Die Bibel In Englischer Sprache
Plötzlich jedoch konnte Wycliff seine Arbeit nicht mehr fortsetzen. Obwohl er noch keine sechzig Jahre alt war, hatten doch rastlose Arbeit, anhaltendes Studium und unaufhörliche Angriffe seiner Feinde an seinen Kräften gezehrt und ließen ihn früh altern. Er wurde von einer gefährlichen Krankheit befallen. Diese Kunde bereitete den Mönchen große Freude. Nun dachten sie, er würde das Übel bitter bereuen, das er der Kirche zugefügt hatte, und sie eilten in seine Kammer, um ihm die Beichte abzunehmen. Vertreter der vier Mönchsorden und vier Beamte der Stadt standen um den Mann herum, von dem sie glaubten, er liege im Sterben. »Der Tod sitzt Euch auf den Lippen«, sagten sie, »denkt bußfertig an Eure Sünden, und nehmt in unserer Gegenwart alles zurück, was Ihr gegen uns gesagt habt.” Der Reformator hörte schweigend zu. Dann bat er seinen Diener, ihn im Bett aufzurichten, während er seinen Blick unablässig auf jene richtete, die ihn umringten und auf seinen Widerruf warteten. Mit der festen, starken Stimme, die sie schon so oft hatte erzittern lassen, sagte er zu ihnen: »Ich werde nicht sterben, sondern leben und die Gräuel der Mönche erzählen.” (DAGR, XVII, 7; vgl. NKG, VI, 2, § 10; SCK, XXXIV, 525) Erstaunt und verlegen eilten die Mönche aus dem Zimmer.VSL 82.2
Wycliffs Worte erfüllten sich. Er blieb am Leben und legte seinen Landsleuten die mächtige Waffe gegen Rom in die Hand - die Bibel, die himmlische Botschaft, um das Volk zu befreien, zu erleuchten und zu evangelisieren. Bei der Ausführung dieser Aufgabe galt es, viele und große Hindernisse zu überwinden. Wycliff litt an körperlicher Schwäche und wusste, dass ihm nur noch wenige Jahre der Arbeit zur Verfügung standen. Er sah den Widerstand, dem er entgegentreten musste. Doch ermutigt durch die Verheißungen in Gottes Wort ging er unerschrocken ans Werk. Durch besondere Vorsehung wurde er von Gott im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte erhalten, reich an Erfahrung für sein größtes Werk. Während die ganze Christenheit in Aufruhr war, machte sich der Reformator in seiner Pfarrei in Lutterworth an seine selbsterwählte Aufgabe, unbehelligt vom Sturm, der draußen wütete.VSL 82.3
Am Ende war das Werk vollbracht: die erste englische Übersetzung der Heiligen Schrift, die es gab. Nun war das Wort Gottes für England geöffnet. Der Reformator fürchtete sich jetzt weder vor dem Gefängnis noch dem Scheiterhaufen. Er hatte dem englischen Volk ein Licht in die Hand gegeben, das nie verlöschen sollte. Dadurch, dass er seinen Landsleuten die Bibel gab, hatte er mehr getan, um sie von den Fesseln der Unwissenheit und des Lasters zu befreien und mehr, um sein Land zu befreien und zu erheben, als je durch die glänzendsten Siege auf dem Schlachtfeld errungen wurde.VSL 83.1
Da die Buchdruckerkunst noch unbekannt war, konnten Abschriften der Bibel nur durch langsame und mühevolle Arbeit hergestellt werden. Das Interesse an diesem Buch aber war so groß, dass viele sich bereitwillig an die Arbeit machten, um es zu vervielfältigen, und nur mit Mühe konnten die Abschreiber die Nachfrage befriedigen. Einige wohlhabende Käufer bestellten die ganze Bibel, andere kauften nur Teile davon. Oft schlossen sich mehrere Familien zusammen, um ein Exemplar zu finanzieren. So fand Wycliffs Bibel schnell Zugang in die Heime des Volkes.VSL 83.2
Der Appell an den menschlichen Verstand rüttelte das Volk aus seiner untätigen Unterwerfung unter päpstliche Dogmen wach. Wycliff vertrat bereits jetzt die Unterscheidungslehren des Protestantismus: Die Erlösung allein durch den Glauben an Christus und die Unfehlbarkeit der Heiligen Schrift. Die Prediger, die er ausgesandt hatte, verbreiteten die Bibel zusammen mit den Schriften des Reformators mit solchem Erfolg, dass der neue Glaube von nahezu der Hälfte des englischen Volkes angenommen wurde.VSL 83.3