In ihrer Dankbarkeit für die Befreiung von den Midianitern schlugen die Israeliten vor, Gideon zu ihrem König zu machen. Der Thron sollte auch seinen Nachkommen zugesichert werden. Aber dieses Angebot war eine offene Verletzung der Grundsätze einer Gottesherrschaft (Theokratie). Gott war der König Israels. Hätten sie einen Menschen auf den Thron gehoben, wäre dies einer Ablehnung Gottes als Herrscher gleichgekommen. Das erkannte Gideon, und seine Antwort zeigt, wie edel und aufrichtig seine Beweggründe waren. Gideon erklärte: »Ich will nicht Herrscher über euch sein, und mein Sohn soll auch nicht Herrscher über euch sein, sondern der Herr soll Herrscher über euch sein.” (Richter 8,23) WAB 538.2
Aber Gideon wurde in einen anderen Irrtum verführt, der Unglück über seine Familie und ganz Israel brachte. Die Zeit der Untätigkeit, die oft auf schwere Kampfzeiten folgt, ist vielfach gefährlicher als die Zeit der Auseinandersetzung. Dieser Gefahr war Gideon nun ausgesetzt. Ihn packte die Unruhe. Bisher war er damit zufrieden gewesen, Gottes Befehle auszuführen. Nun aber fing er an, selbst Pläne zu schmieden, statt auf göttliche Weisungen zu warten. Immer wieder zeigt die Geschichte: Wenn die Heere des Herrn einen besonderen Sieg errungen haben, verdoppelt auch Satan seine Anstrengungen, um Gottes Werk zugrunde zu richten. Darum flüsterte er Gideon Gedanken und Pläne ein, die das Volk Israel in die Irre führten. WAB 538.3
Weil ihm befohlen worden war, auf dem Felsen, wo ihm der Engel erschienen war, zu opfern, schlussfolgerte er, dass er zum Priesteramt berufen sei. Ohne auf eine göttliche Bestätigung zu warten, ließ er einen geeigneten Platz vorbereiten, um eine gottesdienstliche Ordnung einzurichten, die der am Heiligtum glich. Er wurde von der Gunst des Volkes getragen und hatte keine Schwierigkeiten, diesen Plan auszuführen. Auf sein Ersuchen hin gab man ihm alle Ohrringe der Midianiter als seinen Anteil an der Beute. Das Volk sammelte ferner viele andere wertvolle Dinge, darunter auch die reich verzierten Gewänder der Midianiter-Fürsten. Aus den gelieferten Materialien machte Gideon ein Efod und ein Brustschild, eine Nachbildung dessen, was der Hohepriester trug. Dies wurde ihm selbst, seiner Familie und dem Volk Israel zum Fallstrick. Dieser unberechtigte Gottesdienst verführte viele schließlich dazu, den Herrn gänzlich zu verlassen und Götzen zu dienen. Nach Gideons Tod schloss sich eine große Anzahl, darunter auch seine eigene Familie, diesem Abfall an. Derselbe Mann, der einst die Abgötterei besiegte, brachte das Volk wieder von Gott weg. WAB 538.4
Nur wenige machen sich den weitreichenden Einfluss ihrer Worte und Taten klar. Wie oft haben Irrtümer der Eltern bei den Kindern und Enkeln noch verheerende Folgen, wenn sie selbst schon längst im Grab ruhen. Jeder übt irgendwie einen Einfluss auf andere aus und wird für die Folgen verantwortlich gemacht. Worte und Taten sind von prägender Macht, und unser irdisches Leben wirkt noch lange nach. Der Eindruck, den unsere Handlungen hinterlassen, wird sich als Segen oder Fluch auf uns selbst auswirken. Dieser Gedanke verleiht dem Leben einen feierlichen Ernst und sollte uns zur demütigen Bitte veranlassen, dass Gott uns durch seine Weisheit lenken möge. WAB 539.1
Menschen in höchsten Stellungen können andere auf falsche Wege führen; die Erfahrensten können sich irren; die Stärksten können straucheln und fallen. Unser Lebensweg muss ständig von oben erleuchtet sein. Unsere einzige Sicherheit liegt im bedingungslosen Vertrauen zu dem, der gesagt hat: »Folge mir nach!” (Markus 2,14b u. a.) WAB 539.2