Das reine Element der Liebe weitet die Aufnahmefähigkeit der Seele für eine tiefere Erkenntnis göttlicher Dinge, so daß sie sich nur begnügt, wenn sie die Fülle hat. Die meisten sogenannten Christen haben kein Gefühl für die geistliche Stärke, die sie empfangen könnten, wenn sie ebenso ehrgeizig, eifrig und ausdauernd nach göttlicher Erkenntnis trachteten wie nach den armseligen, vergänglichen Dingen dieses Lebens. Die Mehrzahl dieser Scheinchristen ist mit ihrem geistlich verkümmerten Zustand zufrieden. Sie verspüren keinerlei Neigung, das Trachten nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit zum Mittelpunkt ihres Lebens zu machen, daher bleibt ihnen die Gottseligkeit ein unerforschliches Geheimnis, das sie nicht begreifen können. Sie kennen Christus nicht aus Erfahrung. Sch1 223.2
Diese Männer und Frauen mit ihrer zwergenhaften, verkümmerten göttlichen Erkenntnis sollten einmal plötzlich gen Himmel gebracht werden und für einen Augenblick Zeuge der erhabenen und heiligen Vollkommenheit sein, die dort immer herrscht. Jede Seele ist dort voll Liebe; jedes Antlitz strahlt vor Freude; gewaltige Chöre erklingen zur Ehre Gottes und des Lammes; unaufhörlich ergießen sich Lichtströme über die Heiligen vom Angesichte Gottes, der auf dem Stuhl sitzt, und von dem Lamm. Jene Menschen sollten sich bewußt werden, daß man noch größere und stolzere Freuden erleben kann; denn je mehr göttliche Freuden man empfängt, desto größer wird die Fähigkeit, ewige Freuden aufzunehmen. Ständig müssen sie bemüht sein, noch mehr von den unerschöpflichen Quellen der Herrlichkeit und Wonne zu empfangen. Können solche Menschen, so frage ich, sich mit den himmlischen Scharen vereinen, ihre Lieder mitsingen und die reine, erhabene und großartige Herrlichkeit ertragen, die von Gott und dem Lamm ausgeht? O nein! Ihre Prüfungszeit wird um Jahre verlängert, damit sie die Sprache des Himmels lernen können und teilhaftig werden der göttlichen Natur, so sie fliehen die vergängliche Lust der Welt. 2.Petrus 1,4. Sie aber handeln nach eigenen Plänen, die ihre Geisteskräfte und die Energien ihres Wesens voll in Anspruch nehmen. Sie erreichen es nicht, Gott uneingeschränkt zu dienen und darin ihre Aufgabe zu erblicken. Zuerst werden die weltlichen Angelegenheiten erledigt, die ihre besten Kräfte verschlingen, während Gott nur ein sehr flüchtiger Gedanke gewidmet wird. Sch1 224.1
“Wer böse ist, der sei fernerhin böse, und wer unrein ist, der sei fernerhin unrein; aber wer fromm ist, der sei fernerhin fromm, und wer heilig ist, der sei fernerhin heilig.” Offenbarung 22,11. Diese Zeit wird kommen. Können jene Menschen dann nach dieser endgültigen Entscheidung verwandelt werden? Sch1 224.2
Wem es zu einer Gewohnheit geworden ist, sich an geistlichen Dingen zu erfreuen, kann auch verwandelt werden, ohne von der Reinheit und unvorstellbaren Herrlichkeit des Himmels niedergeschmettert zu werden. Du magst ein guter Kunstkenner sein, auch als Wissenschaftler Erfolg haben, magst Dich als Musiker und Schriftsteller auszeichnen und mit Deinen Manieren bei Deinen Freunden Anklang finden, aber was haben diese Dinge mit der Vorbereitung auf die ewige Herrlichkeit zu tun? Können sie Dich vorbereiten, einmal vor Gottes Gericht zu stehen? Sch1 225.1
Irre Dich nicht! Gott läßt sich nicht spotten. Nur echte, aufrichtige und auf Erfahrung beruhende Frömmigkeit kann Dich für den Himmel zubereiten und Dir einen reinen, edlen Charakter vermitteln und Dich befähigen, in die Gegenwart Gottes einzugehen, der in einem Licht wohnt, da niemand zukommen kann. 1.Timotheus 6,16. Wenn der himmlische Charakter nicht auf Erden erworben wird, kann er überhaupt nie erlangt werden. Deshalb beginne damit sofort! Glaube nicht, daß eine Zeit kommen wird, wo es Dir gelänge, Dich ernsthafter um echte Frömmigkeit zu bemühen. Jeder Tag vergrößert den Abstand zwischen Dir und Gott. Bereite Dich für die Ewigkeit mit einem Eifer vor, den Du bisher nicht an den Tag gelegt hast! Erziehe Dich so, daß Du Dich nach dem Wort Gottes sehnst, nach den Gebetsversammlungen, nach den Stunden der Erbauung und vor allem nach den Zwiegesprächen mit ihm. Nimm ein Gott wohlgefälliges Wesen an, wenn Du einst in den himmlischen Chor in den Wohnungen droben mit einstimmen willst! Sch1 225.2
Nun beginnt für Dich ein neues Lebensjahr. In den Büchern des Himmels wird wieder eine Seite umgeschlagen. Was wird wohl einmal auf dieser Seite stehen? Soll sie durch die Nichtachtung Gottes und durch unerfüllte Pflichten verunreinigt werden? Gott verhüte das! Möge dort ein Zeugnis eingetragen werden, dessen Du Dich nicht zu schämen brauchst, wenn es dem prüfenden Blick von Menschen und Engeln offenbar wird. Sch1 225.3
Greenville, Michigan
27. Juli 1868