Gideon kehrte von der Vertreibung der Feinde zurück und erlebte von seinen eigenen Landsleuten nichts als Tadel und Anklage. Als er die Männer Israels zum Kampf gegen die Midianiter aufgerufen hatte, war der Stamm Ephraim zurückgeblieben. In dessen Augen war das ein zu gefährliches Unterfangen. Und da Gideon die Ephraimiter nicht eigens aufgerufen hatte, benutzte der Stamm diese Ausrede, um sich seinen Brüdern nicht anschließen zu müssen. Als aber die Siegesnachrichten eintrafen, waren sie neidisch, weil sie nicht beteiligt waren. Nach der Niederlage der Midianiter hatten sie allerdings auf Gideons Anweisung die Jordanfurten besetzt und damit ein Entkommen der Flüchtigen verhindert. Auf diese Weise waren viele Feinde erschlagen worden, unter ihnen auch die beiden Fürsten Oreb und Seeb. So setzten die Ephraimiten den Kampf fort und halfen mit, den Sieg zu vollenden. Trotzdem waren sie eifersüchtig und zornig, als ob Gideon seinem eigenen Willen und Urteil gefolgt wäre. Sie sahen in Israels Sieg nicht Gottes Hand. Sie schätzten seine Macht und Gnade bei ihrer Befreiung nicht - und gerade diese Tatsache bewies, dass sie unwürdig waren, seine besonderen Werkzeuge zu sein. WAB 537.1
Als sie mit den Siegestrophäen heimkehrten, machten sie Gideon zornige Vorwürfe: »Warum hast du uns nicht gerufen, als du in den Kampf gegen die Midianiter gezogen bist? Das hättest du uns nicht antun dürfen!” Er aber fragte: »Der Sieg, den ich errungen habe, ist nichts, verglichen mit dem, was euch geglückt ist. Ihr kennt doch das Sprichwort: ›Die Nachlese Ephraims ist besser als die Lese Abiesersh Gott hat die Anführer der Midianiter in eure Hand gegeben; das stellt alles in den Schatten, was ich getan habe.” (Richter 8,1-3 GNB) WAB 537.2
Der Geist der Eifersucht hätte hier leicht einen Streit entfachen und einen blutigen Konflikt verursachen können. Aber Gideons bescheidene Antwort besänftigte den Zorn der Männer Ephraims, und sie kehrten friedlich in ihre Heime zurück. So fest und unnachgiebig Gideon in grundsätzlichen Dingen war, im Krieg ein »tapferer Held« (Richter 6,12b Elb.), bewies er hier einen Geist der Höflichkeit, wie man ihn selten findet. WAB 538.1