Zwingli wurde bald von Basel abberufen, um sein Lebenswerk zu beginnen. Seine erste Pfarrstelle trat er im gebirgigen Kanton Glarus an, unweit seiner toggenburgischen Heimat. Nach seiner Priesterweihe »widmete er sich mit ganzer Kraft der Erforschung der göttlichen Wahrheit, denn er wusste”, sagte ein Mitreformator (Oswald Myconius [1488-1552]), »wie vieles derjenige zu wissen nötig hat, welchem das Amt anvertraut ist, die Herde Christi zu lehren« (WHP, VIII, 5; vgl. SZLW, 45). Je mehr er in der Heiligen Schrift forschte, desto deutlicher erkannte er den Gegensatz zwischen ihrer Wahrheit und den Irrlehren Roms. Er nahm die Bibel als das einzig wahre und unfehlbare Wort Gottes an. Zwingli erkannte, dass sie ihr eigener Ausleger sein musste, und wagte es deshalb nicht, vorgefasste Ansichten oder Lehren anhand der Bibel beweisen zu wollen, sondern hielt es für seine Pflicht, ihre klaren und offensichtlichen Lehren zu erforschen. Jedes Hilfsmittel versuchte er einzusetzen, um ein volles und richtiges Verständnis ihrer Aussagen zu bekommen. Er flehte um den Beistand des Heiligen Geistes, der sich nach seiner Überzeugung allen offenbart, die ihn ernsthaft und unter Gebet suchen. VSL 161.2
Zwingli sagte: »Die Schrift kommt von Gott, nicht von Menschen, und eben Gott, der Gott, der erleuchtet, der wird auch dir zu verstehen geben, dass seine Rede von Gott kommt. ... Das Wort Gottes fehlt nicht, es ist klar, es erklärt sich selbst, und erleuchtet die menschliche Seele mit allem Heil und Gnaden, tröstet sie in Gott, demütigt sie, sodass sie sich selbst vergisst und Gott ergreift.” Zwingli hatte die Wahrheit dieser Worte an sich selbst erfahren. Später spricht er noch einmal von dieser Erfahrung: »Als ich vor sieben oder acht Jahren anfing, mich ganz auf die Heilige Schrift zu verlassen, wollte mir die Philosophie und Theologie der Zänker immerdar ihre Einwürfe machen. Da kam ich zuletzt dahin, dass ich dachte: ›Du musst alle Lüge lassen und die Meinung Gottes lauter aus seinem eigenen einfachen Wort lernen‹. Da fing ich an, Gott um sein Licht zu bitten, und die Schrift begann, für mich viel heller zu werden.” (WHP, VIII, 6; vgl. SSZ, I, 81.79) Die Lehre, die Zwingli verkündigte, hatte er nicht von Luther übernommen. Es war die Lehre Christi. »Predigt Luther Christus”, schrieb der schweizerische Reformator, »so tut er eben dasselbe, was ich tue. Wenn er auch viel mehr Menschen zu Christus gebracht hat als ich. Das ist unwichtig. Ich will keinen anderen Namen tragen als den von Christus, dessen Kriegsmann ich bin und der allein mein Hauptmann ist. ... Nie habe ich einen Buchstaben an Luther geschrieben, noch Luther mir. Und warum? ... Damit klar würde, dass der Geist Gottes mit sich selbst im Reinen ist, da wir beide, ohne Kontakt zu haben, die Lehre Christi in solcher Übereinstimmung lehren.” (DAGR, VII, 9; vgl. SSZ, I, 256 ff.) VSL 161.3