Die Besondere Verantwortung Der Religiösen Leiter
Wie schlimm elterliche Pflichtvergessenheit auch sein mag, ist sie doch um das Zehnfache ärger, wenn sie in Familien auftritt, wo die Väter als Lehrer der Gläubigen fungieren. Wenn diese ihrem eigenen Haushalt nicht recht vorstehen können, führen sie durch ihr verkehrtes Beispiel viele auf Abwege. Ihre Schuld ist in dem Maß größer, wie auch die Verantwortung in ihrem Amt größer ist als die anderer.WAB 565.1
Dem Haus Aarons war verheißen worden, dass »die Priester für alle Zeiten aus [s]einer Sippe kommen« sollten (1. Samuel 2,30a Hfa), aber diese Zusage war an die Bedingung geknüpft, dass sie sich von Herzen und zielstrebig dem Dienst am Heiligtum widmen, Gott auf allen ihren Wegen ehren, nicht selbstsüchtig sind oder ihren verdorbenen Neigungen folgen. Eli und seine Söhne waren auf die Probe gestellt worden. Der Herr hatte sie für völlig unwürdig befunden, die hohe Stellung als Priester in seinem Dienst einzunehmen. Deshalb sagte Gott: »Jetzt widerrufe ich meine Zusage« (1. Samuel 2,30b GNB) Er konnte das Gute, das er durch sie zu tun beabsichtigte, nicht verwirklichen, weil sie ihrerseits versagten.WAB 565.2
Das Beispiel jener, die einen heiligen Dienst versehen, sollte die Menschen derart beeindrucken, dass sie Gott mit Ehrfurcht begegnen, und davor zurückschrecken, ihn zu beleidigen. Wer »an Christi statt” (2. Korinther 5,20) Gottes Gnadenbotschaft und Versöhnung verkündigt, seine heilige Berufung aber als Deckmantel für die Befriedigung selbstsüchtiger oder sinnlicher Wünsche missbraucht, macht sich selbst zu einem wirksamen Werkzeug Satans. Wie Hofni und Pinhas verführt er dazu, dass Menschen »die Opfergabe des Herrn” verachten (1. Samuel 2,17b Elb.). Möglicherweise können sie ihren bösen Wandel eine gewisse Zeit lang geheim halten. Doch wenn ihr wahrer Charakter schließlich zutage tritt, erschüttert dies den Glauben der Menschen oft dermaßen, dass ihr Vertrauen in die Religion dadurch gänzlich zerstört wird. Es bleibt im Denken ein Misstrauen gegen alle zurück, die behaupten, Gottes Wort zu verkündigen. Die Botschaft eines wahren Dieners von Jesus Christus wird dadurch in Zweifel gezogen. Ständig erhebt sich die Frage: »Wird es sich nicht irgendwann erweisen, dass dieser Mann jenem gleicht, den wir für so heilig hielten und als so verdorben fanden?” Auf diese Weise verliert Gottes Wort bei den Menschen seine Überzeugungskraft.WAB 565.3
In Elis Zurechtweisung seiner Söhne finden sich Worte von feierlicher und schrecklicher Bedeutung - Worte, die alle, die in einem heiligen Amt dienen, bedenken sollten: »Wenn jemand gegen einen anderen sündigt, kann Gott für ihn eintreten. Doch wenn jemand gegen den Herrn sündigt, wer soll dann für ihn eintreten?« (1. Samuel 2,25a NLB) Hätten Elis Söhne mit ihren Verbrechen nur ihren Mitmenschen geschadet, hätte ein Richter sie aussöhnen können, indem er eine Strafe festsetzt und Wiedergutmachung verlangt. Dann hätte man den Schuldigen vergeben können. Oder wenn keine vermessene Sünde vorgelegen wäre, hätte für sie ein Sündopfer dargebracht werden können. Aber ihre Vergehen waren so eng mit ihrem Opferdienst als Priester des Allerhöchsten verknüpft und das Werk Gottes stand vor dem Volk dermaßen entweiht und entehrt da, dass für sie keine Sühne möglich war. Ihr eigener Vater wagte nicht, für sie Fürbitte einzulegen, obwohl er der Hohepriester war. Er konnte sie nicht vor dem Zorn eines heiligen Gottes schützen. Unter allen Sündern tragen diejenigen die größte Schuld, die jene Mittel verächtlich machen, die der Himmel für die Errettung der Menschen vorgesehen hat, »da sie für sich selbst den Sohn Gottes abermals kreuzigen und zum Spott machen« (Hebräer 6,6). WAB 566.1