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Patriarchen und Propheten

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    Kapitel 57: Die Philister rauben die Bundeslade

    Das Haus Elis erhielt noch eine weitere Warnung. Gott konnte sich dem Hohenpriester um seiner Söhne willen nicht mehr offenbaren. Wie eine dichte Wolke verhinderten deren Sünden die Gegenwart seines heiligen Geistes. Aber inmitten alles Bösen blieb das Kind Samuel dem Himmel treu. Während das Haus Eli sein Verdammungsurteil empfing, wurde Samuel zum Propheten des Höchsten berufen. “Zu der Zeit, als der Knabe Samuel dem Herrn diente unter Eli, war des Herrn Wort selten, und es gab kaum noch Offenbarung. Und es begab sich zur selben Zeit, daß Eli lag an seinem Ort, und seine Augen hatten angefangen, schwach zu werden, so daß er nicht mehr sehen konnte. Die Lampe Gottes war noch nicht verloschen. Und Samuel hatte sich gelegt im Heiligtum des Herrn, wo die Lade Gottes war. Und der Herr rief Samuel.” In der Meinung, es sei Elis Stimme, eilte das Kind zum Lager des Priesters und sagte: “Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen.” Eli antwortete: “Ich habe nicht gerufen; geh wieder hin und lege dich schlafen.” 1.Samuel 3,1-5. Dreimal wurde Samuel gerufen, und dreimal verhielt er sich in der gleichen Weise. Dann war Eli überzeugt, daß der geheimnisvolle Ruf Gottes Stimme war. Der Herr hatte seinen erwählten Diener, den ergrauten Mann, übergangen und sprach mit einem Kinde. Schon darin lag für Eli und sein Haus ein bitterer, aber verdienter Vorwurf.PP 564.1

    Aber in Elis Herzen kam weder Neid noch Eifersucht auf. Er wies Samuel an, wenn er wieder gerufen würde, zu antworten: “Rede, Herr, denn dein Knecht hört.” Als das Kind die Stimme noch einmal vernahm, antwortete es: “Rede, denn dein Knecht hört.” 1.Samuel 3,9.10. Bei dem Gedanken, daß der große Gott zu ihm sprechen würde, war Samuel so eingeschüchtert, daß er sich nicht mehr genau an die Worte erinnern konnte, die Eli ihm aufgetragen hatte.PP 564.2

    “Der Herr sprach zu Samuel: Siehe, ich werde etwas tun in Israel, wovon jedem, der es hören wird, beide Ohren gellen werden. An dem Tage will ich über Eli kommen lassen, was ich gegen sein Haus geredet habe; ich will es anfangen und vollenden. Denn ich hab’s ihm angesagt, daß ich sein Haus für immer richten will um der Schuld willen, daß er wußte, wie sich seine Söhne schändlich verhielten, und ihnen nicht gewehrt hat. Darum habe ich dem Hause Eli geschworen, daß die Schuld des Hauses Eli nicht gesühnt werden solle, weder mit Schlachtopfern noch mit Speisopfern immerdar.” 1.Samuel 3,11-14.PP 565.1

    Ehe er diese Botschaft von Gott empfing, “hatte Samuel den Herrn noch nicht erkannt, und des Herrn Wort war ihm noch nicht offenbart” (1.Samuel 3,7), das heißt, er kannte solche unmittelbaren Offenbarungen der Gegenwart Gottes, wie sie den Propheten zuteil werden, noch nicht. Es lag in Gottes Absicht, sich so unvorhergesehen zu offenbaren, damit Eli durch die Überraschung und die Nachfrage des Jungen davon hörte.PP 565.2

    Samuel war bei dem Gedanken an die ihm übertragene, schreckliche Botschaft ganz verwirrt; er fürchtete sich. Am nächsten Morgen ging er wie gewöhnlich seinen Pflichten nach, aber mit einer schweren Last auf seinem jungen Herzen. Der Herr hatte ihm nicht geboten, über die furchtbare Strafandrohung zu reden, deshalb schwieg er und mied Eli soweit wie möglich. Er zitterte vor irgendwelchen Fragen, die ihn nötigen könnten, das göttliche Urteil jemandem kundzutun, den er so liebte und verehrte. Eli war sich sicher, daß die Botschaft für ihn und seine Familie großes Unglück bedeutete. Er rief Samuel zu sich und ermahnte ihn, wahrheitsgetreu zu berichten, was der Herr ihm offenbart habe. Der Junge gehorchte, und der alte Mann beugte sich demütig unter das entsetzliche Urteil: “Es ist der Herr; er tue, was ihm wohlgefällt.” 1.Samuel 3,18.PP 565.3

    Doch Elis Reue war nicht echt. Er bekannte seine Schuld, aber er sagte der Sünde nicht ab. Jahr um Jahr verzögerte der Herr seine angedrohten Strafgerichte. In dieser Zeit hätte viel geschehen können, um die Versäumnisse der Vergangenheit wiedergutzumachen. Aber der betagte Priester ergriff keine wirksamen Maßnahmen, die Übel abzustellen, die das Heiligtum des Herrn verunreinigten und Tausende in Israel ins Verderben führten. Gottes Langmut machte Hophni und Pinhas nur noch unempfindlicher und dreister in ihren Verfehlungen. Eli hatte dem ganzen Volk die Warnungsbotschaften und den Tadel über sein Haus bekanntgegeben. Damit hoffte er, bis zu einem gewissen Grade dem schlimmen Einfluß seiner früheren Versäumnisse zu begegnen. Aber das Volk mißachtete die Warnungen ebenso wie die Priester. Auch die umwohnenden Völker, denen Israels offen begangenes Unrecht nicht unbekannt blieb, wurden desto kühner in ihrer Abgötterei und ihrem frevelhaften Tun. Sie kannten kein Schuldbewußtsein, wie es der Fall gewesen wäre, wenn Israel seine Unbescholtenheit gewahrt hätte. Aber der Tag der Vergeltung nahte. Sie hatten Gottes Autorität verworfen, seine Anbetung vernachlässigt und mißachtet. Es war an der Zeit, daß er eingriff, damit die Ehre seines Namens gewahrt blieb.PP 565.4

    “Israel aber zog aus, den Philistern entgegen, in den Kampf und lagerte sich bei Eben-Ezer. Die Philister aber hatten sich gelagert bei Aphek.” Wieder einmal unternahmen die Israeliten etwas, ohne zuvor Gott um Rat zu fragen und ohne die Zustimmung des Hohenpriesters oder eines Propheten einzuholen. Die Philister “stellten sich Israel gegenüber auf. Und der Kampf breitete sich aus, und Israel wurde von den Philistern geschlagen. Sie erschlugen in der Feldschlacht etwa viertausend Mann”. Als die versprengte, entmutigte Streitmacht Israels ins Lager zurückkehrte, “sprachen die Ältesten Israels: Warum hat uns der Herr heute vor den Philistern geschlagen?” Das Volk war reif für Gottes Strafgericht und sah doch nicht ein, daß seine Sünden die Ursache dieser fürchterlichen Niederlage waren. Sie meinten: “Laßt uns die Lade des Bundes des Herrn zu uns holen von Silo und laßt sie mit uns ziehen, damit er uns errette aus der Hand unserer Feinde.” 1.Samuel 4,1-3. Der Herr hatte es weder befohlen noch erlaubt, daß die Lade vom Heer mitgeführt werde. Aber sie waren fest davon überzeugt, daß sie nun siegen würden und erhoben lautes Jubelgeschrei, als Elis Söhne die Lade brachten.PP 566.1

    Die Philister hielten die Bundeslade für den Gott Israels. Alle mächtigen Taten Jahwes für sein Volk schrieb man ihrer Macht zu. Als sie das Freudengeschrei bei ihrem Nahen hörten, fragten sie daher: “Was ist das für ein gewaltiges Jauchzen im Lager der Hebräer? Und als sie erfuhren, daß die Lade des Herrn ins Lager gekommen sei, fürchteten sie sich und sprachen: Gott ist ins Lager gekommen, und riefen: Wehe uns, denn solches ist bisher noch nicht geschehen! Wehe uns! Wer will uns erretten aus der Hand dieser mächtigen Götter? Das sind die Götter, die Ägypten schlugen mit allerlei Plage in der Wüste. So seid nun stark und seid Männer, ihr Philister, damit ihr nicht dienen müßt den Hebräern, wie sie euch gedient haben! Seid Männer und kämpft!” 1.Samuel 4,6-9.PP 566.2

    Mit einem ungestümen Angriff schlugen die Philister Israel und richteten ein großes Blutbad an. Dreißigtausend Mann blieben tot auf dem Schlachtfeld, die Lade Gottes ging verloren, Elis beide Söhne fielen bei ihrer Verteidigung. Wiederum wurde im Buche der Geschichte für spätere Geschlechter ein Zeugnis niedergeschrieben: daß die Missetat des Volkes Gottes nicht ungestraft bleibt. Je größer die Erkenntnis über den Willen Gottes, desto größer ist auch die Schuld derer, die ihn mißachten.PP 567.1

    Israel hatte das schrecklichste Unglück getroffen, das ihm überhaupt zustoßen konnte. Die Bundeslade war geraubt worden und im Besitz der Feinde. Die Herrlichkeit Jahwes war mit diesem Sinnbild seiner Gegenwart und Macht in der Tat von ihnen gewichen. Mit der Bundeslade verbanden sich die wunderbarsten Offenbarungen göttlicher Macht und Treue. Wo immer sie erschien, errang Israel in der Vergangenheit erstaunliche Siege. Die Flügel der goldenen Cherubim beschatteten sie, und die unbeschreibliche Herrlichkeit der Schechina, das sichtbare Sinnbild der Gegenwart des Allerhöchsten, ruhte im Allerheiligsten über ihr. Aber diesmal hatte sie keinen Sieg gebracht, war sie kein Schutz gewesen, und Trauer herrschte bei allen Israeliten.PP 567.2

    Sie erkannten nicht, daß ihr Glaube kraftlos war und nicht mehr mit Gott zum Siege führte. Auch das Gesetz Gottes in der Bundeslade war ein Sinnbild seiner Gegenwart. Aber sie hatten die Gebote mit seinen Forderungen mißachtet und den Geist des Herrn betrübt. Solange das Volk den heiligen Vorschriften gehorchte, war der Herr mit ihm und führte es durch seine Allmacht. Aber wenn die Israeliten beim Anblick der Lade weder des Herrn gedachten noch seinen geoffenbarten Willen durch Gehorsam gegen sein Gesetz ehrten, konnte sie ihnen kaum mehr nützen als eine gewöhnliche Truhe. Sie betrachteten die Bundeslade wie die heidnischen Völker ihre Götter, als ob sie an sich Kraft und Heil besäße, und übertraten das darin liegende Gesetz. Gerade ihre Verehrung der Lade führte zu Formenwesen, Frömmelei und Götzendienst. Ihre Sünde hatte sie von Gott getrennt, er konnte ihnen den Sieg nicht verleihen, ehe sie nicht bereut und ihrer Bosheit entsagt hatten.PP 567.3

    Es genügte nicht, daß Bundeslade und Heiligtum mitten unter Israel standen. Es reichte nicht aus, daß die Priester Opfer darbrachten und das Volk sich “Kinder Gottes” nannte. Der Herr hört nicht auf Bitten, die aus bösen Herzen kommen. Die Schrift sagt: “Wer sein Ohr abwendet, um die Weisung nicht zu hören, dessen Gebet ist ein Greuel.” Sprüche 28,9.PP 567.4

    Als das Heer in die Schlacht zog, war der alte, blinde Eli in Silo geblieben. Mit trüben Ahnungen erwartete er den Ausgang des Kampfes, “denn sein Herz bangte um die Lade Gottes”. Tag für Tag saß er vor dem Tor der Stiftshütte und erwartete ängstlich die Ankunft eines Boten vom Schlachtfelde.PP 568.1

    Schließlich kam ein Benjaminit aus dem Heerlager die Anhöhe heraufgelaufen, die zur Stadt führte, “und hatte seine Kleider zerrissen und Erde auf sein Haupt gestreut”. 1.Samuel 4,13.12. Achtlos eilte er an dem alten Mann am Wege vorbei weiter in die Stadt und wiederholte der begierigen Menge immer wieder die Nachricht von der Niederlage und dem Verlust.PP 568.2

    Das Jammer- und Klagegeschrei erreichte auch den Lauschenden an der Stiftshütte. Man brachte den Boten zu ihm, und er sagte zu Eli: “Israel ist geflohen vor den Philistern, und das Volk ist hart geschlagen, und deine beiden Söhne, Hophni und Pinhas, sind tot.” So schrecklich es war, Eli konnte das alles ertragen, denn er hatte es erwartet. Aber als der Bote hinzufügte: “und die Lade Gottes ist weggenommen”, glitt ein Ausdruck unaussprechlicher Seelenqual über sein Gesicht. Der Gedanke, seine Sünde habe Gott so sehr Schande bereitet, daß er Israel seine Gegenwart entzog, war mehr, als er zu ertragen vermochte. Die Kräfte verließen ihn, er fiel “und brach seinen Hals und starb”. 1.Samuel 4,17.18.PP 568.3

    Pinhas’ Frau fürchtete trotz der Gottlosigkeit ihres Mannes den Herrn. Der Tod ihres Schwiegervaters und ihres Mannes, vor allem aber die schreckliche Nachricht von dem Verlust der Lade Gottes erregten sie so, daß auch sie starb. Sie fühlte es, daß Israels letzte Hoffnung geschwunden war; und sie nannte das Kind, das sie in dieser Unglücksstunde gebar, Ikabod oder “Unehre”. Mit ihrem letzten Atemzug wiederholte sie kummervoll die Worte: “‘Die Herrlichkeit ist hinweg aus Israel!’ — weil die Lade Gottes weggenommen war.” 1.Samuel 4,21.PP 568.4

    Aber der Herr hatte weder sein Volk völlig verworfen, noch wollte er den Jubel der Heiden lange dulden. In seiner Hand waren die Philister Mittel zur Bestrafung Israels gewesen; nun wurden die Philister um der Bundeslade willen gestraft. In der Vergangenheit hatte die göttliche Gegenwart die Bundeslade begleitet als Kraftquelle und Ruhm für sein gehorsames Volk. Und unsichtbar würde Gott sie weiterhin begleiten, um Schrecken und Verderben über die Übertreter seines heiligen Gesetzes zu bringen. Oft benutzt der Herr seine erbittertsten Feinde, um die Treulosigkeit seines Volkes zu ahnden. Die Gottlosen mochten eine Zeitlang triumphieren, wenn sie Israels Züchtigung miterlebten. Aber der Tag sollte kommen, da auch sie sich dem Richterspruch eines heiligen Gottes, der die Sünde haßt, gegenübersahen. Wo immer die Bosheit herrschte, folgten rasch und unfehlbar Gottes Strafgerichte.PP 568.5

    Die Philister brachten die Bundeslade voller Siegesfreude nach Asdod, einer ihrer fünf wichtigsten Städte, und stellten sie im Hause ihres Gottes Dagon auf. Sie bildeten sich ein, nun gehöre die Kraft, die bis dahin die Lade begleitet hatte, ihnen und mache sie im Verein mit Dagons Macht unbesiegbar. Doch als sie am nächsten Tage in den Tempel kamen, bot sich ihnen ein erschreckender Anblick. Dagon war mit dem Gesicht nach unten vor der Lade Jahwes auf die Erde gefallen. Ehrfurchtsvoll hoben die Priester das Götzenbild auf und stellten es wieder an seinen Platz. Aber am anderen Morgen fanden sie es auffallend verstümmelt wieder vor der Lade am Boden liegen. Der obere Teil dieses Götzen hatte Menschengestalt, der untere ähnelte einem Fisch. Jetzt war alles, was der menschlichen Form glich, zerbrochen, und nur der Fischleib übriggeblieben. Da packte Priester und Volk das Grauen. Sie sahen in diesem rätselhaften Geschehen ein schlimmes Vorzeichen, das ihnen und ihren Göttern Vernichtung durch den Gott der Hebräer ankündigte. Daher trugen sie die Bundeslade aus ihrem Tempel und stellten sie in ein eigenes Gebäude.PP 569.1

    Jetzt wurden Asdods Einwohner von einer qualvollen, tödlichen Krankheit befallen. Sie erinnerten sich der Plagen, die Israels Gott über Ägypten verhängt hatte, und schrieben ihre Not der Gegenwart der Lade zu. Man beschloß deshalb, sie nach Gath zu bringen. Aber die Seuche folgte ihr auf dem Fuße, und die Einwohner schickten sie nach Ekron. Hier empfing die Bevölkerung sie mit Schrecken und schrie: “Sie haben die Lade des Gottes Israels hergetragen zu mir, damit sie mich töte und mein Volk!” Wie die Leute von Gath und Asdod wandten sie sich an ihre Götter um Schutz; aber das Vernichtungswerk ging weiter, bis “das Geschrei der Stadt stieg auf gen Himmel”. 1.Samuel 5,10.12. Da sie sich fürchteten, die Lade weiter in ihren Häusern zu behalten, stellte man sie aufs freie Feld. Darauf folgte eine Mäuseplage, die das Land verheerte, die Bodenfrüchte vernichtete, und zwar in den Vorratshäusern wie auf dem Felde. Jetzt drohte dem Volk völlige Vernichtung entweder durch Krankheit oder Hungersnot.PP 569.2

    Sieben Monate blieb die Bundeslade in Philistäa, und in dieser ganzen Zeit unternahmen die Israeliten nichts, sie wieder an sich zu bringen. Aber nun waren die Philister selber ängstlich darauf bedacht, sie loszuwerden, wie ihnen erst daran lag, sie zu bekommen. Statt zu einer Kraftquelle war sie ihnen zur großen Last und zum schweren Fluch geworden. Aber sie wußten nicht, wie es weitergehen sollte. Wohin man die Lade auch brachte, folgten Gottes Strafgerichte. Das Volk rief nach den Fürsten, Priestern und Wahrsagern und bedrängte sie: “Was sollen wir mit der Lade des Herrn machen? Laßt uns wissen, wie wir sie an ihren Ort senden sollen!” Man riet, sie mit einer reichen Sühnopfergabe zurückzuschicken. “So”, sagten die Priester, “werdet ihr gesund werden, und es wird euch kundwerden, warum seine Hand nicht von euch abläßt.”PP 570.1

    Nach altem Brauch suchten die Heiden Seuchen zum Stillstand zu bringen oder abzuwenden, indem sie ein Abbild — sei es aus Gold, Silber oder einem anderen Material — von dem herstellten, was das Verderben verursachte, oder von dem betroffenen Gegenstand oder Körperteil. Dies wurde dann auf eine Säule oder einen anderen gut sichtbaren Platz gestellt, und damit glaubte man, einen wirksamen Schutz gegen die dargestellten Übel zu haben. Ähnliche Sitten bestehen bei manchen heidnischen Völkern auch heute noch. Ist jemand krank, geht er zur Behandlung in den Tempel seines Götzen und nimmt ein Bild des erkrankten Körperteils als Opfergabe mit.PP 570.2

    Es entsprach also nur dem herrschenden Aberglauben, wenn die Philisterfürsten dem Volk befahlen, bildliche Darstellungen von den Plagen anzufertigen, unter denen sie litten: “Fünf goldene Beulen und fünf goldene Mäuse nach der Zahl der fünf Fürsten der Philister, denn”, sagten sie, “es ist ein und dieselbe Plage gewesen über euch alle und über eure Fürsten.” 1.Samuel 6,2-4.PP 570.3

    Diese klugen Leute mußten einräumen, daß eine geheimnisvolle Macht die Lade begleitete, gegen die sie mit ihrer Weisheit nichts vermochten. Sie rieten dem Volk aber auch nicht, sich von der Abgötterei abzuwenden und dem Herrn zu dienen. Sie haßten den Gott Israels, der sie durch überwältigende Strafgerichte genötigt hatte, sich seiner Gewalt zu fügen. So werden selbst Sünder davon überzeugt, daß es vergeblich ist, gegen ihn zu streiten. Sie müssen seiner Macht weichen, obwohl sie sich innerlich dagegen auflehnen. Aber solches Nachgeben kann nicht erretten. Der Mensch muß sich Gott von Grund seines Herzens übergeben, von der göttlichen Gnade bezwungen, ehe seine Buße angenommen werden kann.PP 570.4

    Wie langmütig ist doch Gott mit den Gottfernen! Die götzendienerischen Philister wie das abtrünnige Israel hatten seine Segnungen in gleicher Weise genossen. Tausende von Gnadenbeweisen säumten unbeachtet den Lebensweg jener undankbaren, widerspenstigen Menschen. Jede Wohltat redete von ihrem Geber, aber sie blieben seiner Liebe gegenüber gleichgültig. Gottes Geduld war sehr groß. Aber wenn sie eigensinnig bei ihrer Unbußfertigkeit verharrten, zog er seine schützende Hand zurück. Sie wollten nicht auf seine Stimme in der Schöpfung lauschen, auch nicht auf die Warnungen und Ratschläge in seinem Wort; so mußte er durch Strafgerichte mit ihnen reden.PP 571.1

    Einige Philister waren gegen die Rückgabe der Bundeslade. Solch Eingeständnis der Macht des Gottes Israels war zu demütigend für ihren Stolz. Aber “die Priester und Wahrsager” warnten davor, nicht so halsstarrig zu sein wie Pharao und die Ägypter, und dadurch noch größeres Elend heraufzubeschwören. Sie machten schließlich einen Vorschlag, der allseitige Zustimmung fand und sofort ausgeführt wurde. Versehen mit den goldenen Sühnopfergaben, setzte man die Lade auf einen neuen Wagen, der jede Gefahr einer Verunreinigung ausschloß. Davor wurden zwei Kühe gespannt, auf deren Nacken noch nie ein Joch gekommen war. Ihre Kälber sperrte man ein und ließ die Kühe gehen, wohin sie wollten. Wenn die Lade über Beth-Schemesch, der nächsten levitischen Stadt, zu den Israeliten zurückkehrte, wollten die Philister darin den Beweis sehen, daß Israels Gott das große Unheil über sie gebracht hatte; aber “wenn nicht”, sagten sie, “so wissen wir, daß nicht seine Hand uns getroffen hat, sondern es uns zufällig widerfahren ist”. 1.Samuel 6,9.PP 571.2

    Als man die Kühe frei ließ, wandten sie sich von ihren Jungen ab und schlugen brüllend den geraden Weg nach Beth-Schemesch ein. Ohne menschliche Lenkung behielten die Tiere die Richtung bei. Gottes Gegenwart geleitete die Bundeslade und sie gelangte sicher auf ihren vorgesehenen Platz.PP 571.3

    Es war die Zeit der Weizenernte, und die Leute von Beth-Schemesch mähten im Tal. “Und als sie ihre Augen aufhoben, sahen sie die Lade und freuten sich, sie zu sehen. Der Wagen aber kam auf den Acker Josuas von Beth-Schemesch und stand dort still. Und dort lag ein großer Stein. Da spalteten sie das Holz des Wagens und opferten die Kühe dem Herrn zum Brandopfer.” Die Fürsten der Philister waren der Lade “bis zum Gebiet von Beth-Schemesch” (1.Samuel 6,13.14.12) gefolgt, kehrten aber nach Ekron zurück, nachdem sie sich von deren Annahme überzeugt hatten. Die Seuche hörte auf, und nun wußten sie, daß ihre Trübsal ein Strafgericht des Gottes Israels war.PP 572.1

    Schnell verbreiteten die Leute von Beth-Schemesch die Nachricht, daß die Lade bei ihnen sei, und aus der ganzen Umgebung strömten die Menschen herbei, ihre Rückkehr zu begrüßen. Sie stellten sie auf den Stein, der zuvor als Altar gedient hatte, und brachten dem Herrn zahlreiche Opfer dar. Wären sie reuige Anbeter gewesen, Gottes Segen hätte sie begleitet. Aber sie beobachteten sein Gesetz nicht gewissenhaft. Sie freuten sich wohl über die Rückkehr der Bundeslade als guten Vorboten, aber richtiges Verständnis für ihre Heiligkeit besaßen sie nicht. Statt einen geeigneten Ort für ihre Unterbringung vorzubereiten, ließen sie sie auf dem Erntefeld stehen. Als sie so die heilige Truhe betrachteten und sich darüber unterhielten, auf welch wunderbare Weise sie doch zu ihnen gekommen war, fingen sie an, Vermutungen darüber aufzustellen, worin ihre wunderbare Macht eigentlich läge. Schließlich packte sie die Neugier, sie entfernten die Decken und wagten es, sie zu öffnen.PP 572.2

    Ganz Israel war darüber belehrt worden, auf die Bundeslade mit Scheu und Ehrerbietung zu sehen. Ergab sich die Notwendigkeit, sie an einen andern Ort zu bringen, sollten auch die Leviten sie nicht ausgiebig betrachten. Nur der Hohepriester durfte die Lade Gottes einmal im Jahr anschauen. Nicht einmal die heidnischen Philister hatten gewagt, die Decken abzunehmen, denn himmlische Engel begleiteten die Lade ungesehen auf allen Wanderungen. Die unehrerbietige Dreistigkeit der Einwohner von Beth-Schemesch wurde schnell bestraft. Viele ereilte der Tod. Trotzdem brachte dieses Strafgericht die Überlebenden nicht zur Einsicht ihrer Schuld; sie sahen lediglich mit abergläubischer Furcht auf die Lade. Den Beth-Schemiten lag nun sehr daran, von ihr befreit zu werden, wagten aber nicht, sie wegzubringen. So forderten sie die Bewohner von Kirjath-Jearim auf: “Holt sie!” Glücklich begrüßten diese die heilige Truhe. Sie wußten, sie war das Unterpfand göttlicher Gnade für alle Gehorsamen und Gläubigen. Mit ehrfürchtiger Freude brachten sie sie in ihre Stadt und stellten sie in das Haus des Leviten Abinadab. Dieser beauftragte seinen Sohn Eleasar, auf sie aufzupassen, und dort blieb sie dann viele Jahre.PP 572.3

    Seitdem sich der Herr Hannas Sohn zum ersten Mal offenbart hatte, erkannte das ganze Volk Samuels Berufung zum Prophetenamt an. Mit der gewissenhaften Weitergabe der göttlichen Warnung an das Haus Elis hatte er seine Zuverlässigkeit als Jahwes Diener bewiesen, so schwer und schmerzlich die Pflicht damals sein mochte. “Und der Herr war mit ihm und ließ keines von allen seinen Worten zur Erde fallen. Und ganz Israel von Dan bis Beerseba erkannte, daß Samuel damit betraut war, Prophet des Herrn zu sein.” 1.Samuel 3,19.20.PP 573.1

    Israel als Volk blieb weiterhin dem Unglauben und der Abgötterei verfallen und zur Strafe dafür den Philistern unterworfen. In dieser Zeit durchzog Samuel die Städte und Dörfer im ganzen Lande und versuchte, das Volk zum Gott seiner Väter zu bekehren; und seine Bemühungen hatten sichtbaren Erfolg. Nachdem die Israeliten die Unterdrückung ihrer Feinde zwanzig Jahre lang ertragen hatten, “schrien sie zum Herrn”. Samuel riet ihnen: “Wenn ihr euch von ganzem Herzen zu dem Herrn bekehren wollt, so tut von euch die fremden Götter und die Astarten und richtet euer Herz zu dem Herrn und dient ihm allein.” 1.Samuel 7,3. Wir sehen, daß schon Samuel tätige Frömmigkeit und Herzensglauben predigte, wie es Christus tat, als er auf Erden war. Ohne die Gnade Christi waren auch für das alte Israel die äußerlichen religiösen Formen wertlos. Beim heutigen Volk ist es nicht anders.PP 573.2

    Wir benötigen heute eine Erweckung zu wahrem Herzensglauben, wie sie damals Israel erlebte. Bei allen, die zu Gott zurückfinden möchten, muß als erstes Reue zu erkennen sein. Das kann keiner für den andern tun. Jeder sollte sich vor Gott demütigen und seine Abgötter beseitigen. Haben wir alles getan, was wir konnten, wird der Herr uns sein Heil offenbaren.PP 573.3

    Mit Hilfe der Stammesfürsten kam eine große Versammlung in Mizpa zusammen. Man hielt ein feierliches Fasten ab. In tiefer Demut bekannte das Volk seine Sünden. Und als Beweis für seinen guten Willen, den gehörten Anweisungen zu gehorchen, betraute es Samuel mit dem Richteramt.PP 574.1

    Die Philister aber deuteten diese Zusammenkunft als Kriegsrat und brachen mit einer großen Streitmacht auf, um die Israeliten zu zerstreuen, ehe ihre Pläne ausreifen konnten. Die Nachricht von ihrem Anrücken erregte große Furcht in Israel. Sie flehten Samuel an: “Laß nicht ab, für uns zu schreien zu dem Herrn, unserm Gott, daß er uns helfe aus der Hand der Philister.” 1.Samuel 7,8.PP 574.2

    Während Samuel ein Lamm als Brandopfer darbrachte, zogen die Philister zum Kampfe heran. Da offenbarte der Allmächtige, der unter Feuer und Rauch auf dem Sinai erschienen war, der das Rote Meer geteilt und für die Kinder Israel einen Weg durch den Jordan gebahnt hatte, abermals seine Stärke. Ein so schreckliches Unwetter brach über das anrückende Heer herein, daß die Erde von den Leichnamen der Kriegsleute übersät war.PP 574.3

    In schweigender Scheu, zugleich zitternd vor Hoffnung und Furcht, standen die Israeliten. Und sie erkannten aus der Niederlage ihrer Feinde, daß Gott ihre Sinnesänderung in Gnaden angenommen hatte. Ohne auf einen Kampf vorbereitet zu sein, ergriffen sie die Waffen der erschlagenen Philister und verfolgten die Fliehenden bis Beth-Kar. Diesen bemerkenswerten Sieg errang Israel auf demselben Schlachtfelde, auf dem vor zwanzig Jahren die Philister sie geschlagen, ihre Priester getötet und die Lade Gottes weggenommen hatten. Gehorsam gegen Gott ist für ganze Völker wie für den Einzelnen der einzig sichere Weg zum Glück, während Übertretung nur in Unglück und Niederlage führt. Die Philister waren jetzt so vollständig besiegt, daß sie alle Festungen herausgaben, die sie Israel genommen hatten, und sich für viele Jahre aller Feindseligkeiten enthielten. Andere Völker folgten ihrem Beispiel, und Israel hatte Frieden, solange Samuel regierte.PP 574.4

    Damit dieses Ereignis nicht in Vergessenheit geriet, errichtete Samuel zwischen Mizpa und Schen zur Erinnerung einen großen Stein. Er nannte ihn Eben-Ezer, “Stein der Hilfe”, und sagte zum Volk: “Bis hierher hat uns der Herr geholfen.” 1.Samuel 7,12.PP 574.5

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