Die große Ehrung, die David erfuhr, erfüllte ihn nicht mit Stolz. Trotz der hohen Stellung, die er einmal bekleiden sollte, ging er weiterhin still seiner Beschäftigung nach und war damit zufrieden, dass Gott seine Pläne zu seiner Zeit und auf seine Weise umsetzen werde. Genauso anspruchslos und bescheiden wie vor seiner Salbung kehrte der Hirtenknabe auf die Hügel zurück und hütete dort seine Herden sorgsam wie eh und je. Aber mit einer neuen Vision komponierte er seine Melodien und spielte auf seiner Harfe. Vor ihm lag eine Landschaft von großer Schönheit und Vielfalt. Weinstöcke voller Trauben glänzten im Sonnenschein. Die grün belaubten Bäume des Waldes neigten sich im Wind. Er sah, wie die Sonne den Himmel mit Licht durchflutete, »wie ein Bräutigam aus seinem Gemach tritt sie hervor; sie freut sich wie ein Held, die Bahn zu durchlaufen.« (Psalm 19,6 Elb.) Da waren die steilen Berggipfel, die zum Himmel hinauf ragten. In der Ferne erhoben sich die kahlen Gebirgsklippen Moabs, und über allem thronte das zartblaue Himmelsgewölbe. Jenseits davon war Gott. David konnte ihn nicht sehen, aber seine Werke priesen den Schöpfer. Das Tageslicht vergoldete Wälder und Berge, Auen und Bäche und richtete seine Gedanken zum Vater des Lichtes empor, zum Geber aller guten und vollkommenen Gaben. Die tägliche Offenbarung des Wesens und der Majestät des Schöpfers erfüllten das Herz des jungen Dichters mit Anbetung und Freude. Beim Nachsinnen über Gott und dessen Werke wuchsen und erstarkten Davids geistige und seelische Kräfte für seine späteren Aufgaben. Jeden Tag wurde seine Zwiesprache mit Gott inniger. Ständig drang sein Geist in neue Tiefen ein und entdeckte dabei neue Themen, die ihn zum Dichten seiner Lieder und zum Harfenspiel anregten. Der volle Klang seiner Stimme erfüllte die Luft und hallte von den Hügeln wider wie eine Antwort auf die freudigen Gesänge der Engel im Himmel. WAB 626.3
Wer kann die Auswirkungen jener mühevollen Jahre der Wanderschaft in der Abgeschiedenheit dieser Hügel ermessen? Seine Verbundenheit mit der Natur und mit Gott, die Sorge um die Herden, die Rettung aus mancherlei Gefahren, der Kummer und die Freuden seines bescheidenen Daseins - all das formte Davids Charakter. Darüber hinaus beeinflusste es sein ganzes zukünftiges Leben. Die Psalmen dieses frohen Sängers in Israel würden aber auch für alle künftigen Zeiten in den Herzen der Gläubigen Liebe entfachen und Vertrauen wecken und sie so näher zum ewig liebenden Herzen des Schöpfers bringen, aus dem alle leben. WAB 627.1
In der Schönheit und Tatkraft seiner Jugendzeit bereitete sich David darauf vor, eine hohe Stellung unter den Edelsten der Erde einzunehmen. Seine Fähigkeiten waren für ihn Gottesgaben, die er zum Ruhm des göttlichen Gebers einsetzte. Seine reichlichen Gelegenheiten, zu beobachten und nachzusinnen, dienten dazu, ihn mit jener Weisheit und Frömmigkeit zu bereichern, die Gott und die Engel an ihm so schätzten. Während er über die vollkommenen Werke seines Schöpfers nachdachte, eröffnete sich seinem inneren Auge ein klareres Verständnis des Wesens Gottes. In unklare Themen kam Licht, Schwieriges wurde verdeutlicht, Verwirrendes wurde in Einklang gebracht, und jeder Strahl neuen Lichtes entfachte neue Begeisterung und erweckte in ihm noch schönere Lobeshymnen zur Ehre Gottes und des Erlösers. Die Liebe, die ihn bewegte, die Sorgen, die ihn bedrückten, die Siege, die er errang - all das waren Themen, über die er angestrengt nachdachte. Als er in allen Fügungen seines Lebens Gottes Liebe erkannte, schlug sein Herz höher in Anbetung und Dankbarkeit. Seine Stimme erklang noch melodischer, in seinen Harfenklängen lag noch freudigere Begeisterung. Der junge Hirte wurde dadurch innerlich immer gefestigter. Seine Erkenntnis nahm zu, denn der Geist des Herrn ruhte auf ihm. WAB 627.2