Manche halten dieses Gesetz für eines der strengsten, das den Israeliten auferlegt wurde. Doch ein williges, Gott liebendes Herz empfand es keineswegs als Last und Härte. Dies war nur der Fall, wenn ihr selbstsüchtiges Wesen durch das Zurückhalten der Gaben so erstarkte, daß die Menschen den Blick für die ewigen Belange verloren und ihre irdischen Schätze höher veranschlagten als den Wert von Menschenseelen. Bereits das alte Israel hatte große Verpflichtungen zu erfüllen. In diesen Tagen jedoch werden noch dringendere Bedürfnisse das Israel Gottes beanspruchen. Eine große und bedeutende Aufgabe muß in einer sehr kurzen Zeit vollendet werden. Niemals war es Gottes Absicht, der Zehntenordnung unter seinem Volk nur geringes Ansehen zukommen zu lassen. Er bestimmte im Gegenteil, daß sich der Opfergeist für die Beendigung des Werkes weiten und vertiefen sollte. Sch1 342.2
Aus regelmäßigem Geben darf keine Zwangsmethode erwachsen. Es sind die freiwillig dargebrachten Opfer, die Gott annimmt. Echte christliche Mildtätigkeit entspringt dem Quell dankbarer Liebe. Es kann keine Liebe zu Christus geben ohne entsprechende Liebe auch zu den Menschen, die zu erlösen er in die Welt gekommen war. Liebe zu Christus muß der beherrschende Leitsatz unseres Wesens sein, sie muß alle Regungen im Zaum halten und allen Kräften ihre Richtung weisen. Rettersinn sollte alle gütige Zuneigung und selbstaufopfernde Hingabe wachrufen, die überhaupt in einem Menschenherzen gefunden werden können. Dann werden keine aufrüttelnden Aufrufe erforderlich sein, die ihre Selbstsucht niederringen und sie aus ihrer Trägheit wecken sollen, um für das große Werk der Wahrheit Opfer zu bringen. Sch1 342.3
Jesus hat uns durch ein unermeßliches Opfer erkauft. Unsere gesamten Fähigkeiten und unser Einfluß gehören in Wirklichkeit unserem Heiland; sie sollten seinem Dienst geweiht sein. Wenn wir so handeln, zeigen wir uns dankbar, daß uns Christus durch sein Blut von der Knechtschaft der Sünde losgekauft hat. Unser Heiland wirkt ununterbrochen für uns. Er ist zum Himmel aufgefahren und bittet für diejenigen, die durch sein Blut erkauft sind. Er bringt die Todesqualen der Kreuzigung vor seinen Vater. Er erhebt seine verwundeten Hände und legt für seine Gemeinde Fürsprache ein, damit sie nicht in der Versuchung falle. Sch1 343.1
Könnten wir das herrliche Werk unseres Heilandes zu unserer Erlösung ermessen, wären unsere Herzen von einer tiefen, inbrünstigen Liebe beseelt. Unsere Teilnahmslosigkeit und gefühllose Gleichgültigkeit würden uns dann selbst beunruhigen. Völlige Hingabe und Wohltätigkeit, durch dankbare Liebe angeregt, werden die geringste Gabe, das freiwillige Opfer, mit einem göttlichen Wohlgeruch umgeben und dieser Gabe unschätzbaren Wert verleihen. Wenn wir unsere Dankesschuld Gott gegenüber erkennen, so wie sie wirklich ist, wird uns alles, was wir ihm auch geopfert haben mögen, unzulänglich und dürftig erscheinen, selbst dann, wenn wir das, was wir zu geben hatten, bereitwilligst unserem Heiland ausgeliefert haben, und sei es für uns auch noch so wertvoll gewesen. Doch Engel nehmen die uns gering erscheinenden Gaben und bringen sie als ein angenehmes Opfer vor den Thron des Herrn, der sie annimmt. Sch1 343.2
Wir werden uns als Nachfolger Christi unserer wahren Lage nicht bewußt. Wir erkennen nicht unsere Verantwortung als angeworbene Diener Christi. Durch sein leiderfülltes Leben und das von ihm vergossene Blut hat er uns den Lohn im voraus gegeben, um uns in willigem Dienst an sich zu binden. Alle guten Gaben, die wir besitzen, sind Leihgaben unseres Erlösers. Er hat uns zu Haushaltern erkoren. Unsere geringsten Opfer und bescheidensten Dienste, gläubig und liebevoll dargebracht, können geheiligte Gaben zur Seelengewinnung im Dienste des Meisters und zur Förderung seines Ruhmes sein. Die Anteilnahme am Gedeihen des Königreiches Christi sollte jede andere Überlegung überragen. Wer nur sein Vergnügen und seinen Vorteil zum Mittelpunkt seines Lebens erhebt, ist kein gewissenhafter Haushalter. Sch1 343.3
Wer aber sich selbst verleugnet, um anderen Menschen Gutes zu tun, und wer sich selbst und seine Habe in den Dienst Christi stellt, wird ein Glück erfahren, nach dem der selbstsüchtige Mensch vergeblich sucht. Unser Heiland sprach: “Also auch ein jeglicher unter euch, der nicht absagt allem, was er hat, kann nicht mein Jünger sein.” Lukas 14,33. Liebe “suchet nicht das Ihre”. Dies ist die Frucht jener uneigennützigen Liebe und Wohltätigkeit, die das Leben Christi kennzeichneten. Gottes Gesetz in unseren Herzen wird unsere Interessen den höheren und ewigen Belangen unterordnen. Sch1 344.1