Das Heiligtum war so gebaut, dass es zerlegbar war und die Israeliten es auf ihren Wanderzügen mitführen konnten. Es war deshalb klein, nur 15 Meter lang und jeweils 5 Meter breit und hoch. Dennoch sah es prachtvoll aus. Das Holz für die Wände und die Einrichtung stammte von der Akazie, weil es gegen Fäulnis weniger anfällig war als alles andere, was am Sinai zur Verfügung stand. Die Wände bestanden aus aufgerichteten Brettern auf silbernen Sockeln, die von Pfeilern und Querbalken festgehalten wurden. Alles war mit Gold überzogen, sodass es wie aus massivem Gold aussah. Das Dach bestand aus vier Lagen von verschiedenen Zeltdecken. Die innerste sollte hergestellt sein »aus feinem Leinen und violettem [bzw. blauem], purpur- und karme- sinfarbenem Garn ... Die Bahnen sollen mit Cherub-Bildern verziert werden« (2. Mose 26,1 NLB). Die drei anderen Zeltdecken bestanden aus Ziegenhaar, rot gefärbten Widderfellen und Dachsfellen - so angeordnet, dass sie vollständigen Schutz boten. WAB 323.4
Ein kostbarer, schöner Vorhang teilte das Heiligtum in zwei Räume. Er hing an vergoldeten Säulen. Ein ähnlicher Vorhang schloss den Eingang zur ersten Abteilung. Wie die unterste Zeltdecke trugen auch diese in schöner Abstimmung die wunderbarsten Farben: violett, purpur- und scharlachrot. Aus Gold- und Silberfäden waren in beide Vorhänge Cherubim eingewoben, die die Engel darstellten, die mit dem Dienst im himmlischen Heiligtum zu tun haben und »dienstbare Geister” für Gottes Volk auf der Erde sind (Hebräer 1,14). WAB 324.1
Das heilige Zelt war ringsum von einem offenen Raum umschlossen, dem sogenannten Vorhof. Dieser wurde von Vorhängen aus feiner Leinwand abgegrenzt, die an Messingsäulen aufgehängt waren. Der Eingang lag an der Ostseite und war durch Vorhänge aus kostbarem und kunstvoll verarbeitetem Stoff verschlossen - allerdings von geringerem Wert als die beiden anderen am Heiligtum. Da die Vorhänge des Vorhofs nur etwa halb so hoch waren wie die Wände des Heiligtums, konnte man von draußen das heilige Zelt deutlich sehen. Nahe am Eingang stand der Brandopferaltar, der mit Bronzeblech überzogen war. Darauf wurden Gott alle Opfer dargebracht, die vom Feuer verzehrt werden sollten. Die Hörner des Altars an den vier Ecken wurden mit dem sühnenden Blut der Opfertiere besprengt. WAB 324.2
Zwischen dem Altar und dem Eingang zum Heiligtum befand sich das Waschbecken, ebenfalls aus Bronze gefertigt, und zwar aus den Bronzespiegeln, welche die israelitischen Frauen aus freien Stücken gespendet hatten. An diesem Becken mussten sich die Priester Hände und Füße waschen, sooft sie in die heiligen Räume hineingingen oder an den Altar traten, um dem Herrn Brandopfer darzubringen. WAB 324.3
In der ersten Abteilung des Zeltes, dem »Heiligen«, standen der Tisch für die Schaubrote, der Leuchter und der Altar für die Räucheropfer (Hebräer 9,2). Der Schaubrottisch an der Nordseite besaß eine Leiste ringsherum und war mit reinem Gold überzogen. Jeden Sabbat mussten die Priester zwölf Brote darauf legen - in zwei Stapeln nebeneinander -, die mit Weihrauch besprengt wurden. Die Brote, die man entfernte, galten als heilig und mussten von Priestern gegessen werden. WAB 324.4
An der Südseite stand der siebenarmige Leuchter mit seinen sieben Lampen. Er bestand aus massivem Gold; seine Arme waren mit ausnehmend fein gearbeiteten Blumen geschmückt, die Lilien glichen. Da das Bundeszelt keine Fenster hatte, wurden nie alle Lampen gleichzeitig gelöscht, sodass der Leuchter Tag und Nacht Licht spendete. WAB 325.1
Der Räucheropferaltar stand dicht vor dem zweiten Vorhang, der das Heilige von der zweiten Abteilung, dem Allerheiligsten (Hebräer 9,3), und damit von der unmittelbaren Gegenwart Gottes trennte. Auf diesem Altar sollte der Priester jeden Morgen und jeden Abend Weihrauch verbrennen. Die Hörner des Altars wurden mit dem Blut des täglichen Sühnopfers bestrichen und am großen Versöhnungstag mit Blut besprengt (3. Mose 16,14). Das Feuer auf diesem Altar wurde von Gott selbst entzündet und als heilig angesehen. Ununterbrochen verbreitete der Weihrauch seinen Wohlgeruch in den heiligen Räumen und weit über das Heiligtum hinaus. WAB 325.2
Hinter dem zweiten Vorhang befand sich das Allerheiligste, der Mittelpunkt des symbolischen Sühnungs- und Mittlerdienstes, das als Bindeglied zwischen Himmel und Erde fungierte. Hier stand die Bundeslade, eine Truhe aus Akazienholz, die innen und außen mit Gold überzogen und oben mit einer goldenen Leiste verziert war. Sie diente als Aufbewahrungsort für die Steintafeln, auf die Gott selbst die Zehn Gebote geschrieben hatte. Sie wurde deshalb »Lade des Zeugnisses« (2. Mose 25,21.22 Elb.) oder »Lade des Bundes« genannt (4. Mose 10,33b), weil die Zehn Gebote die Grundlage des Bundes zwischen Gott und Israel bildeten. WAB 325.3
Die Deckplatte der heiligen Lade wurde »Gnadenthron« genannt (2. Mose 25,17a). Sie war aus einem einzigen massiven Stück Gold gearbeitet und wurde an beiden Enden von zwei goldenen Cherubim überragt. Ein Flügel jedes Engels war nach oben gerichtet, während der andere den Körper als Zeichen der Ehrfurcht und Demut umhüllte (vgl. mit Hesekiel 1,11). Die Haltung der Cherubim, die sich einander zuwandten und auf die Lade hinabschauten, zeigt die Ehrfurcht, mit der die himmlischen Heerscharen Gottes Gesetz betrachten. Sie verrät auch ihr Interesse am Erlösungsplan. WAB 325.4
Über dem Gnadenthron ruhte die »Schechina«20Der Begriff Schechina (»Einwohnung« Jahwes, abgeleitet vom hebräischen Verb für »wohnen«) bezeichnet in der nachexilischen, jüdischen Religion die Gegenwart oder Manifestation Gottes auf Erden., das Zeichen der Gegenwart Gottes. Von hier, zwischen den Cherubim, verkündete Gott seinen Willen. Hin und wieder teilte eine Stimme aus der Wolke dem Hohenpriester Botschaften von Gott mit. Manchmal fiel ein Licht auf den Engel zur Rechten, um Gottes Billigung und Annahme anzuzeigen, oder ein Schatten ruhte auf dem Engel zur Linken, um Missfallen oder Ablehnung zu offenbaren. WAB 325.5
Das Gesetz Gottes, das in der Lade aufbewahrt wurde, war der zentrale Maßstab für Gerechtigkeit und Gericht. Dieses Gesetz verurteilte den Übertreter zum Tod, aber über dem Gesetz befand sich der Gnadenthron, auf dem sich Gottes Gegenwart offenbarte und von dem aus - aufgrund des Sühnopfers - der reumütige Sünder Vergebung erhielt. Auf diese Weise zeigen schon die symbolischen Gegenstände und Handlungen im Heiligtum, was für die Erlösung gilt, die Christus vollbracht hat: »Gnade und Wahrheit sind sich begegnet, Gerechtigkeit und Frieden haben sich geküsst” (Psalm 85,11 Elb.). WAB 326.1
Keine Sprache kann die Herrlichkeit beschreiben, die im Heiligtum zu sehen war: die mit Gold überzogenen Wände, die das Licht des goldenen Leuchters widerspiegelten, die glänzenden Farbschattierungen der reich bestickten Vorhänge mit ihren strahlenden Engeln, der Tisch und der Räucheraltar, beide in funkelndem Gold. Hinter dem zweiten Vorhang stand die heilige Bundeslade mit ihren geheimnisvollen Cherubim. Und darüber schwebte die heilige Schechina, die sichtbare Bekundung der Gegenwart Jahwes. Aber dennoch war alles nur ein matter Abglanz der Herrlichkeit des Tempels Gottes im Himmel, des wahren Zentrums des Erlösungsdienstes für die Menschen. WAB 326.2
Der Bau des Heiligtums dauerte etwa ein halbes Jahr. Nach der Vollendung überprüfte Mose die geleistete Arbeit. Er verglich sie mit dem Muster, das ihm auf dem Berg gezeigt worden war, und den Anweisungen Gottes. »Nachdem Mose ihr Werk begutachtet hatte, segnete er sie, weil sie alles gemäß den Anweisungen des Herrn ausgeführt hatten.” (2. Mose 39,43 NLB) Mit großem Interesse drängten sich die Israeliten um das heilige Bauwerk und bestaunten es. Während sie sich noch das Ganze mit ehrfürchtiger Genugtuung anschauten, schwebte die Wolkensäule über dem Heiligtum, ließ sich darauf nieder und hüllte es ein. »Und die Herrlichkeit des Herrn erfüllte die Wohnung.« (2. Mose 40,34) Gott offenbarte seine Majestät. Eine Zeitlang konnte nicht einmal Mose eintreten. Tief bewegt sah das Volk darin ein Zeichen, dass Gott die Arbeit ihrer Hände angenommen hatte. Man hörte aber keine lauten Freudenausbrüche. Eine heilige Scheu lag über allen. Ihre Freude trieb ihnen die Tränen in die Augen, und leise dankten sie Gott, der sich herabgelassen hatte, bei ihnen zu wohnen. WAB 326.3