Gideon war der Sohn des Joasch aus dem Stamm Manasse. Das Geschlecht, zu dem diese Familie gehörte, nahm keine führende Stellung ein, aber es zeichnete sich durch Mut und Redlichkeit aus. Von Joaschs tapferen Söhnen sagt die Heilige Schrift: »Sie waren ... jeder anzusehen wie ein Königssohn.” (Richter 8,18) Bis auf einen waren alle in den Kämpfen gegen die Midianiter gefallen, und dessen Name war von den Eindringlingen gefürchtet. An seinen Sohn Gideon erging nun Gottes Ruf, das Volk zu befreien. Er war gerade beim Weizendreschen. Er hatte eine kleine Menge Korn versteckt. Weil er sie nicht auf der gewöhnlichen Tenne zu dreschen wagte, tat er es heimlich bei einer Kelter. Die Zeit der Weinlese war ja noch lange nicht da, und darum wurden die Weingärten von den Feinden kaum beachtet. Während Gideon still und verborgen arbeitete, dachte er bekümmert über Israels Lage nach und überlegte, wie das Joch der Unterdrücker abgeschüttelt werden könnte. WAB 531.1
Plötzlich »zeigte sich ihm der Engel des Herrn und sagte: ›Gott mit dir, du tapferer Krieger!‹ Gideon erwiderte: ›Verzeihung, mein Herr! Aber wenn wirklich Gott mit uns ist, wie konnte uns dann so viel Unglück treffen? Unsere Väter haben uns doch immer wieder erzählt: ›Der Herr hat uns aus Ägypten hierher geführt.‹ Wo sind denn nun alle seine Wundertaten geblieben? Nein, der Herr hat uns im Stich gelassen und uns den Midianitern ausgeliefert!‹« Der Bote des Himmels erwiderte: »Du bist stark und mutig. Geh und rette Israel aus der Hand der Midianiter. Ich sende dich!” (Richter 6,12-14 GNB) WAB 531.2
Gideon erbat sich ein Zeichen zum Beweis, dass der Engel, der mit ihm sprach, der Engel des Bundes war, der in der Vergangenheit für Israel gekämpft hatte. Die Engel Gottes, die einst zu Abraham gekommen waren, hatten gezögert, dessen Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen. Doch nun nötigte Gideon den Himmelsboten, sein Gast zu sein. Er lief in sein Zelt, bereitete aus seinen bescheidenen Vorräten einen jungen Ziegenbock und ungesäuerte Brote zu und legte sie ihm vor. Aber der Engel gebot ihm: »Nimm das Fleisch und die Brote und lege es hin auf den Fels hier und gieß die Brühe darüber.« (Richter 6,20) Gideon tat es und erhielt das gewünschte Zeichen: Der Engel berührte mit seinem Stab das Fleisch und die ungesäuerten Brote. Da loderte Feuer aus dem Fels und verzehrte das Opfer. Dann entschwand der Engel seinen Augen. WAB 532.1
Auch Gideons Vater Joasch gehörte zu den Abtrünnigen unter seinen Landsleuten und hatte in der Nähe seines Wohnortes Ofra einen großen Altar für Baal errichtet, vor dem die Einheimischen anbeteten. Diesen sollte Gideon zerstören und über dem Felsen, auf dem sein Opfer verzehrt wurde, für Jahwe einen Altar errichten und dem Herrn opfern. Nur Priester durften Gott Opfer darbringen, und der Opferdienst war auf den Altar in Silo beschränkt. Aber der Begründer dieses rituellen Dienstes, auf den alle Opfer hinwiesen, hatte die Macht, diese Vorschriften zu ändern. Bevor Israel befreit werden konnte, musste ernsthaft gegen die Verehrung Baals protestiert werden. Gideon musste dem Götzendienst den Kampf ansagen, ehe er gegen die Feinde seines Volkes in den Kampf zog. WAB 532.2
Gewissenhaft führte er Gottes Auftrag aus. Es war ihm klar, dass es Widerstand gäbe, wenn er öffentlich ans Werk ginge. Deshalb rief er seine Gehilfen heimlich zusammen. In einer Nacht wurde alles vollbracht. Der Zorn der Männer in Ofra war groß, als sie am nächsten Morgen kamen, um Baal anzubeten. Sie hätten Gideon umgebracht, wenn nicht Joasch seinen Sohn verteidigt hätte, weil er vom Besuch des Engels erfahren hatte. »Wollt ihr für Baal streiten?«, fragte er. »Wollt ihr ihm helfen? Wer für ihn streitet, der soll noch diesen Morgen sterben. Ist er Gott, so streite er für sich selbst, weil sein Altar niedergerissen ist.« (Richter 6,31) Wenn Baal seinen eigenen Altar nicht verteidigen konnte, wie sollte man ihm zutrauen, in der Lage zu sein, seine Anbeter zu beschützen? WAB 532.3
Damit war jeder Gedanke an Gewaltanwendung gegen Gideon abgetan. Als er die Kriegsposaune erschallen ließ, gehörten die Männer von Ofra zu den Ersten, die sich um sein Banner scharten. Schnell sandte er Boten zu seinem eigenen Stamm Manasse und auch zu den Stämmen Asser, Sebulon und Naftali. Alle folgten dem Ruf. WAB 533.1
Gideon wagte es nicht, das Heer ohne eine weitere Bestätigung, dass Gott ihn zu dieser Aufgabe berufen habe und mit ihm sein werde, anzuführen. Darum betete er: »Willst du Israel durch meine Hand erretten, wie du zugesagt hast, so will ich abgeschorene Wolle auf die Tenne legen: Wird der Tau allein auf der Wolle sein und der ganze Boden umher trocken, so will ich daran erkennen, dass du Israel erretten wirst durch meine Hand, wie du zugesagt hast.” (Richter 6,36.37) Am Morgen war die Wolle nass und der Boden trocken. Aber nun kamen ihm Zweifel: Wolle zieht naturgemäß Feuchtigkeit aus der Luft an, also konnte der Test nicht maßgebend sein. Deshalb erbat er das umgekehrte Zeichen und flehte, dass seine übergroße Vorsicht dem Herrn nicht missfallen möge. Gott gewährte ihm auch diese Bitte. WAB 533.2