In all den Jahren, die die Israeliten als Sklaven in Ägypten verbrachten, hatte immer eine Anzahl von ihnen an der Anbetung Jahwes festgehalten. Diese waren tief beunruhigt, als sie bemerkten, dass ihre Kinder täglich heidnische Abscheulichkeiten mit ansehen mussten, und sich sogar vor ihren falschen Göttern verbeugten! In ihrer Not schrien sie zum Herrn und baten um Erlösung von der ägyptischen Knechtschaft, um von dem verderblichen Einfluss des Götzendienstes befreit zu werden. Sie hielten ihren Glauben nicht geheim, sondern erklärten gegenüber den Ägyptern, dass sie den Schöpfer des Himmels und der Erde anbeteten, den einzig wahren und lebendigen Gott. Sie zählten ihnen die Beweise seines Daseins und seiner Macht von der Schöpfung bis zu den Tagen Jakobs auf. Auf diese Weise erhielten die Ägypter Gelegenheit, den Glauben der Israeliten kennenzulernen. Aber da sie es verschmähten, sich von ihren Sklaven belehren zu lassen, versuchten sie, die Anbeter des Herrn zu verführen, indem sie ihnen Belohnungen versprachen. Als das nichts half, griffen sie zu Drohungen und Grausamkeiten. WAB 240.2
Die Ältesten Israels bemühten sich, den schwindenden Glauben ihrer Brüder zu stärken, indem sie die Zusagen wiederholten, die Gott ihren Vorvätern gegeben hatte. Sie erinnerten auch an Josefs prophetische Worte vor seinem Tod, der ihre Befreiung aus Ägypten vorausgesagt hatte. Einige hörten darauf und glaubten es. Andere achteten auf die aktuellen Umstände, die ihnen die Hoffnung nahmen. WAB 240.3
Als die Ägypter vernahmen, was unter ihren Sklaven die Runde machte, lachten sie nur über deren Hoffnungen und stellten die Macht ihres Gottes verächtlich in Abrede. Sie wiesen auf ihre Lage als versklavtes Volk hin und spotteten: »Wenn euer Gott gerecht und barmherzig ist und Macht besitzt über die ägyptischen Götter, warum macht er euch nicht zu einem freien Volk?” Dann machten sie auf ihre eigene Lage aufmerksam: Sie verehrten Gottheiten, welche die Israeliten falsche Götter nannten, und doch seien sie eine reiche und mächtige Nation! Sie behaupteten, ihre Götter hätten sie mit Wohlstand gesegnet und ihnen die Israeliten als Sklaven überlassen. Sie prahlten mit ihrer Macht, die Anbeter Jahwes zu unterdrücken und zu vernichten. Der Pharao selbst rühmte sich, dass der Gott der Hebräer sie nicht aus seiner Hand befreien könne. WAB 241.1
Solche Worte machten die Hoffnungen vieler Israeliten zunichte. Ihre Lage schien tatsächlich in vieler Hinsicht so zu sein, wie die Ägypter sie beschrieben. Es stimmte ja, dass sie Sklaven waren und über sich ergehen lassen mussten, was immer ihnen die grausamen Aufseher zufügten. Ihre Kinder wurden aufgespürt und umgebracht, und ihr eigenes Leben war eine Last - und das, obwohl sie den Gott des Himmels verehrten. Wenn Jahwe wirklich über allen Göttern stünde, hätte er gewiss nicht zugelassen, dass sie Sklaven von Götzendienern wurden! Doch alle, die Gott treu geblieben waren, verstanden, warum er das nicht verhindert hatte: Weil das Volk Israel von ihm abgewichen war, weil es dazu neigte, in heidnische Völker einzuheiraten, und sich dadurch zum Götzendienst verleiten ließ. Voll Zuversicht versicherten sie ihren Brüdern, dass Jahwe die Fesseln des Unterdrückers bald lösen werde. WAB 241.2
Die Israeliten hatten erwartet, ihre Freiheit ohne besondere Glaubensprüfungen und ohne Leiden oder Entbehrungen erlangen zu können. Sie waren noch nicht auf ihre Befreiung vorbereitet. Sie hatten nur wenig Vertrauen zu Gott und waren nicht bereit, ihre Anfechtungen so lange geduldig zu ertragen, bis die Zeit für sein Eingreifen gekommen war. Viele wollten sogar lieber in der Sklaverei bleiben, als die Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, die der Auszug in ein fremdes Land mit sich bringen würde. Andere hatten sich so stark den ägyptischen Sitten angepasst, dass sie es vorzogen, in Ägypten zu bleiben. Deshalb befreite sie der Herr nicht gleich beim ersten Mal, als er seine Macht vor dem Pharao offenbarte. Er wendete die Ereignisse so, dass sich der tyrannische Geist des ägyptischen Königs voll entfalten und Gott sich seinem Volk offenbaren konnte. Wenn die Israeliten die Gerechtigkeit, Macht und Liebe ihres Gottes erlebten, würden sie Ägypten gern verlassen, um ihm zu dienen. Moses Aufgabe wäre wesentlich leichter gewesen, wenn nicht viele Israeliten so verdorben gewesen wären, dass sie nicht willens waren, Ägypten zu verlassen. WAB 241.3
Der Herr gebot Mose, wieder vor das Volk zu treten und die Zusage seiner Befreiung zu bekräftigen. Erneut sollte er ihnen Gottes Gunst und Gnade zusichern. Er ging, wie ihm befohlen war, aber die Israeliten wollten nicht auf ihn hören. Die Heilige Schrift berichtet: »Aber aus Verzagtheit und wegen [ihrer] schweren Arbeit hörten sie nicht auf Mose.” (2. Mose 6,9 Elb.) Wieder erging Gottes Botschaft an Mose: »Geh hin und rede mit dem Pharao, dem König von Ägypten, dass er Israel aus seinem Land ziehen lasse.« Mutlos geworden erwiderte er: »Siehe, die Israeliten hören nicht auf mich; wie sollte denn der Pharao auf mich hören!« Nun wurde ihm gesagt, er solle Aaron mitnehmen, zum Pharao gehen und wieder von ihm verlangen, »Israel aus seinem Land ziehen« zu lassen (2. Mose 6,11.12). WAB 242.1
Mose wurde darüber informiert, dass der Monarch nicht nachgeben werde, bis Gott Ägypten mit Strafgerichten heimsuchen und Israel durch eine deutliche Bekundung seiner Macht wegführen wird. Bevor eine Plage verhängt wurde, sollte Mose deren Art und Wirkung beschreiben, sodass der Pharao die Möglichkeit erhielt, die Plage abzuwenden, wenn er wollte. Auf jede Züchtigung, die er zurückwies, sollte eine härtere folgen, bis sich sein stolzes Herz demütigen und er den Schöpfer des Himmels und der Erde als den wahren und lebendigen Gott anerkennen würde. Der Herr wollte den Ägyptern Gelegenheit geben zu erkennen, wie eingebildet die Weisheit ihrer Mächtigen war und wie schwach die Macht ihrer Götter wäre, wenn sie sich den Befehlen Jahwes widersetzten. Er wollte sie wegen ihres Götzendienstes bestrafen und ihre Prahlereien bezüglich der Segnungen, die sie ihren leblosen Göttern zuschrieben, zum Schweigen bringen. Gott wollte seinen eigenen Namen verherrlicht sehen, damit andere Völker von seiner Macht hörten und vor seinen mächtigen Taten erzitterten. Er wollte damit sein Volk Israel veranlassen, sich von seinem Götzendienst abzuwenden und ihm allein zu dienen. WAB 242.2