Während Saul und sein Heer im Siegestaumel heimkehrten, gab es im Haus des Propheten Samuel großen Kummer. Er hatte eine Botschaft vom Herrn empfangen, die das Verhalten des Königs brandmarkte: »Es reut mich, dass ich Saul zum König gemacht habe; denn er hat sich von mir abgewandt und meine Befehle nicht erfüllt.« (1. Samuel 15,11) Samuel war über die Handlungsweise des rebellischen Königs so betrübt, dass er die ganze Nacht weinte und betete, Gott möge doch seinen schrecklichen Richterspruch zurücknehmen. WAB 616.1
Gottes Reue gleicht nicht der menschlichen. »Auch lügt der nicht, der Israels Ruhm ist, und es gereut ihn nicht; denn er ist nicht ein Mensch, dass ihn etwas gereuen könnte«, erklärte Samuel später (1. Samuel 15,29). Die Reue eines Menschen bedeutet eine Sinnesänderung, Gottes Reue schließt dagegen eine Änderung der Umstände und Beziehungen ein. Der Mensch kann seine Beziehung zu Gott verändern, indem er die Bedingungen erfüllt, unter denen er Gottes Gunst erlangt, oder er kann sich durch sein eigenes Handeln selbst davon ausschließen. Aber der Herr bleibt »derselbe gestern und heute und in Ewigkeit.” (Hebräer 13,8 Elb.) Sauls Ungehorsam hatte sein Verhältnis zu Gott verändert, aber die Bedingungen für die Annahme bei Gott waren unverändert geblieben. Gottes Forderungen waren immer noch dieselben, weil es bei ihm »kein Zu- und Abnehmen des Lichtes und keine Verfinsterung” gibt (Jakobus 1,17 GNB). WAB 616.2
Bekümmert machte sich der Prophet am nächsten Morgen auf, um dem irrenden König zu begegnen. Samuel hoffte noch immer, Saul könnte zum Nachdenken kommen, seine Schuld einsehen und durch Reue und Demut Gottes Gunst wieder erlangen. Aber wenn erst einmal der erste Schritt in die falsche Richtung getan ist, fällt der nächste leichter. Saul trat - durch seinen Ungehorsam beschädigt - Samuel mit einer Lüge auf den Lippen entgegen: »Sei vom Herrn gesegnet! Ich habe den Befehl des Herrn ausgeführt!” (1. Samuel 15,13 GNB) WAB 616.3
Die Geräusche, die an das Ohr des Propheten drangen, widerlegten die Worte des ungehorsamen Königs. Auf die scharfe Frage »Und was ist das für ein Blöken von Schafen, das zu meinen Ohren kommt, und ein Brüllen von Rindern, das ich höre?” antwortete Saul: »Von den Amalekitern hat man sie gebracht; denn das Volk verschonte die besten Schafe und Rinder, um sie zu opfern dem Herrn, deinem Gott; an dem andern haben wir den Bann vollstreckt.« (1. Samuel 15,14.15) Das Volk hatte lediglich Sauls Anordnungen befolgt. Doch um sich selbst herauszureden, legte er seinen Ungehorsam dem Volk zur Last. WAB 616.4
Die Botschaft von Sauls Verwerfung verursachte Samuel unsäglichen Schmerz. Er musste sie vor dem ganzen Heer Israels verkünden, das gerade sehr stolz und voller Siegesfreude über den Erfolg war, den es der Tapferkeit und Feldherrenkunst seines Königs zuschrieb. Saul hatte nämlich den Sieg Israels in diesem Kampf nicht mit Gott in Verbindung gebracht. Als aber der Prophet den Beweis für Sauls Widerspenstigkeit vor Augen sah, war er empört, dass der, den Gott so reich begnadet hatte, dessen Befehl übertreten und Israel zur Sünde verführt hatte. Samuel ließ sich durch die Ausflüchte des Königs nicht beirren. Entrüstet und traurig zugleich erklärte er: »Halt ein, damit ich dir verkünde, was der Herr diese Nacht zu mir geredet hat! ... Wurdest du nicht, als du gering in deinen Augen warst, das Oberhaupt der Stämme Israels? Und der Herr salbte dich zum König über Israel.«(1. Samuel 15,16.17 Elb.) Er wiederholte den Befehl des Herrn bezüglich Amalek und verlangte, den Grund für den Ungehorsam des Königs zu erfahren. WAB 617.1
Saul blieb bei seiner Selbstrechtfertigung: »Ich habe ihm doch gehorcht”, erwiderte Saul. »Ich habe getan, was er mir aufgetragen hatte: An den Amale- kitern habe ich den Bann vollstreckt und ihren König Agag hierher gebracht. Meine Leute aber ließen die besten von den erbeuteten Schafen und Rindern am Leben, um sie hier in Gilgal dem Herrn, deinem Gott, zu opfern.” (1. Samuel 15,20. 21 GNB) WAB 617.2
Mit strengen und ernsten Worten fegte der Prophet die verlogenen Ausreden beiseite und sprach das unwiderrufliche Urteil aus: »Was meinst du, was gefällt dem Herrn besser: Brandopfer und Mahlopfer oder Gehorsam gegenüber seinem Befehl? Lass dir gesagt sein: Wenn du dem Herrn gehorchst, ist das besser als ein Opfer; und wenn du ihm richtig zuhörst, ist das besser als das Fett von Widdern. Trotz gegen Gott ist ebenso schlimm wie Zauberei, Auflehnung gegen ihn so schlimm wie Götzendienst. Weil du gegen den Befehl des Herrn verstoßen hast, hat der Herr auch dich verstoßen: Du kannst nicht länger König über sein Volk sein.” (1. Samuel 15,22.23 GNB) WAB 617.3