Mose sah Schwierigkeiten vor sich, die unüberwindlich zu sein schienen. Welchen Beweis konnte er seinem Volk liefern, dass Gott ihn tatsächlich gesandt hatte? Er sagte daher: »Sie werden mir nicht glauben und nicht auf mich hören, sondern werden sagen: Der Herr ist dir nicht erschienen.” (2. Mose 4,1) Nun erhielt er Beweise, die seine Sinne ansprachen. Zuerst sollte er seinen Stock auf die Erde werfen. Als er es tat, verwandelte sich dieser in eine Schlange, »und Mose floh vor ihr” (2. Mose 4,3). Dann erhielt er den Befehl, sie zu packen. In seiner Hand wurde sie wieder zum Stock. Danach sollte er seine Hand in eine Falte seines Gewandes stecken. Er gehorchte, »und als er sie wieder herauszog ... war sie aussätzig wie Schnee« (2. Mose 4,6). Auf Gottes Weisung hin steckte er die Hand erneut in die Stofffalte. Als er sie herauszog, war sie wieder wie die andere. Mit diesen Zeichen versicherte der Herr Mose, dass sein eigenes Volk wie auch der Pharao davon überzeugt werden würden, dass sich hier ein Mächtigerer als der König von Ägypten offenbarte. WAB 235.1
Aber noch immer war Gottes Diener von dem Gedanken an diese ungewöhnliche und doch wunderbare Aufgabe, die ihm da bevorstand, überwältigt. In seiner Angst und Not führte er jetzt als Entschuldigung seinen Mangel an Beredsamkeit an: »Ach, Herr! Ich bin kein redegewandter Mann, weder seit gestern noch seit vorgestern, noch seitdem du zu deinem Knecht redest; denn unbeholfen ist mein Mund und unbeholfen meine Zunge.« (2. Mose 4,10 Elb.) Er sei so lange von Ägypten fort gewesen, dass er die Sprache nicht mehr so gut beherrsche und sich ihrer nicht mehr so gewandt bedienen könne wie zu der Zeit, als er dort gelebt habe. WAB 235.2
Der Herr sagte zu ihm: »Wer hat dem Menschen den Mund geschaffen? Oder wer hat den Stummen oder Tauben oder Sehenden oder Blinden gemacht? Habe ich’s nicht getan, der Herr?” Und Gott gab ihm noch eine weitere Zusicherung: »So geh nun hin: Ich will mit deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen sollst.” (2. Mose 4,11.12) Aber erneut bat Mose inständig darum, Gott möge einen Geeigneteren erwählen. Zuerst entsprangen diese Entschuldigungen echter Demut und Bescheidenheit, aber nachdem Gott ihm versprochen hatte, alle Hindernisse zu beseitigen und ihm schließlich Erfolg zu schenken, offenbarten jedes weitere Zurückschrecken und das Beklagen seiner Untauglichkeit Misstrauen gegenüber Gott. Darin war die Angst enthalten, Gott könne ihn nicht zu dem großen Werk befähigen, zu dem er ihn berufen hatte, oder dass er mit der Wahl seiner Person einen Fehler gemacht habe. WAB 235.3
Nun wies Gott Mose auf Aaron hin, seinen älteren Bruder. Der sprach perfekt Ägyptisch, weil er diese Sprache täglich benutzte. Mose wurde gesagt, dass ihm Aaron unterwegs entgegenkommen werde. Die nächsten Worte des Herrn waren ein eindeutiger Befehl: WAB 236.1
»Du sollst zu ihm reden und die Worte in seinen Mund legen. Und ich will mit deinem und seinem Munde sein und euch lehren, was ihr tun sollt. Und er soll für dich zum Volk reden; er soll dein Mund sein und du sollst für ihn Gott sein. Und diesen Stab nimm in deine Hand, mit dem du die Zeichen tun sollst.” (2. Mose 4,15-17) Nun konnte Mose keinen Widerstand mehr leisten, denn alle Gründe für Ausreden waren ausgeräumt. WAB 236.2
Als Mose Gottes Auftrag erhielt, misstraute er sich selbst. Er war langsam im Reden und ängstlich. Das Gefühl, ungeeignet zu sein, um dem Volk Israel gegenüber als Gottes Sprachrohr aufzutreten, überwältigte ihn. Nachdem er aber die Aufgabe einmal übernommen hatte, packte er sie von ganzem Herzen an und setzte sein ganzes Vertrauen auf Gott. Die Bedeutung seiner Aufgabe weckte in ihm die höchsten Geisteskräfte. Gott segnete seinen bereitwilligen Gehorsam. Mose wurde redegewandt, zuversichtlich, selbstbeherrscht und bestens für das größte Werk geeignet, das jemals einem Menschen übertragen wurde. Das ist ein Beispiel dafür, wie Gott eingreift, um denen Charakterstärke zu verleihen, die ihm ganz vertrauen und vorbehaltlos seinen Befehlen nachkommen. WAB 236.3
Ein Mensch gewinnt Stärke und Leistungsfähigkeit, indem er die Verantwortung annimmt, die ihm Gott überträgt, und mit ganzem Herzen versucht, sich der Aufgabe gewissenhaft zu stellen. Mag auch sein Rang bescheiden und seine Fähigkeit begrenzt sein - jener Mensch wird wahre Größe erlangen, der sein Werk im Vertrauen auf Gottes Kraft treu verrichtet. Hätte sich Mose auf seine eigene Stärke und Klugheit verlassen und sich geradezu auf die große Aufgabe gestürzt, hätte er damit nur bewiesen, dass er für diesen Dienst völlig untauglich war. Wenn jemand sein Unvermögen eingesteht, ist das zumindest ein Zeichen dafür, dass er die Größe der Aufgabe, die ihm übertragen wurde, erkannt hat und er Gott zu seinem Ratgeber und zu seiner Stärke machen will. WAB 236.4
Mose kehrte zu seinem Schwiegervater zurück und äußerte den Wunsch, seine Brüder in Ägypten zu besuchen. Jitro stimmte zu und segnete ihn: »Geh hin mit Frieden!« (2. Mose 4,18) Mit seiner Frau und den Kindern brach Mose auf. Er hatte nicht gewagt, den eigentlichen Grund der Reise anzugeben, damit ihnen nicht verboten wurde, ihn zu begleiten. Doch bevor sie Ägypten erreichten, hielt er es für das Beste, seine Familie aus Sicherheitsgründen nach Midian zurückzuschicken. WAB 236.5
Auch seine geheime Furcht vor dem Pharao und den Ägyptern, deren Zorn er 40 Jahre zuvor auf sich gezogen hatte, hatte Moses Zögern, nach Ägypten zurückzukehren, noch verstärkt. Aber nachdem er sich entschieden hatte, Gottes Befehl zu gehorchen, und er bereits unterwegs war, offenbarte ihm der Herr, dass seine Feinde tot waren. WAB 237.1