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Propheten und Könige

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    Kapitel 49: In den Tagen der Königin Ester

    Unter der Gunst des Cyrus hatten nahezu fünfzigtausend Verbannte Gebrauch gemacht von dem Erlaß, der ihnen die Heimkehr gestattete. Im Vergleich zu den Hunderttausenden, die über die Provinzen Medien-Persiens zerstreut waren, machten sie jedoch nur einen kleinen Teil aus. Die große Mehrheit der Israeliten hatte es vorgezogen, im Land ihrer Verbannung zurückzubleiben, statt die Mühen der Heimreise und des Wiederaufbaus ihrer verwüsteten Städte und Häuser auf sich zu nehmen.PK 420.1

    Zwanzig oder mehr Jahre waren vergangen, als ein zweiter, ebenso günstiger Erlaß wie der erste von Darius Hystaspes, dem damals herrschenden Monarchen, herausgegeben wurde. So sorgte Gott in seiner Güte für eine weitere Gelegenheit, daß die Juden im medisch-persischen Reich in das Land ihrer Väter zurückkehren konnten. Der Herr sah die unruhigen Zeiten voraus, die auf die Regierung des Xerxes — des Ahasveros im Buch Ester — folgen würden, und er bewirkte nicht nur einen Sinneswandel in den Herzen der Machthaber, sondern inspirierte auch Sacharja, die Verbannten eindringlich zur Heimkehr aufzufordern. “Auf, auf! Flieht aus dem Lande des Nordens!” lautete die Botschaft an die zerstreuten Stämme Israels, die sich in vielen Ländern fern von ihrer früheren Heimat niedergelassen hatten. “Ich habe euch in die vier Winde unter dem Himmel zerstreut, spricht der Herr. Auf, Zion, die du wohnst bei der Tochter Babel, entrinne! Denn so spricht der Herr Zebaoth, der mich gesandt hat, über die Völker, die euch beraubt haben: Wer euch antastet, der tastet meinen Augapfel an. Denn siehe, ich will meine Hand über sie schwingen, daß sie eine Beute derer werden sollen, die ihnen haben dienen müssen. — Und ihr sollt erkennen, daß mich der Herr Zebaoth gesandt hat.” Sacharja 2,10-13.PK 420.2

    Wie von Anbeginn war es immer noch die Absicht des Herrn, daß sein Volk ein Lobpreis auf Erden sein sollte, um seinen Namen zu verherrlichen. Während der langen Jahre der Verbannung hatte er ihm viele Gelegenheiten geschenkt, in das Treueverhältnis zu ihm zurückzukehren. Einige hatten sich entschlossen, zu hören und zu lernen, andere hatten mitten in der Not Rettung gefunden. Manche von diesen gehörten zu den Wenigen, die heimkehren sollten. Das inspirierte Wort verglich sie mit der Spitze “von dem Wipfel der Zeder”, die Gott “auf einen hohen und erhabenen Berg pflanzen” will. “Auf den hohen Berg Israels will ich’s pflanzen.” Hesekiel 17,22.23.PK 421.1

    Alle, “deren Geist Gott erweckt hatte” (Esra 1,5), waren auf Grund des Erlasses des Cyrus heimgekehrt. Aber Gott hörte nicht auf, an denen zu wirken, die freiwillig im Land ihrer Verbannung blieben; durch vielfältige Vermittlung ermöglichte er auch ihnen die Rückkehr. Die große Zahl derer jedoch, die nicht auf den Erlaß des Cyrus reagiert hatte, blieb auch für spätere Einwirkungen unempfänglich. Selbst als Sacharja sie warnend bat, ohne weitere Verzögerung aus Babylon zu fliehen, blieb die Aufforderung unbeachtet.PK 421.2

    Unterdessen änderten sich die Verhältnisse im medisch-persischen Reich rasch. Auf Darius Hystaspes, unter dessen Regierung den Juden auffallend große Gunst erwiesen worden war, folgte Xerxes der Große. Während seiner Herrschaft waren jene Juden, die der Aufforderung zur Flucht keine Beachtung geschenkt hatten, gezwungen, einer schrecklichen Krise die Stirn zu bieten. Da sie es abgelehnt hatten, den von Gott vorgesehenen Weg der Rettung zu benutzen, mußten sie jetzt dem Tod ins Auge sehen.PK 421.3

    Zu jener Zeit wirkte Satan durch den Agagiter Haman, einen gewissenlosen, aber sehr maßgebenden Mann in Medien-Persien, um die Absichten Gottes zu vereiteln. Haman hegte bitteren Groll gegen Mardochai, einen Juden. Dieser hatte ihm keinen Schaden zugefügt, sondern sich nur geweigert, vor ihm niederzufallen. Da Haman es verschmähte, “nur an Mardochai die Hand” zu legen, plante er, “alle Juden, die im ganzen Königreich des Ahasveros waren, zu vertilgen”. Ester 3,6.PK 421.4

    Durch Hamans falsche Aussagen irregeführt, wurde Xerxes bewogen, ein Gebot zu erlassen, das die Niedermetzelung aller Juden vorsah, die “zerstreut und abgesondert unter allen Völkern in allen Ländern” (Ester 3,8) des medisch-persischen Reiches wohnten. Man setzte einen bestimmten Tag fest, an dem die Juden getötet und ihre Besitztümer eingezogen werden sollten. Der König war sich kaum bewußt, welche weitreichenden Folgen die genaue Durchführung dieses Erlasses nach sich gezogen hätte. Satan selbst, der verborgene Anstifter der Intrige, versuchte die Erde derer zu entledigen, die die Erkenntnis des wahren Gottes hochhielten.PK 421.5

    “In allen Ländern, wohin des Königs Wort und Gebot gelangte, war ein großes Klagen unter den Juden, und viele fasteten, weinten, trugen Leid und lagen in Sack und Asche.” Ester 4,3. Der Erlaß der Meder und Perser konnte nicht widerrufen werden. Anscheinend gab es keine Hoffnung. Alle Israeliten waren zum Untergang verurteilt.PK 422.1

    Doch die Anschläge des Feindes wurden durch eine Macht vereitelt, die unter den Menschenkindern waltet. Nach der Vorsehung Gottes war Ester, eine Jüdin, die den Höchsten fürchtete, zur Königin des medisch-persischen Reiches gemacht worden. Mardochai war nahe mit ihr verwandt. In ihrer größten Not beschlossen sie, sich um ihres Volkes willen an Xerxes zu wenden. Ester sollte sich als Fürsprecherin in seine Nähe wagen. “Wer weiß”, so sagte Mardochai, “ob du nicht gerade um dieser Zeit willen zur königlichen Würde gekommen bist?” Ester 4,14.PK 422.2

    Die Notlage, der sich Ester gegenüber sah, verlangte rasches, entschiedenes Handeln. Sie und Mardochai erkannten jedoch, daß ihre Bemühungen vergeblich sein würden, wenn nicht Gott machtvoll zu ihren Gunsten wirkte. Daher nahm sich Ester Zeit zur Gebetsgemeinschaft mit Gott, der Quelle ihrer Kraft, und wies Mardochai an: “Geh hin und versammle alle Juden, die in Susa sind, und fastet für mich, daß ihr nicht eßt und trinkt drei Tage lang, weder Tag noch Nacht. Auch ich und meine Dienerinnen wollen so fasten. Und dann will ich zum König hineingehen entgegen dem Gesetz. Komme ich um, so komme ich um.” Ester 4,16.PK 422.3

    Die Ereignisse, die rasch einander folgten — das Erscheinen Esters vor dem König, seine auffallende Gunstbezeugung ihr gegenüber, die Festmähler des Königs und der Königin mit Haman als einzigem Gast, der gestörte Schlaf des Königs, die öffentliche Ehrung Mardochais sowie die Demütigung und der Sturz Hamans nach der Aufdeckung seines verruchten Planes — sind Einzelheiten einer wohlbekannten Geschichte. Gott wirkte wunderbar für sein reuiges Volk. Schnell gab der König einen Gegenerlaß heraus, der den Juden gestattete, für ihr Leben zu kämpfen. Ihn ließ er durch berittene Boten, die “schnell und eilends nach dem Wort des Königs” auszogen, in allen Teilen des Königreichs bekanntmachen. “In allen Ländern und Städten, an welchen Ort auch immer des Königs Wort und Gesetz gelangte, da war Freude und Wonne unter den Juden, Gastmahl und Festtag; und viele aus den Völkern im Lande wurden Juden; denn die Furcht vor den Juden war über sie gekommen.” Ester 8,14.17.PK 422.4

    An dem für ihre Vernichtung festgesetzten Tag “versammelten sich die Juden in ihren Städten in allen Ländern des Königs Ahasveros, um Hand anzulegen an die, die ihnen übelwollten. Und niemand konnte ihnen widerstehen; denn die Furcht vor ihnen war über alle Völker gekommen.” Ester 9,2. Engel, die sich durch ihre Stärke auszeichneten, waren von Gott beauftragt worden, sein Volk zu beschützen, während es sein Leben verteidigte. Vgl. Ester 9,16.PK 423.1

    Mardochai erhielt die ehrenvolle Stellung, die Haman vorher bekleidet hatte. Er “war der Erste nach dem König Ahasveros und groß unter den Juden und beliebt unter der Menge seiner Brüder, weil er für sein Volk Gutes suchte und redete, was seinem ganzen Geschlecht zum Besten diente”. Ester 10,3. Er suchte das Wohl Israels zu fördern. So brachte Gott sein Volk am medisch-persischen Hof erneut in Ansehen und ermöglichte die Verwirklichung seiner Absicht, es in sein Heimatland zurückzubringen. Doch erst mehrere Jahre später, im siebten Jahr Artaxerxes I., des Nachfolgers des großen Xerxes, kehrte eine nennenswerte Anzahl unter Esra nach Jerusalem zurück.PK 423.2

    Die schweren Erfahrungen, die in den Tagen Esters Gottes Volk heimsuchten, waren nicht nur für jene Zeit kennzeichnend. Der Schreiber der Offenbarung, der die Jahrhunderte bis zum Ende aller Zeiten überblickte, erklärte: “Der Drache ward zornig über das Weib und ging hin, zu streiten wider die übrigen von ihrem Geschlecht, die da Gottes Gebote halten und haben das Zeugnis Jesu.” Offenbarung 12,17. Einige, die heute auf Erden leben, werden die Erfüllung dieser Aussage erleben. Derselbe Geist, der in der Vergangenheit Menschen dazu bewog, die wahre Gemeinde zu verfolgen, wird auch in Zukunft eine ähnliche Handlungsweise denen gegenüber veranlassen, die Gott die Treue halten. Schon jetzt werden Vorbereitungen für diesen letzten großen Kampf getroffen.PK 423.3

    Der Erlaß, der schließlich gegen Gottes Volk der Übrigen ergehen wird, wird dem des Ahasveros gegen die Juden sehr ähneln. Heute sehen die Feinde der wahren Gemeinde in der kleinen Schar, die das Sabbatgebot hält, einen Mardochai am Tor. Daß Gottes Volk sein Gesetz ehrt, ist ein beständiger Vorwurf für jene, die die Furcht des Herrn verworfen haben und seinen Sabbat mit Füßen treten.PK 424.1

    Satan wird Empörung wecken gegen die Minderheit, die sich weigert, allgemein beliebte Bräuche und Überlieferungen anzunehmen. Männer von Rang und Würden werden sich mit Gesetzlosen und Niederträchtigen zusammentun, um sich gegen das Volk Gottes zu beraten. Reichtum, Begabung und Bildung werden es gemeinsam mit Verachtung überschütten. Herrscher, Geistliche und Kirchenglieder werden sich als Verfolger gegen es verschwören. Mündlich und schriftlich werden sie durch Prahlerei, Drohung und Spott seinen Glauben umzustoßen suchen. Menschen werden durch falsche Darstellungen und zornige Aufrufe die Leidenschaften der Bevölkerung aufpeitschen. Da sie gegen die Verteidiger des biblischen Sabbats kein “So sagt die Schrift” vorzubringen haben, werden sie zu Gesetzen der Unterdrückung greifen, um so den Mangel auszugleichen. Um sich Beliebtheit und Unterstützung zu sichern, werden die Gesetzgeber der Forderung nach den Sonntagsgesetzen nachgeben. Wer jedoch Gott fürchtet, kann eine Verordnung, die eines der Zehn Gebote verletzt, nicht anerkennen. Auf diesem Schlachtfeld wird der letzte große Streit in der Auseinandersetzung zwischen Wahrheit und Irrtum ausgefochten werden. Und über den Ausgang werden wir nicht im Zweifel gelassen. Wie in den Tagen Esters und Mardochais wird der Herr auch heute seine Wahrheit und sein Volk schützen.PK 424.2

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