflichten nachkommen und in der Anfechtung bestehen kann, zum andern, seine Lippen mit feuriger Glut zu berühren. Leider ist jedoch der Halt viel zu schwach, den Christi Botschafter an den ewigen Dingen haben. Wer aber mit Gott wandelt, wird von ihm in der Felsenkluft geborgen werden, so daß er — wie Mose — Gott schauen kann. Durch die Kraft und das Licht, die Gott ihm verleiht, vermag er mehr zu verstehen und zu vollbringen, als es sein begrenzter Verstand für möglich gehalten hat. WA 360.1
Satan ist in der Anwendung seiner List besonders bei Niedergeschlagenen sehr erfolgreich. Jeder Prediger sollte daher, wenn er entmutigt zu werden droht, seine Nöte Gott unterbreiten. So setzte auch Paulus sein Vertrauen ganz auf den Herrn, wenn der Himmel über ihm wie Erz zu sein schien. Und er wußte besser als die meisten Menschen, was Anfechtungen wirklich bedeuten. Hören wir seinen Siegesruf in den er inmitten von Versuchung und Kampf ausbrach, wobei er seinen Fuß himmelwärts setzte: “Unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.” 2.Korinther 4,17.18. Paulus richtete seinen Blick auf das Unsichtbare und Ewige. Weil er sich klar darüber war, daß er mit übernatürlichen Mächten zu kämpfen hatte, setzte er sein Vertrauen auf Gott. Darin lag seine Stärke. Im Blick auf den unsichtbaren Herrn gewinnt man Kraft und Seelenstärke, und die Macht der Welt über Gemüt und Charakter wird gebrochen. WA 360.2
Ein Seelsorger sollte unbefangen unter den Menschen leben, für die er arbeiten will, damit er mit ihnen bekannt werden und seine Verkündigung besser ihren Nöten anpassen kann. Hat der Prediger eine Predigt gehalten, dann hat seine Arbeit eben erst begonnen. Nun gilt es, persönliche Arbeit zu tun. Er sollte die Leute in ihren Heimen besuchen und mit ihnen in herzlicher, schlichter Weise reden und beten. Es gibt Familien, die nie von der Wahrheit des Wortes Gottes erreicht würden, wenn nicht Haushalter seiner Gnade in ihrem Hause einkehrten und ihnen den Weg zum Himmel wiesen. Aber die Herzen derer, die diese Arbeit tun, müssen sich immer im Einklang mit dem Herrn Jesus befinden. WA 361.1
Der Auftrag: “Gehe aus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, auf daß mein Haus voll werde” (Lukas 14,23), schließt viel in sich. Wenn Gottes Diener im Familienkreis die Wahrheit lehren, müssen sie immer darauf bedacht sein, denen nahezukommen, um die sie sich bemühen; dann wird Gott ihr Wirken segnen und sie mit geistlicher Kraft ausrüsten. Christus selber wird sie in ihrer Arbeit leiten und ihnen Worte in den Mund legen, die tief in die Herzen ihrer Zuhörer eindringen. Es ist eine Gnade für jeden Prediger, mit Paulus sagen zu können: “Ich habe nicht unterlassen, euch zu verkündigen den ganzen Ratschluß Gottes.” Apostelgeschichte 20,27. “Ich habe euch nichts vorenthalten, was da nützlich ist, daß ih’s euch nicht verkündigt hätte und euch gelehrt öffentlich und in den Häusern und habe bezeugt den Juden und Griechen die Bekehrung zu Gott und den Glauben an unsern Herrn Jesus.” Apostelgeschichte 20,20.21. WA 361.2
Der Heiland ging von Haus zu Haus, heilte die Kranken, tröstete die Traurigen, half den Leidenden und richtete die Trostbedürftigen auf. Er nahm die kleinen Kinder in seine Arme und segnete sie, während er ihren müden Müttern ermutigende und trostreiche Worte sagte. Mit nie versiegender Zärtlichkeit und Güte begegnete er jedem menschlichen Leid. Er arbeitete nicht für sich selbst, sondern für andere. Er war aller Diener. Es war ihm ein innerstes Bedürfnis, all denen neue Hoffnung und Stärke zu vermitteln, mit denen er zusammenkam. Wenn Männer und Frauen der Wahrheit lauschten, die von seinen Lippen kam und sich von den Überlieferungen und Lehrsätzen der Rabbiner grundlegend unterschied, wurde Hoffnung in ihren Herzen erweckt. Seine Lehren bargen einen tiefen Ernst, der seinen Worten überzeugende Kraft verlieh. WA 362.1
Gottes Diener müssen Christi Arbeitsweise lernen, um aus der Schatzkammer seines Wortes das zu entnehmen, was dem geistlichen Bedürfnis derer entspricht, für die sie arbeiten. Nur so können sie ihrer Aufgabe richtig nachkommen. Derselbe Geist, der in Christus wohnte, als er die Unterweisungen weitergab, die er beständig empfing, muß auch im Wirken für Christus die Quelle ihres Wissens und das Geheimnis ihrer Kraft sein. WA 362.2
Manche, die im Predigtamt tätig waren, hatten keinen Erfolg, weil sie dem Werk des Herrn nicht ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkten. Neben der wichtigen Aufgabe, Menschen zu Christus zu führen, sollten Prediger keine Interessen verfolgen, die sie ablenken könnten. Die von Jesus berufenen Fischer verließen ohne zu zögern ihre Netze und folgten ihm. Prediger können keine Gott wohlgefällige Arbeit tun, wenn sie sich zur selben Zeit mit ausgedehnten geschäftlichen Privatunternehmungen belasten. Eine solche Zersplitterung ihrer Kräfte trübt ihr geistliches Urteilsvermögen. Herz und Sinn werden von vergänglichen Dingen erobert, während der Dienst Christi nur noch die zweite Stelle einnimmt. Anstatt ihre Verhältnisse so zu gestalten, daß sie den Anforderungen Gottes nachkommen können, suchen sie lieber ihre Arbeit für Gott den Verhältnissen anzupassen. WA 362.3
Der Diener Gottes benötigt für seinen hohen Beruf ganze Tatkraft; seine besten Kräfte gehören Gott. Er sollte sich weder in gewagte Unternehmungen, noch in irgendwelche Geschäfte einlassen, die ihn von der Erfüllung seiner hohen Aufgabe abhalten. “Kein Kriegsmann”, sagte Paulus, “verstrickt sich in Sorgen des alltäglichen Lebens, auf daß er gefalle dem, der ihn geworben hat.” 2.Timotheus 2,4. Damit betonte der Apostel, wie notwendig die bedingungslose Hingabe des Predigers an den Dienst für den Meister ist. Der Prediger, der sich Gott völlig geweiht hat läßt sich nicht in Geschäfte ein, die ihn hindern würden, sich seinem heiligen Beruf ganz zu widmen. Er strebt ja nicht nach irdischer Ehre noch irdischem Reichtum, sondern will nur andern von dem Heiland erzählen, der sich selbst dahingegeben hat, um den Menschen die kostbare Gabe des ewigen Lebens zu bringen. Sein höchster Wunsch ist nicht, sich Schätze auf Erden zu sammeln, sondern die Aufmerksamkeit der Gleichgültigen und Ungetreuen auf die ewigen Dinge hinzulenken. Wird er trotzdem aufgefordert, sich an Unternehmungen zu beteiligen, die reichen weltlichen Gewinn versprechen, begegnet er diesen Versuchungen mit der Erwiderung: “Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden?” Markus 8,36. WA 363.1
Satan trat mit diesem Lockmittel auch an Jesus heran, wohl wissend, daß die Welt nie erlöst werden könnte, wenn der Heiland auf seinen Vorschlag einginge. Und noch heute trägt er in verschiedener Gestalt dieselben Versuchungen an Gottes Diener heran; denn er weiß, daß alle, die sich von ihm verführen lassen, ihrer Pflicht nicht treu bleiben werden. WA 363.2
Gott will nicht, daß seine Diener danach trachten, reich zu werden. Paulus schrieb an Timotheus: “Habsucht ist eine Wurzel alles Übels; wie etliche gelüstet hat und sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen. Aber du, Gottesmensch, fliehe solches! Jage aber nach der Gerechtigkeit, der Gottesfurcht, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut.” 1.Timotheus 6,10.11. Durch Beispiel und Lehre soll der Gesandte Christi den Reichen dieser Welt gebieten, “daß sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den ungewissen Reichtum, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darbietet, es zu genießen; daß sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behilflich seien, sich selbst einen guten Grund legen aufs Zukünftige, auf daß sie ergreifen das wahre Leben.” 1.Timotheus 6,17-19. WA 364.1
Die Erfahrungen des Apostels Paulus und seine Belehrungen über die Heiligkeit der Arbeit eines Predigers sind eine Quelle der Hilfe und Belebung für alle, die im Evangeliumsdienst stehen. Des Paulus Herz brannte von Liebe zu den Sündern, und er setzte alle seine Kräfte ein für das Werk der Seelenrettung. Nie hat es einen Mitarbeiter im Werk Gottes gegeben, der mehr Selbstverleugnung geübt und größere Ausdauer bewiesen hätte. Die Segnungen, die er empfing, erachtete er als weitere Möglichkeiten, andern ein Segen zu sein. Er ließ sich keine Gelegenheit entgehen, um vom Heiland zu reden und denen zu helfen, die in Schwierigkeiten waren. Er zog von Ort zu Ort, predigte das Evangelium von Christus und gründete Gemeinden. Wo immer er Gehör fand, suchte er dem Bösen entgegenzuwirken und Männer und Frauen auf den Pfad der Gerechtigkeit zu leiten. WA 364.2
Paulus vergaß nie die Gemeinden, die er gegründet hatte. Nach Beendigung einer Missionsreise kehrten er und Barnabas auf demselben Wege zurück und besuchten noch einmal die von ihnen ins Leben gerufenen Gemeinden. Dabei erwählten sie Männer, die sie zur Mitarbeit bei der Verkündigung des Evangeliums heranbilden konnten. WA 364.3
Auch von dieser Seite gesehen, enthält die Arbeitsweise des Paulus für Prediger von heute eine wichtige Lehre. Der Apostel sah es als Teil seiner Aufgabe an, junge Männer für die Ausbildung im Predigtamt heranzuziehen. Er nahm sie mit sich auf seine Missionsreisen, damit sie Erfahrungen sammeln konnten, die sie später befähigten, verantwortungsvolle Stellungen zu bekleiden. War er dann wieder von ihnen getrennt, blieb er dennoch in enger Verbindung mit ihrer Arbeit. Seine Briefe an Timotheus und Titus sind Beweise dafür, wie sehr er sich danach sehnte, sie erfolgreich zu sehen. WA 365.1
Paulus vergaß nie die Verantwortung, die auf ihm als einem Prediger Christi ruhte, und daß er Gott einst Rechenschaft geben müsse, wenn Menschen durch seine Untreue verlorengingen. “Ihr Diener bin ich geworden”, erklärte Paulus, “nach dem Ratschluß Gottes, der mir anvertraut ist für euch, um Gottes Wort in seiner Fülle kundzumachen, nämlich das Geheimnis, das verborgen gewesen ist von allen Zeiten und Geschlechtern her; nun aber ist es offenbart seinen Heiligen. Ihnen wollte Gott kundtun, was da sei der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden, welches ist Christus in euch; die Hoffnung der Herrlichkeit. Den verkündigen wir und vermahnen alle Menschen und lehren alle Menschen mit aller Weisheit, auf daß wir einen jeglichen Menschen darstellen vollkommen in Christus; daran ich auch arbeite und ringe in der Wirkung des, der in mir kräftig wirkt.” Kolosser 1,25-29. WA 365.2
Diese Worte stecken dem Arbeiter Christi ein hohes Ziel, das alle erreichen können, die sich unter die Leitung des großen Lehrers stellen und täglich in der Schule Christi lernen. Unbegrenzt ist die Kraft, über die Gott verfügt. Der Prediger, der sich in seiner großen Not zum Herrn kehrt, darf daher gewiß sein, daß er von ihm empfangen wird, was seinen Hörern ein Geruch des Lebens zum Leben sein wird. WA 365.3
Paulus betonte in seinen Schriften, daß der Prediger des Evangeliums die Wahrheiten, die er lehrt, selbst ausleben sollte: “Wir geben niemand irgendein Ärgernis, auf daß unser Amt nicht verlästert werde.” Von seinem eigenen Wirken hat er uns in seinem zweiten Brief an die Gläubigen zu Korinth ein Bild hinterlassen: “In allen Dingen erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Trübsal, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufrühren, in Mühen, in Wachen, in Fasten, in Keuschheit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, in dem heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, durch Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken; durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte; als die Verführer, und doch wahrhaftig; als die Unbekannten, und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht ertötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen.” 2.Korinther 6,3-10. WA 366.1
An Titus schrieb er: “Desgleichen die jungen Männer ermahne, daß sie sich in Zucht halten. Allenthalben aber stelle dich selbst zum Vorbilde guter Werke, mit unverfälschter Lehre, mit Ehrbarkeit, mit gesundem und untadeligem Wort, auf daß der Widersacher beschämt werde und nichts habe, daß er von uns könne Böses sagen.” Titus 2,6-8. WA 366.2
In den Augen Gottes gibt es nichts Wertvolleres als seine Prediger, die zu den vernachlässigten Plätzen der Erde gehen und im Blick auf die Ernte den Samen der Wahrheit ausstreuen. Christus allein kann die Sorge seiner Diener ermessen, wenn sie nach den Verlorenen suchen. Er gibt ihnen seinen Geist, und durch ihre Bemühungen werden Menschen veranlaßt, sich von der Sünde zur Gerechtigkeit zu kehren. WA 366.3
Gott ruft nach Menschen, die willig sind, ihre Bauernhöfe, ihre Geschäfte und nötigenfalls sogar ihre Familien zu verlassen, um seine Sendboten zu werden. Dieser Aufruf bleibt nicht unbeantwortet. Bereits in der Vergangenheit gab es Männer, die, getrieben von der Liebe Gottes und der Not der Verlorenen, die Bequemlichkeit ihres Heimes, die Gesellschaft ihrer Freunde, ja selbst Frau und Kinder verließen, um in fremden Ländern unter Götzenanbetern und Wilden die Botschaft der Gnade zu verkündigen. Viele haben dabei ihr Leben verloren. Trotzdem haben sich andere nach ihnen aufgemacht, um das Werk weiterzuführen. So ging die Sache Christi Schritt für Schritt voran, und der mit Sorgen ausgestreute Same brachte reiche Ernte. Die Erkenntnis Gottes hat weite Verbreitung gefunden, und das Banner des Kreuzes wurde in den Heidenländern aufgerichtet. WA 367.1
Selbst für die Rettung eines einzigen Sünders sollte der Prediger seine Kräfte bis zum äußersten anspannen. Der von Gott geschaffene und von Christus erlöste Mensch ist darum von so hohem Wert, weil sich ihm große Möglichkeiten auftun, weil ihm geistliche Vorteile eingeräumt werden, weil die Fähigkeiten, die er besitzen mag, durch das Wort Gottes belebt werden können und weil er durch die im Evangelium angebotene Hoffnung die Unsterblichkeit erlangen kann. Christus verließ die neunundneunzig Schafe, um das eine verlorene zu suchen. Wer hatte da ein Recht, weniger zu tun? Ist es nicht geradezu ein Verrat an heiligen Vermächtnissen, eine Beleidigung Gottes, wenn wir es unterließen, so zu arbeiten, wie Christus gearbeitet hat, so zu opfern, wie er geopfert hat? WA 367.2
Das Herz eines aufrichtigen Predigers ist von heißem Verlangen erfüllt, Menschen zu retten. Er opfert dafür Zeit und Kraft und scheut keine noch so mühevolle Anstrengung; denn andere müssen auch das Evangelium hören, das ihm selbst so viel Frohsinn, Frieden und Freude gebracht hat. Der Geist Christi ruht auf ihm. Er wacht über Seelen wie jemand, der einst Rechenschaft ablegen muß. Den Blick auf das Kreuz von Golgatha gerichtet, sieht er auf den erhöhten Heiland, vertraut der göttlichen Gnade und glaubt, daß der Herr ihm bis ans Ende Schild, Kraft und Stärke sein wird. Und so arbeitet er für Gott. Er lädt Menschen ein, bittet sie und sichert ihnen die Liebe Gottes zu. So sucht er Menschen für Christus zu gewinnen. Im Himmel wird er zu denen gerechnet, die “Berufene und Auserwählte und Gläubige” (Offenbarung 17,14) genannt werden. WA 367.3