Unter denen, die sich zu Christus bekennen, hat es seit jeher zwei Gruppen gegeben. Während sich die eine mit dem Leben des Erlösers beschäftigt und sich ernsthaft bemüht, ihre Fehler zu korrigieren und seinem Vorbild immer ähnlicher zu werden, geht die andere den praktischen Wahrheiten aus dem Weg, die ihre Irrtümer bloßstellen. Selbst zu ihrer besten Zeit bestand die Gemeinde nicht nur aus echten, unverfälschten und aufrichtigen Menschen. Christus lehrte, dass Personen, welche sich bewusst der Sünde hingeben, nicht in die Gemeinde aufgenommen werden sollen. Jedoch nahm er Männer fehlerhaften Charakters bei sich auf und gab ihnen die Möglichkeit, von seinen Lehren und seinem Beispiel zu lernen, damit sie ihre Mängel erkennen und korrigieren konnten. Unter den zwölf Aposteln befand sich ein Verräter. Judas wurde nicht wegen, sondern trotz seiner Charakterfehler aufgenommen. Er war einer seiner Jünger, damit er durch Christi Lehre und Beispiel lernen konnte, was ein christlicher Charakter ist. So hatte er Gelegenheit, seine Irrtümer zu erkennen, umzukehren, sich durch die göttliche Gnade reinigen zu lassen und der Wahrheit zu gehorchen. Aber Judas verschloss sich dem Licht, das ihm so gnädig schien. Er gab der Sünde nach und forderte dadurch die Versuchungen Satans heraus. Seine bösen Charakterzüge gewannen die Oberhand. Er ließ sich von den Mächten der Finsternis leiten und wurde zornig, wenn man seine Fehler tadelte. Auf diese Weise konnte er angestiftet werden, schließlich jenes furchtbare Verbrechen zu begehen, seinen eigenen Meister zu verraten. Ähnliches geschieht mit allen, die Frömmigkeit vorspielen, aber solche hassen, die sie in ihrem Frieden stören, weil sie ihren sündhaften Lebenswandel beim Namen nennen. Sobald sich ihnen eine günstige Gelegenheit bietet, verraten sie wie Judas diejenigen, die sich bemühen, sie zu ihrem Besten zu ermahnen. VSL 43.1
Die Apostel fanden in der Gemeinde angeblich fromme Glieder, die jedoch im Geheimen Sünden pflegten. Hananias und Saphira waren Betrüger, denn sie behaupteten, Gott ein vollständiges Opfer zu bringen, obwohl sie aus Habsucht einen Teil davon für sich zurückbehielten. Der Geist der Wahrheit offenbarte den Aposteln den wirklichen Charakter dieser Scheinheiligen, und Gottes Gericht befreite die Gemeinde von diesem Makel, der ihre Reinheit beschmutzte. Dieser offenkundige Beweis des scharfsichtigen Geistes Christi war den Heuchlern und Übeltätern ein Schrecken. Sie konnten mit denen, die durch ihr Denken und Handeln beständig Christi Repräsentanten waren, nicht lange zusammenleben. Als Prüfungen und Verfolgung über Jesu Nachfolger kamen, konnten nur solche Menschen Christi Jünger werden, die bereit waren, um der Wahrheit willen alles zu verlassen. Solange die Verfolgungen andauerten, blieb die Gemeinde deshalb verhältnismäßig rein. Sobald diese aber aufhörten, schlossen sich neue Menschen der Gemeinde an, die weniger aufrichtig waren, und schon stand die Tür für Satan offen. VSL 43.2
Es gibt jedoch keine Gemeinschaft zwischen dem Fürsten des Lichts und dem Fürsten der Finsternis, auch nicht zwischen ihren Nachfolgern. Als die Christen einwilligten, sich mit denen zusammenzutun, die dem Heidentum nur halbherzig abgesagt hatten, betraten sie einen Pfad, der sie immer weiter von der Wahrheit wegführte. Satan freute sich, dass es ihm gelungen war, eine so große Anzahl der Nachfolger Christi zu täuschen. Er übte seine Macht noch stärker aus und trieb sie an, jene zu verfolgen, die Gott treu geblieben waren. Niemand verstand es so gut, dem wahren christlichen Glauben entgegenzutreten wie solche, die ihn einst verteidigt hatten. Diese abtrünnigen Christen verbanden sich mit ihren halb-heidnischen Gefährten und bekämpften so die wichtigen Fundamente der christlichen Lehre. VSL 44.1
Für die Treuen war es ein verzweifeltes Ringen, der Irreführung und den Gräueln zu widerstehen, die sich in priesterlichem Gewand in die Gemeinde einschlichen. Man bekannte sich nicht mehr zur Heiligen Schrift als Richtschnur des Glaubens. Der Grundsatz wahrer Religionsfreiheit wurde als Ketzerei gebrandmarkt, seine Verteidiger gehasst und geächtet. VSL 44.2