»Lange Zeit aber danach starb der König von Ägypten. Und die Israeliten seufzten über ihre Knechtschaft und schrien, und ihr Schreien über ihre Knechtschaft kam vor Gott. Und Gott erhörte ihr Wehklagen und gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob. Und Gott sah auf die Israeliten und nahm sich ihrer an.” (2. Mose 2,23-25) Die Zeit für Israels Befreiung war gekommen. Aber Gottes Absicht sollte auf eine Art und Weise verwirklicht werden, die allen menschlichen Stolz in den Staub tritt. Der Befreier sollte als demütiger Hirte auftreten, nur mit einem Stab in der Hand. Aber gerade diesen Stab wollte Gott zum Sinnbild seiner Macht erheben. WAB 232.3
Als Mose eines Tages am Horeb, dem »Berg Gottes« (2. Mose 3,1), die Herden weidete, sah er einen Busch in Flammen stehen. Zweige, Blätter und der Stamm - alles brannte, schien aber nicht verzehrt zu werden. Er ging hin, um diese wunderbare Erscheinung näher zu betrachten. Da hörte er eine Stimme aus den Flammen, die ihn bei seinem Namen rief. Mit bebenden Lippen antwortete er: »Hier bin ich!« (2. Mose 3,4) Er wurde davor gewarnt, ohne Ehrfurcht näherzukommen: »Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! ... Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.” (2. Mose 3,5.6) Es war derselbe, der sich in der Vergangenheit den Vorfahren als Engel des Bundes offenbart hatte. »Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.« (2. Mose 3,6) WAB 233.1
Demut und Ehrfurcht sollten das Benehmen aller kennzeichnen, die in Gottes Gegenwart treten. Im Namen seines Sohnes dürfen wir voller Zuversicht zu Gott kommen, aber wir dürfen uns ihm nicht mit der kühnen Überheblichkeit nahen, als stehe er mit uns auf gleicher Stufe. Es gibt Menschen, die den großen, allmächtigen, heiligen Gott, »der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann« (1. Timotheus 6,16b), in einer Art anreden, als sprächen sie mit ihresgleichen oder gar mit einem Untergebenen. Manche verhalten sich in seinem Haus, wie sie das im Audienzsaal eines irdischen Herrschers nie wagen würden. Sie sollten sich daran erinnern, dass sie vor das Angesicht dessen treten, den die Seraphim anbeten und vor dem die Engel ihr Angesicht verhüllen. Gott gebührt höchste Verehrung, und wer sich seiner Gegenwart wirklich bewusst ist, wird sich in Demut vor ihm beugen. Wie Jakob, der in einer Traumvision Gott sah, wird er ausrufen: »Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels!« (1. Mose 28,17) WAB 233.2
Als Mose in ehrfürchtiger Bewunderung vor Gott stand, hörte er die Worte: »Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Land in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt ... So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.” (2. Mose 3,7.8.10) WAB 233.3
Bestürzt, ja entsetzt über diesen Befehl wich Mose zurück und sagte: »Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?« Die Antwort lautete: »Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berg.” (2. Mose 3,11.12) WAB 234.1
Mose dachte an die Schwierigkeiten, denen er begegnen würde, an die Blindheit, die Unwissenheit und den Unglauben seines Volkes, von dem viele fast nichts mehr von Gott wussten. Deshalb wandte er ein: »Siehe, wenn ich zu den Söhnen Israel komme und ihnen sage: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt, und sie mich fragen: Was ist sein Name?, was soll ich dann zu ihnen sagen?« Da sprach Gott zu Mose: »Ich bin, der ich bin . So sollst du zu den Söhnen Israels sagen: [Der] ›Ich bin‹ hat mich zu euch gesandt.« (2. Mose 3,13.14 Elb.) WAB 234.2
Gott gebot Mose, zuerst die Ältesten der Israeliten zu versammeln, die vornehmsten und rechtschaffensten unter ihnen, die wegen ihrer Sklaverei lange Leid getragen hatten. Ihnen solle er eine Botschaft von Gott ausrichten, verbunden mit der Zusage der Befreiung. Dann sollte er mit den Ältesten vor den König treten und ihm sagen: »Der Herr, der Gott der Hebräer, ist uns erschienen. So lass uns nun gehen drei Tagereisen weit in die Wüste, dass wir opfern dem Herrn, unserem Gott.” (2. Mose 3,18) WAB 234.3
Mose wurde allerdings vorgewarnt, dass sich der Pharao der Aufforderung, Israel ziehen zu lassen, widersetzen werde. Trotzdem solle der Diener Gottes nicht den Mut verlieren, denn der Herr werde diese Gelegenheit nutzen, um den Ägyptern wie seinem Volk seine Macht zu offenbaren. »Daher werde ich meine Hand ausstrecken und Ägypten schlagen mit all den Wundern, die ich darin tun werde. Danach wird er euch ziehen lassen.” (2. Mose 3,20) WAB 234.4
Mose erhielt auch Anweisungen bezüglich der Vorbereitungen, die sie für die Reise treffen sollten. Der Herr erklärte: »Und ich werde dafür sorgen, dass die Ägypter euch wohlgesinnt sind. Ihr werdet nicht mit leeren Händen fortgehen. Jede israelitische Frau soll sich von ihrer Nachbarin und ihrer Mitbewohnerin silbernen und goldenen Schmuck und schöne Kleider geben lassen.” (2. Mose 3,21.22 NLB) Die Ägypter waren durch die Zwangsarbeit der Israeliten ungerechterweise reich geworden. Als diese den Weg in ihre neue Heimat antraten, war es nur recht und billig, dass sie ihren Lohn für die Jahre ihrer Mühsal einforderten. Sie sollten Wertgegenstände verlangen, die man leicht befördern konnte. Gott selbst werde für das Wohlwollen aufseiten der Ägypter sorgen. Die gewaltigen Wunder, die vor ihrer Befreiung geschehen sollten, würden die Unterdrücker in Angst und Schrecken versetzen, sodass sie den Forderungen ihrer Sklaven nachkommen werden. WAB 234.5